Der Abstieg ist perfekt
WAZ Essen, 04.11.2008
Von Rolf Hantel und Ralf Ritter
Die Tusem HSB hat gestern Insolvenzantrag gestellt und steht nach dem 10. Spieltag als Absteiger aus der 1. Bundesliga fest. Ein Schuldenberg von erschreckendem Ausmaß
DIE KRISE BEIM TUSEM
Nun ist es gewiss: Der finanziell angeschlagene Tusem hat Insolvenzantrag gestellt. Dem Handball-Bundesligisten blieb keine andere Wahl, weil die Schulden zu einem Berg von 1,5 Mio. Euro angewachsen sind. Eine monatliche Unterdeckung von 100 000 Euro seit dieser Saison. Allein die kurzfristigen Verbindlichkeiten betragen rund eine Million Euro - unglaublich.
Die Handball-Fans sind entsetzt und schütteln rat- und verständnislos den Kopf. Wie konnte das passieren? Hat man denn nichts gelernt aus der Erfahrung? Bereits 2005 hatte es auf der Margrethenhöhe einen folgenschweren Finanzcrash gegeben. Damals musste der frisch gekürte Europapokalsieger aus Essen die Handball-Bundesliga verlassen und wurde nach 25 Jahren Erstklassigkeit in die Regionalliga verbannt.
Damals war die Situation eine andere. Kaum jemand hatte mit einem solchen Gau gerechnet. Nicht unter Klaus Schorn. Der auch im Beruf erfolgreiche Manager hatte die Handball-Profis über Jahrzehnte erfolgreich geführt, ohne dass jemals von einem Engpass die Rede war. Und doch begann Schorns Lebenswerk bereits unter dessen Ägide zu bröckeln. Als die generöse "Post AG" als Großsponsor 2003 plötzlich die Zuwendungen erheblich reduzierte, wurden die Zeiten schwierig.
Der Tusem lieferte zwar weiterhin sportliche Spitzenleistungen, doch honoriert wurde es nicht. Weder von Sponsoren, noch von den Fans, die nur allzu selten die Tribünen füllten. Als ein vermeintlicher Gönner aus Oberhausen auftauchte und Millionen versprach, witterte der Tusem seine Chance. Doch der potente Partner erwies sich als Betrüger. Er zahlte nicht einen Cent und ist in diesem Jahr dafür auch rechtskräftig verurteilt worden.
Es waren mitunter unglückliche Umstände, die damals zum Zwangsabstieg führten. Heute aber liegen die Dinge offenbar anders.
Als Horst-Gerhard Edelmeier die Geschätfsführer im Juli 2005 die neue Tusem HSB übernahm, verbreitete er Aufbruchsstimmung. "Wir müssen Seriosität beweisen, gegenüber Sponsoren, Spielern und Fans", sagte er damals.
Drei große Partner aus Erstliga-Zeiten, RWE, Stadtwerke und Sparkasse, hielten dem Klub die Treue und blieben zwei weitere Jahre unvermindert am Ball. Vor dem Start in die Regionalliga verkündete Edelmeier stolz, der Tusem habe einen ordentlichen Etat, "deutlich im sechsstelligen Bereich." Aber das Füllhorn könne man nicht ausschütten.
Doch genau das ist offenbar geschehen.
Das "Schmerzensgeld" für die gestandenen Erstliga-Spieler (Schmetz, Casanova, Klesniks, Dragunski) war spitze, wie zu hören ist. Und wenn es stimmt, was gemunkelt wird, dass der Tusem trotz seines Top-Etats damals die Regionalliga-Saison mit einer sechsstelligen Unterdeckung abgeschlossen hat, dann ist das nicht unbegreiflich.
Und es wurden weitere Fehler gemacht, die der sportliche Aufstieg kaschierte. Der vertrag mit Trainer Ion Bondar wurde erst verlängert, und wenig später bekam Bondar den Laufpass. Für ihn heuerte Jens Pfänder an und musste ebenfalls vorzeitig gehen. Ihn ersetzte Krizstof Szargiej, der schließlich in diesem Jahr per Relegation den Klassenerhalt schaffte. Spieler wurden zwischenzeitlich geschasst, andere wiederum blieben auf der Gehaltsliste, obwohl sie keine Rolle mehr spielten.
Das alles kostete Geld. Der Tusem lebte über seine Verhältnisse. Folge: Im Schnitt gab es eine monatliche Unterdeckung von 50 000 Euro, in dieser Saison betrug sie monatlich 100 000 Euro. Am Ende stand ein Schuldenberg von kurzfristigen Verbindlichkeiten in Höhe von fast einer Million Euro.
Jetzt muss wieder ein Neuanfang her, und positive Signale gab es auch von den Großsponsoren: Für diese Saison hätten sie ihre Unterstützung zugesichert, sagte Niels Ellwanger gestern, und bereits heute gingen die Gespräche weiter für die Zukunft. Für die Saison bis 2010. In der 2. Liga - es wäre nun das Optimum. Zumindest für den Tusem.