Die böse Journaille also ist es. Habe ich etwas verpaßt? Wulff allein hat die Ursache gelegt. Er wollte die Pressefreiheit einschränken. Seit mehr als 20 Jahren höre und lese ich, daß das ein sehr hohes Gut ist. Und ausgerechnet das DEUTSCHE STAATSOBERHAUPT hat versucht, dieses hohe Gut zu untergraben.
Nein, es sind alle Beteiligten, nicht nur die Presse. Mein Beitrag bezog sich vor allem auf das darüber verlinkte erbärmliche Schauspiel mit dem öffentlichen Frage- und Antwortspiel zwischen BILD und Wulff. Pressefreiheit bedeutet im Übrigen nicht, daß alle Amtsträger und Personen des öffentlichen Lebens quasi Freiwild sind und man mit ihnen umspringen kann, wie es gerade gefällt. Ausgewogenheit, Objektivität und Augenmaß sind die Kennzeichen einer freien Presse. Kampagnen, persönliche Hetzte und öffentlicher Druck haben damit nichts zu tun und sind in der Regel übrigens ein Erkennungszeichen unfreier Presse. Man muß ferner im Fall des Bundespräsidenten noch zwischen der Person und dem Amt unterscheiden, das besonderen Respekt verdient.
Dieser Bundespräsident hat Fehler gemacht. Er hat als Ministerpräsident dem Parlament auf eine Anfrage nicht die (ganze) Wahrheit gesagt. Es ist unzweifelhaft das Recht der Presse (selbst der BILD) darauf hinzuweisen und solche Vorgänge öffentlich zu machen. Ein Ministerpräsident ist, auch wenn er später Bundespräsident geworden ist, Rechenschaft schuldig, wenn Unregelmäßigkeiten vorliegen könnten. Nicht nur dem Parlament und der Presse, sondern insbesondere der Bevölkerung, zu der er sich durch seinen Amtseid in ein besonderes Vertrauensverhältnis begeben hat. Aus diesem Grund ist es auch bei Helmut Kohl unentschuldbar, daß er bis heute und wohl für immer seine persönlichen Abreden mit den Spendern über seinen Amtseid stellt. Bei Kenntis von entsprechender Recherche die Redaktionen und Herausgeber unter Druck setzten zu wollen, daß sie die Berichterstattung unterlassen, wie es Herr Wulff offenbar mehrmals versucht hat, steht einem Bundespräsidenten weder zu noch ist es mit Natur und Würde dieses Amtes in irgendeiner Weise vereinbar.
Aber genauso unvereinbar ist es mit der Würde und den Traditionen dieses Amtes, wie nun die Presse mit der Causa umgeht. Insbesondere das heutige Vorgehen der BILD-Redaktion, einen Bundespräsidenten mit einer veröffentlichten Anfrage zur Zustimmung zu der Veröffentlichung der Mailboxaufnahme sozusagen per Liveticker unter Druck zu setzen, ist unglaublich widerlich. (Daraus einen Versuch abzuleiten, "Respekt zum Amt aufzubauen", kann auch nur Snuffi einfallen, aber da erübrigt sich ja wie meistens jeder weitere Kommentar.)
Es spielt dabei keine Rolle, daß Herr Wulff sich zweifelsfrei falsch verhalten hat und sein Verständnis von Pressefreiheit den Anforderungen an einen Bundespräsidenten offenbar nicht entspricht. So etwas macht man einfach nicht. Das ist eine Frage des Anstands, nicht nur gegenüber einem Bundespräsidenten. Der Respekt gegenüber dem Amt, das Herr Wulff, ob uns das gefällt oder nicht, immer noch ausübt, sollte solch ein Vorgehen von sich aus verbieten.
Christian Wulff hat mit seinem öffentlich gewordenen Verhalten und insbesondere durch seinen Umgang mit diesen Veröffentlichungen selbst deutlich werden lassen, daß er für sein Amt ungeeignet ist. Es ist aber nicht Aufgabe der Presse, den Bundespräsidenten mit Methoden, wie sie die BILD heute benutzt hat, noch weiter bloß zu stellen. Im Weiteren sollte es einer der FDGO verbundenen und verpflichteten Presse ein selbstverständliches Anliegen sein, die Würde des Bundespräsidentenamtes zu achten und zu schützen.
Wenn dem Bundespräsidenten ernsthafte Verfehlungen vorgeworfen werden können, liegt es alleine beim Amtsträger, das Amt mit diesem Makel weiter zu führen - und damit zu beschädigen, wie es bei Wulff gerade passiert - oder aufzugeben. Zwingen kann man ihn zu Letzterem aber trotz allem nicht. Daß das Grundgesetz keine Möglichkeit zur Abwahl des einmal gewählten Präsidenten vorsieht bedeutet nicht, daß es stattdessen ein "Recht auf aus dem Amt jagen" gäbe, wie es zumindest Teile der Presse wohl derzeit durchzusetzen versuchen, nachdem es bei Horst Köhler ja auch schon so prima funktioniert hat. Der war nur nicht so zäh wie Christian Wulff und hat schneller aufgegeben.
Man kann ein Staatsoberhaupt haben, das Fehler macht und damit nicht richtig umgeht. Damit müssen wir leben und das verkraftet unser Land auch locker. Aber man darf nicht versuchen, den Träger dieses Amtes auf Teufel komm raus aus dem Amt zu jagen, denn damit entwertet man die Stellung des Amtes. Und das passiert gerade und natürlich packt Dieckmann dabei die größte Keule aus. Wer es sich als ehemals von ihr Gehätschelter einmal mit der BILD verdorben hat, hat kein leichtes Leben mehr, man frage nach bei Hans-Olaf Henkel.