Ich glaube das ist auch eine Generationenfrage. Mancher (Spät-)Endzwanziger, der frisch aus dem BWL-Studium gefallen und entsprechend auf "modernes", d.i. vor allem "offensives", gerne leicht pathetisches* - aber dadurch eben fast ausschließlich auf junge Kunschaft (s. auch: "Werberelevante Zielgruppe") - zugeschnittenes Marketing konditioniert ist, mag die Erfolgschancen für seinen Verein in erster Linie in der "Coolness" einer Kampagne vermuten. Bei Burgdorf mag so etwas sogar einen relativen Gewinn an "Neukunden" ergeben - um im korrekten Sprachgebrauch zu bleiben - weil bisher nicht besonders viel an Publikum und Handballtradition vorhanden ist. Aber wie man zum Beispiel glauben konnte, jemandem der zwanzig, dreißig Jahre lang zum SCM gegangen war, damals die "Gladiators"-Geschichte verkaufen zu können, ist mir bis heute ein Rätsel. Und wieso die Jugend, die noch nicht dreißig Jahre lang in der Halle war, mehr auf Witznamen und "coole" neue Logos stehen soll, die in fünf Jahren wieder out sind (s. auch: -> VfL Gummersbach ) als auf das traditionelle Erscheinungsbild, konnte mit bis heute auch noch keiner erklären.
Vielleicht sitzt manchmal ein weiterer BWL-/VWL-Fuchs in ähnlichem Alter als Marketingleiter eines Konzerns am anderen Ende, den so etwas dann vielleicht anspricht. Dann hat Benson zwar kurzfristig recht und ein Verein einen neuen Sponsor, den er aber - nachdem der Verein seinem selbstgegebenen pseudo-coolen Image als regelmäßiger 14. der Bundesligatabelle natürlich nicht gerecht geworden sein wird - nach ein, zwei Jahren wieder los ist, weil der nette junge Marketingleiter inzwischen schon lange Senior Vice President Business Relations Southeast-Asia ist und dessen Nachnachfolger im Konzern die inzwischen wieder auf Normalmaß zurückgefahrene Präsentation des aus seiner Sicht langweiligen und erfolgfreien Vereins nicht mehr cool genug für sein auf eine junge Zielgruppe fixiertes Unternehmen findet. Und dieser immer wieder auftretende Konflikt liegt daran, daß die Zielgruppen hipper, junger Companies nun einmal nicht deckungsgleich mit der Zielgruppe eines Handball-Bundesligisten ist.
Ich will mich gar nicht groß lustig machen, und im Grunde ist mir auch egal, was die TSV Burgdorf treibt. Ich habe weder besondere Sympathien noch Antipathien für oder gegen diesen Verein. Ich glaube schlicht und einfach nicht, daß so etwas wie "Die Recken" auf Dauer funktioniert. Kampagnen wie diese (auch "SCM Gladiators" und all die anderen Namens- Logo- und Ortswechsel, die sich nach zwei, drei Jahren in aller Stille totgelaufen haben), die alleine auf das Erzielen kurzfristiger Effekte im Marketingbereich konzipiert und schon konzeptionell nicht auf Dauer* angelegt sind, widersprechen einfach meinem grundsätzlichen Denken über das Erscheinungsbild eines Sportvereins und seiner Profimannschaften.
Das ständige Wechseln von Erscheinungsbild und Bezeichnungen ist kein Zeichen von "Hipness" oder Flexibilität, sondern von Unsicherheit und mithin ein Hinweis darauf, daß etwas in der Außendarstellung nicht funktioniert, denn ansonsten wäre das nicht nötig (und das "Recken"-Logo ist das zweite neue Logo in drei Jahren für die TSV Burgdorf Handballabteilung). Die erfolgreichsten und bekanntesten Vereinsmarken im deutschen Sport sind seit Jahrzehnten unverändert oder nach zwischenzeitlichen Abweichungen zumeist schon nach kurzer Zeit wieder zu ihrer "klassischen" Form zurückgeändert worden (wobei ich nun seit sechzehn Jahren darauf warte, daß dieses Zebra endlich wieder aus dem Logo "meines" MSV verschwindet). Es ist kein Zufall, daß sich zum Beispiel das Logo des Hamburger Sport Vereins in seiner Grunderscheinung seit über 100 Jahren nicht verändert hat. Auch Schalke, Gladbach, der Club, Fortuna Düsseldorf usw. haben mindestens seit dem letzten Krieg ihr Logo in der Grundgestaltung (bis auf ein paar stilistische Anpassungen hier und da) nicht mehr angetastet (OK, Gladbach war mal grün-weiß und Nürnberg hat die Farben invertiert, die Grundgestaltung ist aber geblieben). Das hat seine Gründe. Wiedererkennungswert und Identifikation entstehen eben nur langfristig.
Ich sehe einen Vereinsnamen und ein Vereinswappen als etwas Gesetztes und also prinzipiell dauerhaft Unveränderliches an. Man ändert nur aus der Not heraus und nach Möglichkeit nicht öfter als alle paar Jahrzehnte etwas daran. Bei einer Fusion oder wenn irgendetwas anderes eintritt, das so einen Schritt unvermeidlich macht, muß man manchmal etwas daran ändern. Aber man führt nicht alle zwei, drei Jahre auf Krampf ein neues Logo und eine andere Bezeichnung ein, nur weil man sich ein paar Mark extra davon verspricht.
* wobei das Adjektiv "pathetic" im amerikanischen Englisch einen Subkontext "lächerlich" bzw. "aberwitzig" hat, den "pathetisch" im Deutschen nicht hat - was wiederum ganz gut auf unser Thema passt.
** "auf Dauer" meint nicht die nächsten drei, vier Jahre, sondern prinzipiell langfristig