Das mit der "sportlichen Gerechtigkeit" seh ich beim Rundensystem genausowenig wie bei den Play offs. Zum Ende einer Saison, wenn den Spitzenteams und -Spielern WM/EM, CL, Pokal in den Knochen stecken, mischt auch mal eine Truppe vorne mit, die sich im Vorjahr nicht für CL qualifiziert hat. Gabs mit der SG, gabs mit den Löwen. HSVH wurde unter anderem 2011 Meister, weil der THW verletzungstechnisch am Stock ging. Sportliche Gerechtigkeit?
[...] Play offs würden meiner Ansicht nach auch die Chance wechselnder Meister erhöhen. Ich halte persönlich einen Serienmeister wie den THW suboptimal für die Sportart.
Vollkommene sportliche Gerechtigkeit ist nicht erreichbar. Man kann nicht für jeden Schnupfen die Saison stoppen. Aber man sollte ein System haben, mit dem man sich einem gerechten Zustand möglichst weit annähert (das gilt auch nicht nur für Sport). Und das ist in einem System, in dem jede beteiligte Mannschaft gegen jede andere spielt und am Ende der gewinnt, der dabei am besten abgeschnitten hat (= die meisten Punkte hat), meiner Ansicht nach am ehesten gewährleistet.
Natürlich ist ein Zustand, in dem in neun Jahren acht Mal die gleiche Mannschaft - und das meistens recht unangefochten - Meister wird, grundsätzlich zu hinterfragen. Aber der Lösungsansatz sollte meiner Meinung nach nicht darin bestehen, den Mannschaften, die zwar auch gut, eben über die lange Strecke nicht ganz so gut und konstant waren wie der Erste, am Ende der Saison die Meisterschaft per "Glücksschuß" zu ermöglichen. Dadurch wird die Ligarunde selbst ja auch nicht spannender.
Die "Handballkrise" ist in der sportlichen Konstellation gegeben, aber doch nicht im Zuspruch des Publikums. Einen ligaweiten Schnitt von > 4.500 in der 18er-Liga, in der - siehe unten - ein großer Teil der Spiele nur marginalen sportlichen und rechnerischen Wert hat, für Krisenhaft zu halten, spricht für eine etwas verschobene Wahrnehmung bzw. schlicht überzogene Ansprüche. Ehrgeiz ist ja gut und schön und wichtig, aber man sollte auch realistisch bleiben. Vor zwanzig Jahren lag der Zuschauerschnitt der Bundesliga bei glücklichen knapp 2.000 in den Turnhallen, und da wurde regelmäßig auf Breite im Fernsehen übertragen (ARD/ZDF).
Nein, die Lösung liegt ganz woanders. Es funktioniert nicht über eine Titel-Lotterie, sondern über Niveauverdichtung. Was ich an anderer Stelle in diesem Forum über die 18er-Liga geschrieben habe, bleibt wahr. In der letzten Saison haben die unteren sechs Teams satte zwei Punkte aus den 72(!) Spielen gegen die oberen sechs geholt und keinen einzigen Sieg. Das ist die schlechteste Bilanz aller Zeiten, aber ein seit Jahren anhaltender Trend. Es wäre aus meiner Sicht viel sinnvoller, hier die Schere anzusetzen und die Liga zu verkleinern. Das (leider nur) in dieser Saison in der HBF angewendete 12er-System mit Meister- und Abstiegsrunde halte ich immer noch für das geeigneteste System, um am Ende eine wirklich spannende (und fast die ganze Saison über spannende) Meisterschaft zu haben, bei der es auch nicht auf Zufall oder einmalige Tagesform ankäme, denn immerhin würden die ersten sechs jeweils vier Mal aufeinander treffen. Dazu würden die Luftnummernspiele der obersten gegen die untersten sechs, die weder eine sportliche noch rechnerische Bedeutung für die Liga haben wegfallen.
Die dann natürlich ebenfalls nochmal zu reformierende 2.Liga bestünde aus den derzeitigen "unteren sechs" der 1.BL mit der oberen Hälfte der jetzigen 2.Bundesliga, was eine hübsch attraktive Liga ergäbe, die immer noch stärker wäre als ein Gutteil der europäischen Erstligen. Ein eingleisiger Unterbau wäre bei einer 12er-Bundesliga natürlich unumgänglich, damit die Niveauschere zwischen beiden Ligen auf einem erträglichen Maß bleibt. Die derzeitigen 20 Mannschaften sind allerdings für die zweite Liga eh zu viel, 16 reichen völlig aus. Darunter stelle ich mir eine 3.Liga vor, die so aussieht wie die "alte" 2.Bundesliga, also mit Nord- und Südstaffel, wo sich der ambitionierte semiprofessionelle Betrieb tummelt, wie es eigentlich in der zweigleisigen 2.BL auch war. Die jetzige vierzügige 3.Liga würde ich als 4.Liga beibehalten, allerdings unter Regionalliga-Label, da könnte man dann unter Einbeziehung der Landesverbände auch wieder sechs Staffeln draus machen (analog Regionalliga 2000 bis 2005). Im Endeffekt entspräche das im Groben der alten Ligastruktur vor 2011, bloß mit einer Spitzenliga "on Top" und völlig ohne KO-Spiele und Glücksroulette.
Das sieht auf den ersten Blick radikaler aus als die Play Offs, und wird in Balingen, Nettelstedt oder Minden natürlich eher anders gesehen, aber ich glaube (bin davon ziemlich überzeugt), daß sich eine derart aufgestellte Liga deutlich besser vermarkten ließe als die derzeitige 18er-Liga, in der ein großer Teil der Spiele a. nominal unattraktiv für nicht-speziell-Handballfans sind und b. sportlich wie arithmetisch quasi überflüssig (s.o.) sind und dieses System dazu die sportliche Fairness nicht auf dem grünen Götzen opfert.