Astra plant Gebühren für digitales Sat-TV
Von Oliver Schlicht(VST MD)
Der größte europäische Satellitenbetreiber SES Astra plant bereits 2007 die Verschlüsselung seiner digital abgestrahlten Programme. Angestrebt werden monatliche Gebühren ähnlich wie beim Bezahlfernsehen Premiere. In Mitteldeutschland empfangen 60 Prozent der Zuschauer ihr Fernsehen über Satellit.
Magdeburg. Nach einer am Dienstag veröffentlichen Pressemeldung von SES Astra soll in Zukunft der Empfang der bislang freien privaten und öffentlichrechtlichen Programme nur noch mittels Receiver möglich sein, die über eine passende Datenkarte ( Smartcard ) und eine CI-Schnittstelle ( Common Interface ) verfügen. " Den technischen Zugang erhalten TV-Zuschauer gegen Entrichtung einer niedrigen monatlichen Digital-Pauschale ", heißt es in der SES-Erklärung. Wann genau diese Änderung eingeführt werden soll, steht noch nicht fest.
Die " Frankfurter Allgemeine Zeitung " ( FAZ ) zitiert in ihrer gestrigen Ausgabe den Vorstandschef des Luxemburger Unternehmens SES, Ferdinand Kayser : " Die Verschlüsselung ist für 2007 denkbar. " Es sei möglich, in einer Übergangszeit von zwei bis drei Jahren die Sender parallel unverschlüsselt und verschlüsselt abzustrahlen. Die Gebühr werde " wohl unter fünf Euro " liegen. Zusätzlich müssten die Kunden mit einer Freischaltgebühr in Höhe von zehn Euro rechnen. Die notwendigen neuen Decoder sollen, so Kayser in der FAZ, bereits für " deutlich unter 100 Euro im Handel " zu haben sein.
Dem widersprach gestern auf Volksstimme-Nachfrage Stefan Kön, Vertriebsleiter bei Techni-Sat in der Konzernzentrale Daun ( Rheinland-Pfalz ). Kön : " Astra SES führt unseres Wissens Gespräche mit dem Ziel, einen Receiver mit speziellem Verschlüsslungssystem und anderen genau festgelegten Spezifi kationen auf den Markt bringen zu lassen. " Das System soll sich an dem bei Premiere üblichen Standard " Nagravision " orientierten. Kön befürchtet einen geschlossenen Markt, der mit Geräten aus Fernost beliefert wird. Nur von SES lizensierte Geräte werden Astra-Programme in Zukunft entschlüsseln können.
Für TechniSat selbst könnte dies negative Auswirkungen haben. Der Konzern produziert am Standort Staßfurt zu 50 Prozent digitale Receiver. Aber auch für die Kundschaft habe die Ankündigung " katastrophale Folgen ", so Kön. " Den Großteil der jetzt genutzten Receiver egal ob mit oder ohne CI-Slot wird man als Sondermüll entsorgen können. "
Die über Gebühren fi nanzierten Senderfamilien von ARD und ZDF kündigen Widerstand an. " Wir machen da nicht mit ", zitiert die FAZ von gestern ZDFIntendant Markus Schächter. Die beiden großen privaten Sendergruppen RTL und Pro Sieben Sat 1 kommentieren dagegen seit Monaten Verschlüsselungsgerüchte zurückhaltend. Nach einem Bericht des Internet-Informationsdienstes heise. de von gestern hat ProSiebenSat. 1-Chef Guillaume de Posch im Rahmen der Pressekonferenz zur Vorstellung des Jahresberichts 2005 entsprechende Überlegungen bestätigt.
Wegen der Verschlüsselungspläne von Astra SES und der privaten Senderfamilien ermittelt derzeit auch das Bundeskartellamt. Es besteht der Verdacht auf Machtmissbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale wies gestern als Reaktion auf die Astra-Ankündigung darauf hin, dass der generelle Einsatz von Receivern mit Smartcard-Lesern das Ende der anonymen TV-Nutzung sei. " Jeder TV-Zuschauer wäre dann individuell identifi zierbar ", heißt es. Etwa 60 Prozent der TV-Zuschauer sehen in Mitteldeutschland über Satellit fern. Bundesweit geht die Branche von sechs Millionen Nutzern aus.
Michael Richter, Projektleiter digitaler Rundfunk bei der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, glaubt, dass der Zugang zu den gebührenfi nanzierten öffentlichrechtlichen Sendern auch durch eine Verschlüsselung nicht verbaut werden kann. " Ich kann mir sogar vorstellen, dass jeder Gebührenzahler eine entsprechende Smartcard zugeschickt bekommt, die alle ARD- und ZDF-Programme freischaltet ", so Richter. Hauptgründe für die Verschlüsselungspläne sieht Richter im Aufkommen neuer Übertragungswege wie Handy- oder Internet-TV und dem damit verbundenen Verlust an Werbeeinnahmen. Richter : " Man kann doch heute mit jedem Festplatten-Rekorder die Werbung einfach ausblenden. Darauf müssen die privaten TV-Sender reagieren und neue Einnahmenwege erschließen. " Meinung