Derby-Krone für Großsachsen Die TVG-Handballer siegen mit 30:29 bei der SG Leutershausen
Unmittelbar nach der Schluss-Sirene lebte Torsten Frohn gefährlich. Der Handball-Torhüter des TVG Großsachsen wurde engekreist, geschubst und schließlich beinahe erdrückt. Kurz davor hatte er die letzte Aktion der SG Leutershausen vereitelt und den 30:29 (10:14)-Derbysieg seiner Großsachsener festgehalten. Auch die "mitgereisten" Fans sprangen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durch die Heinrich-Beck-Halle. Manche wirbelten ihre blau-gelben Schals ekstatisch durch die Luft. Michael Sahm verstand sie: "Es gibt nichts Schöneres als einen Derbysieg. Vor allem, wenn er derart umkämpft zustande gekommen ist", setzte der Trainer des TVG sein Siegerlächeln auf.
Umkämpft ist gut. Es war eine wahre Nervenschlacht, die sich vor 1.200 Zuschauern abspielte. Sahm: "Es ging rüber und nüber - einfach klasse". Zum Derbyhelden wurde Tobias Kohl. Großsachsens sprungstarker Kapitän behielt im Hexenkessel die Nerven. Der Rückraum-Mann war in der Schlußphase Gold wert. Immer wieder tankte er sich durch und traf - auch in Unterzahl.
Bei den "Roten Teufeln" war die Entäuschung natürlich groß. Der Spielverlauf tat sein Übriges. Schließlich hatte die SGL den Rivalen schon am Rande einer Niederlage: Leutershausen führte in der 33. Minute mit 16:11 und dominierte die Begegnung kloar. Holger Löhr brachte es auf den Punkt: "Diese Niederlage tut wirklich weh. Aber es geht weiter".
Man bleibt gelassen, was bei einem Blick auf die Tabelle nachvollziehbar ist: Die Löhr-Sieben thront nach wie vor souverän an der Tabellenspitze. Der SGL-Express scheint auf seinem Weg in die Regionalliga nicht mehr zu stoppen zu sein. Aus den letzten sechs Begegnungen reicht dem ehemaligen Bundesligisten ein Pünktchen zum Aufstieg. "Vielleicht holen wir das schon am nächsten Wochenende in Kenzingen", sagte Leutershausens Handball-Chef Uli Roth.
Mit dem Negativ-Erlebnis im Ortsduell konnte Roth leben. Er hatte sogar eine Erklärung parat: "Die Heimmannschaft steht in solchen Spielen immer deutlich mehr unter Druck",erklärte der Ex-Rekordnationalspieler, "wenn man es dann nicht schafft, sich rechtzeitig abzusetzen, wird es richtig schwer". Seine These hat Gewicht. Das zeigt die jüngere Derby-Geschichte zwischen Leutersahusen und Großsachsen eindeutig. In den letzten vier Begegnungen triumphierten jeweils immer die Gäste.
Das am Samstag nun wieder der TVG dran war, machte Sahm mächtig Stolz: "Meine Jungs haben toll gekämpft, die Moral war großartig", betonte er. Was bleibt ist die Frage, warum sein Personal eine solche Leitung bislang nicht immer abrufen konnte. Sechs Niederlagen stehen zu Buche. Niederlagen, die mitunter sehr ärgerlich waren, weil sie gegen schwächere Kontrahenten eingesteckt werden mussten. Folglich könnte der Traum vom Durchmarsch in die regionalliga - trotz des Paukenschlags bei der SGL - eine Wunschvorstellung bleiben. Sahm und seine Handballer haben es nicht mehr selbst in der Hand. Der Chef dämpft die Euphoriewelle deshalb ganz bewusst: "Wenn es am Ende reicht, wäre es toll", sagt Sahm: "Falls wir scheitern sollten, ist es aber auch kein Beinbruch"!
Stenogramm: 1:1,1:3,2:5,5:6,7:7,8:7,9:9,11:9,14:10 (Halbzeit),16:11,16:13,18:15,20:16,20:18,21:19,24:22,
25:24,25:25,25:26,26:26,27:28,27:29,28:30,29:30 (Endstand).
SG Leutershausen: Wetzel 4,Kuch 7,Gunst 5/4,Seel 2,Häußler 2,Ph. Müller 2,Maas 3,Böhmler 2,Wolf 1
TVG Großsachsen: Kohl 9, D. Sauer 8,Jörres 3, Schwöbel 3,Schmitt 1, F. Sauer 5/3, Weissling 1.
Rhein-Neckar-Zeitung 23.03.2009
Derby wird zur Herzenssache SG Leutershausen muss sich Ortsrivale Großsachsen mit 29:30 (14:10) beugen und verpasst vorzeitige Aufstiegsfeier/TVG jubelt nach konsequenten Schlussspurt und wahrt seine Chance
Als es dunkel wird erhöht sich der Herzschlag. Die Musik dröhnt, auf der Tribühne der Heinrich-Beck-Halle werden Wunderkerzen gezündet. Die Fans schalten ihr kleines Plastikherz an, das die Bürgerstiftung am Eingang verteilt. Heraus kommt Gänsehaut-Atmosphäre: die schwarzen Ränge, unterbrochen von rot aufflackerndem Blinklicht: Es ist Derbyzeit in Hirschberg.
TVG wahrt theoretische Chance
"Vor solch einer Kulisse aufzulaufen, ist der Traum eines jeden Handballers", sagt TVG-Kapitän Tobias Kohl. Für die Männer der SG Leutershausen und des TVG Großsachsen geht er einmal mehr in Erfüllung. Und nach dem unerwarteten 30:29-(10:14)Sieg des TVG dürfen Spieler und Fans noch weiterträumen. Denn Großsachsen wahrt mit dem Erfolg beim Ortsrivalen seine Theoretische Chance, doch noch den zweiten Platz zu belegen, der ebenfalls zum Aufstieg in die regionalliga berechtigt. "Wir hätten uns es jahrelang vorgehalten, wenn wir in diesem besonderen SPiel nicht gekämpft hätten bis zum Schluss", sagt Kohl der kompletteste Spieler im Großsachsener Trikot, der zusammen mit Dominic Sauer der spielentscheidente Mann für Großsachsen war. Die beiden Rückraumspieler werfen Großsachsen in der Schlussphase fast im Alleingang zu einem Erfolg, der nach 40 Minuten Spielzeit und der verdienten 30:16-Führung für Leutershausen noch unmöglich scheint.
SGL dominiert bis zur 40.Minute
Bis dahin dominieren die Gastgeber das Ortsderby. Die SGL hätte mit einem Sieg ihrerseits den Aufstieg perfekt machen können, weil Verfolger Pforzheim seine Partie gegen Stuttgart mit 27:37 verliert. Aus den letzten sechs Spielen benötigt Leutershausen noch einen Punkt. "Was mich richtig sauer macht, ist, das meine Mannschaft das Handballspielen nach 40 Minuten eingestellt hat. So kann man kein Spiel gewinnen", sagt SGL-Trainer Holger Löhr. Der ist, wie seine Jungs auch, bitter enttäuscht.
Team mit größerem Biss gewinnt
"Vor so einer Kulisse zu verlieren ist bitter, im Derby gegen Großsachsen obendrein. Und das wir mit einem Sieg den Aufstieg hätten klar machen können, macht die Niederlage noch schmerzhafter", sagt der letzte SGL-Kapitän Michael Baus. Und Leidgenosse Sebastian Brehm fügt an: "Wir sind selbst Schuld, man hatte das Gefühl, dass Großsachsen in der Schlussphase mehr Biss hatte".
Für Tabellenführer SGL ist zwar nach dieser Niederlage nichts verloren, der Stachel, ausgerechnet das Ortsderby zu verlieren, sitzt aber tief. "Wir hätten Tobi Kohl niemals soviel Freiraum geben dürfen", sagt der agilste Leutershausener Simon Kuch und blickt ins Leere.
Frohn der glücklichste Mann
Kuchs letzter Wurf drei Sekunden vor Schluss knallt beim Spielstand von 29:30 an den Pfosten und macht TVG-Torhüter Torsten Frohn zum glücklichsten Mann in Hirschberg. Der "ersitzt" nämlich den Ball und wird nach dem unmittelbar darauf folgenden Schlußpfiff unter seinen Teamkollegen begraben. "Jetzt kann ich meine Karriere beenden", flacst er. "Mein letztes Ziel war nämlich, einmal in Leutershausen gegen deren erste Mannschaft in einem Pflichtspiel zu gewinnen.
Zwar hatte Leutershausen die individuell stärkere und fittere Mannschaft, Großsachsen nutzte in dieser Partie seine Chancen durch die überragenden Sauer und Kohl aber konsequenter. Hinzu kam, das Simon Kuch im SGL-Rückraum auf sich allein gestellt war und lediglich durch Cornelius Maas entlastet wurde. Daniel Häussler kamm auf der rechten Seite nicht gegen die starke TVG-Abwehr an. "Wir haben letzlich einfach nicht mehr ins Spiel zurückgefunden", sagte SGL-Rechtsaußen Tobias Seel.
Großsachsens Trainer Michael Sahm freut sich, dass en Team in einem Spiel voller Höhen und Tiefen noch rechtzeitig die Kurve bekommen hat. "Auch bei fünf Toren Rückstand hat sich die Mannschaft nicht aufgegeben und sich den Sieg redlich erkämpft. Von Aufstieg reden wir allerdings nicht, wir haben es nicht mehr selbst in der Hand".
Der Ausgang dieser Partie lässt trotzdem, auf weitere Derbys und Gänsehaut-Stimmung in Hirschbergs Hallen hoffen. Den nie ist ein Sieg schöner und eine Niederlage schmerzlicher, das war auch am Samstag deutlich zu spüren.
SG Leutershausen: Schemenauer,Ianos (zu einem Siebenmeter);Wetzel (3),Kuch (7),Gunst (5/4),Seel (1),Häussler (3),Rüffer,P.Müller (2),
F.Müller,Maas (5),Böhmler (2),Wolf (1)
TVG Großsachsen: Frohn,Steger (31. bis 48.);Schwöbel (3),Otterbeck,Jörres (3),Weißling (2),Elfner,Kohl (9),Schmitt,Dominic Sauer (8),Florian Sauer (5/3),Döringer,Nüssel,Kokas
Beste Spieler: Kuch - Dominic Sauer,Kohl (in Abwehr und Angriff),Otterbeck
Schiedsrichter: Jung/Washington (TSV Wolfschlungen)
Siebenmeter: 4/4 - 3/3
Zeitstrafen: 10:14
Tschniche Fehler: 12:12
Fehlwürfe: 21:19
Torwart Paraden: Schemenauer 8 - Frohn 10, Steger 4
Zuschauer: 1250 (ausverkauft)
Weinheimer Nachrichten 23.03.2009
Derbysause begann in beiden Lagern früh, Sieger gab's aber nur einen
Hirschberg-Leutershausen. Die Derbysause begann früh. Beide Fanlager schworen sich schon am Samstagnachmittag auf den Bergstraßen-Knaller zwischen der SG Leutershausen und dem TVG Großsachsen ein. Während sich die Gäste zu einem Sternmarsch versammelten, formierten sich die Schlachtenbummler der "Roten Teufel" vor der Heinrich-Beck-Halle. Ein Bierstand hielt sie bei Laune.
Um kurz nach 18.30 Uhr war es dann soweit: Beide Fangruppen trafen am Bierstand aufeinander. Alles lief völlig friedlich ab. Laut war's. Die einen skandierten "Saase, Saase", die anderen "Hause, Hause". Und ein ganz cleverer Zeitgenosse stärkte das Wir-Gefühl: "Hirschberg, Hirschberg", lachte er in die Runde. Die Vorfreude war riesig, die Stimmung gigantisch.
Gegen 21 Uhr, so eben ertönte die Schluss-Sirene, feierte dann nur noch die Minderheit: "Derbysieger, Derbysieger", schallte es aus vielen TVG-Kehlen. Es war vollbracht. Der vermeintliche Außenseiter schnappte sich beide Punkte, gewann mit 30:29 (10:14). Die SGL-Sympathisanten ließen hingegen die Köpfe hängen. "Da bist du die ganze Saison daheim ungeschlagen", stammelte ein älterer Herr auf dem Heimweg vor sich hin, "und ausgerechnet Großsachsen beendet die Serie". Steffen, 22, aus Weinheim, kam dagegen als Unparteiischer zum Nachbarschafts-Duell. "Ich wollte mir das einfach nicht entgehen lassen, wollte ein spannendes und emotionales Spiel sehen", erklärt der Student, "und ich muss sagen, ich bin voll auf meine Kosten gekommen." Dass er überhaupt eine der begehrten Eintrittskarten ergattern konnte, war übrigens reiner Zufall. Über einen Freund hat er erfahren, dass ein anderer Bekannter aufgrund einer Familienfeier kurzfristig passen musste. "Selbst schuld", grinste Steffen und nippte an einer Colaflasche. Kurz darauf, die abschließende Derbyparty hatte schon begonnen, stieg er dann auf ein kühles Blondes um. Thomas, 35 Jahre alt, stand ein paar Meter daneben. Den Zeigefinger an der Stirn, den Daumen am Kinn - da schien sich jemand Gedanken zu machen. Und der erste Eindruck täuschte keineswegs: "Trotz unseres Sieges war es wohl das letzte Derby, das wir für die nächste Zeit in Hirschberg erlebt haben. Denn im Gegensatz zur SGL werden wir höchstwahrscheinlich nicht aufsteigen", meinte die bekennende TVG-Nase. Das Tabellenbild gibt ihm Recht. Großsachsen hat es nicht mehr selbst in der Hand, muss auf Ausrutscher der Konkurrenz hoffen. Leutershausen ist die Regionalliga dagegen kaum mehr zu nehmen.
Falls sich beide nun tatsächlich wieder für unbestimmte Zeit aus dem Weg gehen werden, wäre es bedauerlich. Schließlich ist dieses Derby eine Top-Veranstaltung, die keiner missen möchte.
Selbst SGL-Kult-Hallensprecher Udo Scholz, auch bekannt als "Stimme" der Adler Mannheim, verneigte sich hernach verbal: "Es hat großen Spaß gemacht hier dabei zu sein." Zum Abschluss konnte er sich dann auch einen kleinen Seitenhieb in Richtung der Bundesliga-Handballer der Rhein-Neckar Löwen nicht verkneifen: "Wenn du diese Begeisterung an der Bergstraße mit der SAP Arena vergleichst, wo die Löwen häufig viele Freikarten verteilen müssen..."
Rhein-Neckar-Zeitung 23.03.2009