"Zehn Monate sind für die Katz"
Wallau verpasst gegen klar bessere Kirchzeller Aufstieg/Jörg Schulze geht
Dank für die Unterstützung der Fans: Auch nach ihrer herben Niederlage vergaßen die Wallauer Luis Garbo, Stefan Bonnkirch, Jörn Laufersweiler und Martin Lorenz (verdeckt, von links) nicht, sich von ihrem treuen Anhang zu verabschieden.
WALLAU Der 20. Mai 2006 - ein schwarzer Tag für die SG Wallau/Massenheim. Statt Aufstieg in die Zweite Handball-Bundesliga nahmen nach der 30:40 (12:16)-Niederlage im entscheidenden Spiel gegen den TV Kirchzell Trainer Jörg Schulze und SG-Macher Bernd Wagenführ ihren Hut.
Von Jürgen Möcks
Gestern Abend unterrichtete Schulze die Spieler von seiner Entscheidung, dass für ihn nach dem Pokalendspiel am Mittwoch beim Gießener Bezirks-Oberligisten TV Mainzlar (20 Uhr) nach sechs Jahren Schluss ist. Nachfolger wird der langjährige SG-Kapitän Carsten Bengs (31, derzeit noch TSG Münster), der ursprünglich als Co-Trainer für die kommende Saison an der Seite von Schulze vorgesehen war. "Es ist ein klarer Schnitt nötig, um neue Impulse zu setzen. Damit in der kommenden Saison der Aufstieg klappt", sagt Jörg Schulze. Trainernovize Bengs sieht der neuen Situation indes gelassen entgegen: "Eine spannendere und interessantere Aufgabe kann ich mir doch nicht wünschen."
Trotz des verpassten Aufstiegs bleibt die Mannschaft weitestgehend zusammen, wird aller Voraussicht nach durch Rückkehrer Maik Makowka (26) vom italienischen Erstligisten HC Meran und Maciek Tluczynski (23) vom Nord-Zweitligisten TSV Burgdorf-Hannover verstärkt.
Verstärkungen, die nötig erscheinen. Als Wolfgang Faß, Präsident des Südwestdeutschen Handball-Verbandes, die Meisterschale an die ausgelassen feiernden Kirchzeller überreichte, waren die Wallauer nur Statisten. Randfiguren. Fabian Bohnert und Christian Zölls verfolgten mit leerem Blick von der Auswechselbank das Geschehen, der Großteil der Spieler war erst einmal in die Kabine gelohen. Nur schwer war zu verdauen, was zuvor in den 60 Minuten abgelaufen war. Kurz gesagt: Es war eine Kopie des Hinspiels.
In der restlos überfüllten Ländcheshalle - selbst Besitzer vom im Vorverkauf erworbenen Karten fanden teilweise keinen Zutritt - fehlte es den Wallauern vor allem an einem: an Erfahrung. "Für viele von uns war es das erste Spiel von solcher Bedeutung", sagte Markus Roßmeier später. Erfahrung, die durch nichts zu ersetzen ist. Auf der Gegenseite: Leute wie Routinier Alex Hauptmann oder Gregor Schmeißer und Wilm Hetkamp, beide mit Doppelspielrecht für den TV Großwallstadt. Die Bayern, sie waren einfach giftiger, ballsicherer, entschlossener. Und stellten mit Keeper Thomas Bolling den überragenden Mann auf dem Feld. "Den Wallauern fehlt ein Häuptling. Sie müssen lernen zu improvisieren", urteilte Kirchzells Trainer Gottfried Kunz. Gegen die offensive Deckung gegen Linkshänder Stefan Bonnkirch fiel dem Tabellenführer herzlich wenig ein. "Wir hatten diese Situationen trainiert, haben es aber nicht umsetzen können", ärgerte sich Sebastian Linder. Frust pur bei Bonnkirch: "Zehn Monate für die Katz".
Symptomatisch für die offenkundige Verunsicherung der Wallauer eine Situation kurz vor der Pause: Michael Allendorf, noch einer der besten Wallauer, verlud Bolling beim Siebenmeter mit einer Finte, warf dann jedoch über den auf dem Boden sitzenden Keeper und über das Tor. "Die Wallauer sind schnell nervös geworden. Das haben wir gnadenlos ausgenutzt", jubelte Kirchzells verletzter ehemaliger Nationalspieler Bernd Roos. Man habe einfach nicht dauerhaft den Fuß in die Partie bekommen, gestand Schulze. "Wir hatten beim 7:5 die Chance, uns auf drei, vier Tore abzusetzen. Aber die Nervosität war zu groß." Enttäuschung auch beim ehemaligen Wallauer Jan-Olaf Immel: "Wallau wollte zu schnell zu viel. Kirchzell hat ganz ruhig gespielt und im richtigen Moment Gas gegeben." SG-Keeper Mathias Beer war einer der ersten, der die Fassung wiederfand: "Wer zweimal so klar gegen uns gewinnt, ist verdient Meister." Sprachlos indes der in der Anfangsphase so starke Kreisläufer Fabian Bohnert: "So ein Spiel bekommen wir so schnell nicht wieder." Nächste Chance: der 19. Mai 2007. Vielleicht der erhoffte Glückstag für die SG Wallau/Massenheim.
Quelle: Wiesbadener Kurier