es scheint ja auch so,
dass ein verein der sich sehr starkt im nachwuchsbereich engagiert,
da sehr viel ressourcen an finanzen und personal braucht, die ihm vlt. auf dauer fehlen,
wenn man dazu noch immer top3 fbl mitspielen will.
vlt. ist dann die rechtzeitige focussierung auf einen bereich der richtige weg.
Das ist starker Tobak und geht nach meiner Erfahrung in die völlig falsche Richtung. Hier wird das Wesen des Handballsports als Mannschaftssportart komplett ignoriert, diese Einstellung, die ja durchaus weit verbreitet ist, führt zu immer stärkerer Ausdünnung des Spielbetriebs in der Fläche.
Ich habe hier im "Profibereich" des Forums immer wieder auf den Niedergang des Handballsports in Deutschland hingewiesen und dabei regelmäßig artikuliert, dass Spitzenleistungen dauerhaft nur da gezeigt werden können, wo talentierter und engagierter Nachwuchs permanent die Etablierten herausfordert. Dafür braucht man einen stabilen Unterbau im Breitensport und im Nachwuchsbereich, denn die Talente wachsen nicht auf Bäumen und auch nicht nur im unmittelbaren Einzugsbereich der Spitzenmannschaften. Eine ausreichende Zahl an Nachwuchstalenten drängt nur dann in gesunder Konkurrenz an die Spitze, wenn ein leistungsfähiger mehrschichtiger Spielbetrieb in der Fläche stattfindet. Natürlich bindet das (vor allem auch finanzielle) Ressourcen, aber es bringt auch neue hervor. Genau hier sehe ich die Spitzenvereine und noch mehr den DHB und die Landesverbände in der Verantwortung, die verfügbaren Mittel effizient und nachhaltig einzusetzen und das meint ausdrücklich nicht, immer mehr fertig ausgebildete Spitzenspielerinnen auf dem internationalen Markt einzukaufen. Diese Spielerinnen brauchen in der Regel eine halbe Saison, um sich einzuspielen, bringen dann in der zweiten Halbserie dieser und der ersten Halbserie der folgenden Saison (mehr oder weniger) gute Leistungen, um dann in der zweiten Halbserie der zweiten Saison schon wieder die Handbremse anzuziehen, weil sie bereits einen neuen Vertrag in der Tasche haben und keinesfalls noch eine schwere Verletzung riskieren wollen und sollen. Diese Schaukelspiele in den Leistungskurven der einzelnen Spielerinnen, die sich dann zwangsläufig auch in der Gesamtdarstellung der Mannschaften widerspiegeln, führen in den Teams selber genauso wie beim Publikum regelmäßg zu Unmut und in der Folge durchaus auch zu nachlassendem Engagement und Interesse. Wir brauchen uns nur die Entwicklung der Zuschauerzahlen und nochmehr die Zahl der gemeldeten Mannschaften im regelmäßigen Spielbetrieb anzuschauen. Natürlich kann man es sich bequem machen und als Gegenargument Corona in's Feld führen. Aber das ist weniger als die halbe Wahrheit und schon gar kein Lösungsansatz für einen Ausweg aus der Misere, übrigens auch nicht die (alle Jahre wieder!) angedachten Playoff's in der HBL. Vielmehr ist es eine Tatsache, dass mit zunehmender Zahl der Legionärinnen diese den Weg unserer Nachwuchstalente in die Spitzenteams blockieren. Und wohin diese selbstzerstörerische Praxis letztendlich bei den Auswahlmannschaften führt, hat ja die deutsche Frauenhandballnationalmannschaft bei den letzten großen Turnieren überdeutlich gezeigt.
Es ist ganz offensichtlich der falsche Weg, wenn sich die Spitzenvereine aus der Verantwortung für den nationalen Handballsport herauskaufen und dabei von den Verbänden auch noch unterstützt und hofiert werden. Wir brauchen eine Kehrtwende, die den Zusammenhang und den Zusammenhalt zwischen Spitzen- und Breitensport wiederherstellt. Die derzeitige Situation ist tödlich, wir stehen vor dem unmittelbaren Zusammenbruch. Ein Beispiel aus meiner Region im Herzen Deutschlands: Unser kleinstädtischer Verein hat durchaus eine vorzeigbare handballerische Tradition, kommendes Jahr feiern wir 100 Jahre Rasenhandball. Ein ehemaliger, mittlerweile hochbetagter Nationalspieler hat viele Jahre engagiert und maßgeblich im Verein mitgewirkt und ist noch heute gern gesehener Gast bei allen Aktivitäten des Vereins. Um weiter attraktive Angebote für den Nachwuchs anbieten zu können, organisieren wir neben dem Trainingsbetrieb in der Kernstadt (<10.000 Einwohner) auch in 2 Gemeinden des Kommunalverbandes wöchentlich Trainingsangebote, um für die Kinder und Eltern Aufwand und Kosten in erträglichen Grenzen zu halten und nicht ganz uneigennützig und durchaus erfolgreich zusätzliche Potenziale an Spielerinnen und Spielern zu erschließen. Der Einsatz und der Aufwand für den Verein, insbesondere für den Vorstand, die Trainer und alle fleißigen Helferlein ist enorm. Der Haken an der ganzen Sache: Mittlerweile gibt es im Nachwuchsbereich und insbesondere auch Frauenbereich für den Breitensport kaum noch geordneten Spielbetrieb, die wenigen Spiele erfordern weite Wege, führen nahezu ausschließlich in die Leistungszentren. Dort gibt es dann häufig "Senge", 11 zu 34 ist ein Ergebnis, dass in dieser Größenordnung regelmäßig eingefahren wird. Es ist eine Frage der Zeit, wann hier die Kräfte und das Engagement nachlassen und die positive Entwicklung der letzten Jahre (wir sind der einzige Verein weit und breit mit stetig steigenden Mitgliederzahlen!) nicht mehr gehalten werden kann. Und was kommt dann???
Warum schreibe ich all das in diesem Bereich des Forums und nicht im Bereich Breitensport? Weil der Breitensport sich nicht mehr allein aus dem Sumpf befreien kann, in den uns die verantwortungslose Verbandspolitik hineinmanövriert hat. Wenn jetzt nicht alle gemeinsam die Ärmel hoch- und den ganzen Laden umkrempeln, wird Handball und zuerst der Frauenhandball in D in absehbarer Zeit in der Bedeutungslosigkeit versinken. Nur in einer konzertierten Aktion können Profis und Amateure gemeinsam einen neuen Weg finden und gehen, der dem Stellenwert dieser Sportart im Mutterland des Handballs angemessen ist und ihm wieder eine Perspektive bietet, die den Potentialen dieser genialen Sportart auch gerecht wird. Dazu gehört unbedingt auch, das Regelwerk wieder mit den Anforderungen und Möglichkeiten des Breitensports in Einklang zu bringen. Was bei den Profis gelegentlich noch zunehmende Dynamik suggeriert, in erster Linie aber auch zunehmende Verletztungsgefahr generiert, überfordert die Spieler im Nachwuchs- und Breitensport maßlos. Der aktuelle Rennball fördert einseitig spezielle Athletikprofile (so wie beim RTL-Klamauk „Ninja Warrior" fast nur Kletterprofis eine Chance haben) und für viele junge Sportler, die sich gerade orientieren und Handball "probieren", ist diese Verzerrung ein k.o.-Kriterium und sie suchen sich ein anderes Betätigungsfeld. Auch auf diese Zusammenhänge bin ich schon mehrfach eingegangen, deshalb verzichte ich an dieser Stelle auf weitere Ausführungen dazu.
TCLIP, mit Ihrer derzeitigen Vor- und Einstellung sollten Sie Ihr Engagement lieber in Richtung Leichtathletik, Schwimmen oder Boxen orientieren, bei den Individualsportarten richten Sie mit Sicherheit weniger Schaden an. Bitte gehen Sie noch einmal in sich und wägen Sie in Ruhe die Vor- und Nachteile einer immer einseitigeren Spitzenförderung ab. Betrachten Sie dabei bitte nicht nur die aktuelle und vielleicht die kommende Spielserie sondern auch die Zeit, in der die Kinder unserer Enkel überlegen, welche Sportart sie betreiben möchten. Da wir im gleichen Jahr geboren sind, sollten unsere Interessen diesbezüglich vielleicht gar nicht soweit auseinanderliegen gerade unter dem Aspekt, dass nicht jeder in der ersten oder zweiten Liga spielen kann oder will, aber jeder Handballinteressierte dringend gebraucht wird und gehalten werden muss. Auch gute Übungsleiter und Schiedsrichter sind existenziell für unsere Sportart und die "Wanderheuschrecken" aus dem Ausland (ich meine das ausdrücklich nicht despektierlich!) bedienen diese Positionen nur im Ausnahmefall...
Ich wünsche allen Handballfreunden eine ruhige, den Verbandsgewaltigen vor allen eine besinnliche Weihnachtszeit und uns allen eine neue belastbare Perspektive für unseren geliebten Handballsport!