Sehr geehrte ZEIT ONLINE-Redaktion.
sehr geehrter Wolfram Eilenberger,
mit großer Irritation habe ich heute Ihren Artikel „Die Alternative für Deutschland“ über die Handball-Nationalmannschaft gelesen. Ich habe mehrfach einen Hinweis gesucht, der den Text als Satire oder Glosse kennzeichnet, bin jedoch nicht fündig geworden - insofern scheinen Sie es mit Ihren Worten tatsächlich ernst zu meinen. Als jemand, der Handball ebenso wie Fußball liebt und als Sportjournalistin und Buchautorin arbeitet, bin ich verärgert.
Dieser Artikel ist aus meiner Sicht eine Frechheit gegenüber der Nationalmannschaft und der gesamten Sportart Handball. Wollen Sie den Handball wirklich ins politisch rechte Spektrum rücken, weil die Spieler der Nationalmannschaft keinen Migrationshintergrund haben? Reicht Ihnen das als Grund, eine ganze Sportart mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry gleichzusetzen, die unlängst forderte, Flüchtlinge an der Grenze notfalls mit Waffengewalt abzuwehren? Wie kommen Sie bitte zu dem Schluss, dass es das „nordisch-arisiertes Bild“ vervollständige, weil der Trainer Isländer ist? Oder ist all das ein verunglücktes Stilmittel?
Aufgrund der Vornamen der Nationalspieler ziehen Sie den tollkühnen Schluss, dass der „Sport sozialdynamisch irgendwo vor drei Jahrzehnten stecken geblieben“ sei. Es stimmt sicherlich, dass der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Handball geringer ist als im Fußball - doch dies ist erkannt. Der Handball leistet seit Jahren seinen Beitrag - sowohl zur Integration als auch zur Inklusion. Vereine und Ehrenamtliche im ganzen Land engagieren sich mit Herzblut und großer Begeisterung für die Jugend- und Talentförderung. Wenn Sie das nicht sehen wollen, ist das Ihre Sache, aber von einem Autoren der ZEIT erwarte ich als ZEIT-Abonnentin eine differenziertere Betrachtung.
Dass Sie als DFB-Trainer und Fußball-Kolumnist die „bunt gemischte Multi-Kulti-Truppe“ von Joachim Löw als positives Beispiel heranziehen, wie der Sport von heute Ihrer Meinung nach auszusehen hat, mag für Sie naheliegend sein. Ich finde es hingegen eher erschreckend, dass für Sie Hautfarbe oder ethnischer Hintergrund eine solch entscheidende Rolle spielen. Es zeigt mir, dass Sie sich mit dem Handball offenbar nicht intensiv beschäftigt haben und beispielsweise die Diskussion um die schwedische Kapitänsbinde in Regenbogenfarben bei der EM - ein von vielen Spielern gezeigtes Zeichen für Diversität - nicht mitbekommen haben. Sie schreiben aus dem Elfenbeinturm des Fußballs heraus, ohne Personen oder Strukturen im deutschen Handball zu kennen - und werden diesen damit nicht gerecht.
Ihren Artikel schließen Sie mit den Worten: „Ich glaube, dargelegt zu haben, […] warum diese Handballzukunft auch in Zukunft ohne mich als Fan oder auch nur Zuschauer stattfinden wird.“ Eben dies ist Ihnen aus meiner Sicht nicht einmal ansatzweise gelungen. Was genau wollen Sie mit Ihrem Artikel aussagen? Dass es keine Alternative zum Fußball gibt?
Falls Sie Ihre Meinung ändern und den deutschen Handball doch noch kennenlernen möchten - nicht als Alternative für irgendetwas, sondern als einen Baustein der abwechslungsreichen deutschen Sportlandschaft - stehe ich gerne als Begleitung zur Verfügung.
Man muss den Handball ja nicht mögen - aber man sollte ihn und seine Sportler zumindest respektieren.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Nikoleit