Ich hatte die Dissusion neulich abends mit Matthias, dem Verfasser des Artikels. Mich erinnert das Prellverbot an Diskussionen mit der Mini-Trainerin meines ehemaligen Vereins. Ich habe vor zehn Jahren eine weibliche E-Jugend trainiert, die sich ausschließlich aus Minis rekrutierte. Unsere Mini-Trainerin propagierte ebenfalls ein Prellverbot und setzte das zumindest im eigenen Verein durch. Nach einigen Wochen / Monaten Praxis im Neuland Zwergenhandball kam ich dann zu dem Schluss, dass das jedenfalls für mich überhaupt nicht in Frage kam. Ein für mich bislang vollkommen neuer Faktor im Handball ließ mich ein Prellverbot verwerfen: Raumgewinn. Mit den Mädels, die normalerweise auf das Querfeld spielen würden, war ich froh um jede fünf Meter Raumgewinn, ohne dass der Ball weggeworfen war oder der Gegner ihn hatte oder wir vier Pässe für die fünf Meter vorwärts in der eigenen Spielfeldhälfte gebraucht hatten und dabei einen Tempoverlust hinnehmen mussten.
Davon abgesehen habe ich es im Training immer so gehalten, dass ich lieber die physikalischen Rahmenbedingungen geändert habe als die Spielregeln. Wenn mir das Geprelle zu bunt wird, nehme ich einen platten Ball (etwas, dass ich von einer meiner ersten Trainerfortbildungen mitgenommen habe, nämlich von... Renate Schubert! Wenn ich mich richtig erinnere - sorry, ist sechzehn Jahre her- verfolgte sie damals denselben Ansatz.). Nicht "prellen ist verboten!", sondern "erkenne, dass Passspiel auch seine Vorteile hat!" halte ich für pädagogisch wertvoller.
Letztlich erinnert mich diese Diskussion immer an diese Kuschelpädagogik der Mutti-Trainerinnen. Wenn ein Kind dauernd prellt und damit erfolgreich ist, bekommen die anderen Kinder nie den Ball. Also wird dem Kind, dass sich taktisch vollkommen richtig verhält, die erfolgreiche Taktik verboten, statt Feuer mit Feuer (1-gg-1 gegen Prellangriff) zu bekämpfen. Als nächstes kommen dann die Bleiweste, die zusammengebundenen Schnürsenkel und die Handschellen (Achtung: Ironie).
Ich bevorzuge eine andere Herangehensweise. Als meine E-Jugendliche Xenia sich mal im Training lauthals beschwerte, dass sie nie den Ball bekam, musste ich ihr beipflichten. Gegen die offene Manndeckung empfand sie es als äußerst bequem, sich nicht zu bewegen und stattdessen zu jammern, dass sie ständig gedeckt war. Sie konnte nicht angespielt werden. Daraufhin unterbrach ich das Training und verbot allen Mitspielerinnen Xenia den Ball zuzuspielen, wenn sie sich weiterhin nicht aus der Manndeckung löste. Hätte ich stattdessen unsinnigerweise gefordert, dass auch Xenia den Ball bekommt, wäre die Moral der Geschichte gewesen, auch gedeckte Spielerinnen anzuspielen, weil es der Trainer so will. Stattdessen war mein kleiner Wonneproppen erst mal schockiert... und fing an sich freizulaufen.
Ebenso großer pädagogischer Quatsch ist es doch, den Spieler zu taktisch unsinnigen Pässen zu zwingen, wenn die Mitspieler allesamt gedeckt sind. Und je jünger die Mannschaft in ihrer Entwicklungsstufe ist, desto eher wird sie sich doch Richtung Ball freilaufen. Dann rennen fünf Spieler zum Ballführer, was taktisch richtig ist, wenn dieser keinen Pass über zehn Meter spielen kann. Das wiederum will ich doch auch vermeiden.
Ein Prellverbot belohnt kurzfristig die lauffreudigere Abwehr und bestraft den lauffaulen Angriff. Dabei geht aber jegliche Kooperation in der Abwehr flöten, beispielsweise das Doppeln des prellenden Angreifers. Der Übergang von Mann- zur Raumdeckung wird mir dadurch künstlich erschwert, weil ich die allerersten kooperativen Abwehrelemente erst dann umsetzen kann, wenn mir - seitens der Landesverbandsspielregeln - wieder die Raumdeckung erlaubt ist. Was bin ich froh, eine B-Jugend zu trainieren! 