Liebes Handballtagebuch!
Neue Saison, neue Altersklasse, neues Glück. Nachdem sich herausgestellt hat, dass fünfzehn- und sechzehnjährige Mädels für ZeeBee zu... äh... anspruchsvoll sind, geht es eine Altersklasse tiefer. Nie mehr launische Diven, unmotivierte Damen und selbstherrliche Starlets- sind nicht Hormone im Sport unerlaubte Substanzen?
Also zurück in die C-Jugend, wo die Mädels noch um des Spielens willen Leistung bringen. In der Altersklasse gibt es im Verein zwar eine Mannschaft, die höchste Liga ist jedoch eher nichts für die Mädchen. Zwei Mädels aus der eigenen D-Jugend, neun übergelaufene unzufriedene Spielerinnen vom Nachbarverein, eine zweite Torhüterin fehlt noch, die Mädels erfolgreich auf eine Auswahltorhüterin angesetzt, Quali bestanden, eine Linkshänderin könnte es noch sein, kreuz und quer die Quali-Spiele abgegrast, Linkshänderin gefunden- konkurrenzfähige Mannschaft beisammen und in der höchsten Liga am Start. 
Nach einem Auftaktsieg ist der zweite Spieltag spielfrei. Zeit für nachrichtendienstliche Hallenbesuche.
Der nächste Gegner Emmerthal ist in Hannover beim großen Titelfavoriten Hannover 78 zu Gast. ZeeBee hat die gesamte Mannschaft gebeten, sich entweder dieses Spiel oder den übernächsten Gegner am Sonntag anzusehen. Immerhin Torhüterin Jessica verläuft sich zum ersten der beiden Spiele, keine andere Spielerin hat Zeit.
78 spielt mit einer nahezu schwachstellenlosen ersten Sieben, Emmerthal ist chancenlos. Angriff für Angriff spielt der Gast Endlosangriffe durch, die Heimmannschaft lässt kaum Torchancen zu, hat aber im Angriff die Seuche. Der Zeitlupenhandball wirkt sich auf das Spiel aus, bei einer gefühlten Verteilung des Ballbesitzes von 10:90 steht es zur Halbzeit 5:2. ZeeBee erwartet eine deutliche Steigerung der klar besseren Heimmannschaft. Die "Taktik" der Gäste geht jedoch auf, es fallen wenig Tore, der Rückstand bleibt übersichtlich, die überraschende Abschaffung des "passiven Spiels" zu dieser Saison kommt ihr entgegen und die Zeit verrinnt bei nur geringem Vorsprung der Hannoveraner. Gegen Ende des Spiels mehren sich merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen gegen Hannover, die Mannschaft wird immer nervöser und verliert aufgrund einfacher Fehler mehrfach den Ball, Emmerthal gleich kurz vor Schluss zum 12:12 (!) aus und entführt völlig unverhofft einen Punkt aus der Landeshauptstadt. ZeeBee brütet einen Plan gegen die Altherrenhandballstrategie des Gegners aus. 
Erster Angriff Emmerthal, Rechtsaußen bekommt den Ball, ZeeBees Halblinke geht offensiv in die Pressdeckung gegen Rückraum Rechts und Vorne Mitte macht sich zum Panthersprung in den langen Pass zu Rückraum Mitte bereit. Gnadenloses Pressing bei Ballbesitz der beiden Außen - heute würde es keine Endlosballstafetten geben. Der gegnerischen Trainerin schwant Böses und geht zum Gegenangriff über:
"DAS IST VERBOTEN! EINZELMANNDECKUNG IST VERBOTEN!"

ZeeBee kontert: "Das ist eine PRESSDECKUNG! Die ist nicht verboten!"
Die Schieris wirken unschlüssig. Kann es verboten sein, bestimmte Passwege zuzulaufen und zu blockieren, um den Gegner unter Druck zu setzen und einen langen Pass zu erzwingen? Was könnte doch gleich Sinn der Durchführungsbestimmungen für Kinderhandball sein? Die Vernunft siegt, die Schieris akzeptieren die Deckung und in den ersten Minuten bleibt es noch eng. Die Tendenz ist jedoch bereits jetzt eindeutig, die Deckungsvariante wird Erfolg haben.
Auf der Emmerthaler Trainerbank wird dies erkannt, pausenlos wird auf den vermeintlichen Regelverstoß gepocht. Schließlich kommt ein Schieri zur Bank und ermahnt die regelwidrige Deckung. "Was genau machen wir denn falsch?" ZeeBee ist ratlos, denn die Pressdeckung wird nach dem Pass der Außen sofort wieder aufgelöst. Keine Antwort.
Die Strategie des Landesverbands, die Verantwortung für eine umfassende Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in der Abwehr auf die Schiedsrichter abzuwälzen, erscheint fraglicher denn je.
ZeeBee stellt gar nichts um, der Gegner versucht es in der eigenen Deckung nun selbst mit einem Taktikwechsel. Eine verletzte Spielerin auf der Bank kann schießlich keine Tore werfen! Diese Abwehr ist schon mehr nach dem Geschmack der Schiedsrichter, der Angriffsfluss ist unterbrochen und es gibt überwiegend Freiwürfe für gefährliche Abwehraktionen gegen den Körper.
"Alina, ist der Arm noch dran?!" Mit vier Toren Vorsprung geht es in die Pause, zum Glück ist niemand ernsthaft verletzt.
Große Aufregung in der Kabine. Schiedsrichter, die eine ballorientierte Deckung auf der einen Seite verbieten wollen und auf der anderen Seite dulden, dass versucht wird Gliedmaßen als Trophäen zu erobern. Gegnerische Eltern, die zu Tätlichkeiten aufrufen. Blaue Flecke, Panik vor weiteren rüden Fouls auf den Körper, Verwirrung ob der vermeintlich verbotenen Deckung - bei vier Toren Führung und der klar besser auf den Gegner eingestellten Mannschaft.
"Wir haben zwei Möglichkeiten. Tribüne und Schieris ignorieren, blaue Flecke hinnehmen und das Spiel klar gewinnen. ODER sich von dem allen beeindrucken lassen und wie vor den Ferien in der Quali einen sicheren Sieg noch verschenken. Für mich gibt es da keine echte Wahl!" Ganz überzeugt sind die Mädels noch nicht. "Wie decken wir jetzt?" "Die Schieris haben sich überzeugen lassen, dass eine Pressdeckung nicht verboten ist. Wir spielen so weiter."
Die Abwehr holt sich weiter erfolgreich Bälle ab und erstickt jeden Zeitlupenhandball im Keim, es sieht gut aus. Die gegnerische Bank protestiert weiter gegen die erfolgreiche Abwehr. Nach einigen Minuten ist es soweit, ZeeBee erhält eine Gelbe Karte für das Dulden der regelwidrigen Deckung. "WAS MACHEN WIR DENN FALSCH?" Der Schieri droht mit einem ganz, ganz bösen Bericht an den Staffelleiter, beantwortet aber die Frage nicht. Die Mädchen auf der Bank sind entsetzt. "Was machen wir jetzt?" "Wir decken genau so weiter."
Nicht alle auf der Bank haben zugehört, eine übereifrige Chelly gibt lautstark Anweisung defensiver zu verteidigen, eine Pressdeckung sei nicht erlaubt.
ZeeBee würgt die selbstgekrönte Co-Trainerin. Die Mannschaft hat sich dennoch von den Schiedsrichtern einschüchtern lassen und deckt nun wesentlich defensiver, am Rande des Erlaubten. Risikoreiche, offensive Deckung auf Ballgewinn ausgerichtet? Das kann der Landesverband mit den Durchführungsbestimmungen unmöglich gewollt haben!
Der Vorsprung ist jedoch inzwischen zu groß, so dass die Änderung des Abwehrverhaltens nicht mehr schadet. Der Schaden ist angerichtet.
ZeeBee überlegt noch kurz auf eine - untersagte - 6:0 Deckung umzustellen, um ja nicht in den Verdacht zu geraten, eine Einzelmanndeckung zu spielen. Aber damit wäre die gegnerische Trainerin sicher auch nicht einverstanden.
Auswärtssieg mit acht Toren Unterschied.
Dein Karsten