Liebes Handballtagbuch!
Noch eine Woche bis zum ersten Punktspiel. Torhüterin fehlt beim Training, kleiner Unfall beim Schulsport.
Fünf Tage bis zum ersten Punktspiel. Torhüterin kommt mit dickem blauen Auge zum Training, macht mit aber setzt im Tor aus. Kleiner Unfall beim C-Jugend Training. Genug Pech für diese Woche, nun kann ja nichts mehr passieren. Abends sitzt Zeebee über einem Bier und checkt die Mails. Dem Gegner vom Sonntag, Neustadt, ist aufgefallen, dass die halbe Mannschaft noch keinen Spielerpass hat, die andere Hälfte am Sonntag auf Hochzeiten, Geburtstagen, schwarzen Messen, Vernissagen, Geschäftsreisen, Golfturnieren oder Amazonasexpeditionen unterwegs sein wird. Das Spiel muss verlegt werden. Willkommen zurück in der Breitensporthölle... 
Spielwart Bernd hat die Terminvorschläge aus Neustadt schon abgeblockt, alle von ZeeBees Mädchen spielen in zwei oder drei Mannschaften. Gegenvorschlag sind Wochentagstermine.
Vier Tage bis zum ersten Punktspiel. ZeeBee plant den Sonntagvormittag um. Die Mädels werden auf den Beachplatz umgeladen zu einer Trainingseinheit im Sand. Eine Stunde später mögen Eltern und Geschwister dazustoßen und den Grill anwerfen. Wetter ist auch bestellt. Neustadt stellt sich tot. Kein offizieller Verlegungsantrag, keine Bestätigung der Termine, keine neuen Gegenvorschläge. Schwebende Unsicherheit.
Drei Tage bis zum ersten Punktspiel. Dann wiederum nicht, der Gegner wird ja nicht spielen. Der Grillevent ist durchgeplant. Neustadt fällt plötzlich ein, dass man doch eine spielfähige Mannschaft irgendwo im Keller habe. Willkommen zurück in der Breitensporthölle... 
Zwei Tage bis zum ersten Punktspiel (wahrscheinlich jedenfalls, man weiß ja nie, was sich der Gegner nun einfallen lässt). Torhüterin Lina fällt nun definitiv aus, das Auge ist immer noch dick. ZeeBee sagt das Trainingsspiel für Samstag ab, ohne Torhüterin gegen eine der stärksten wD Mannschaften der Gegend bei noch weiteren Ausfällen macht keinen Sinn.
Matchday! Keine Absage des Gegners. Sieht nach einem Punktspiel aus. Zwanzig Minuten nach Treffen holt ZeeBee die Mädels in die Kabine zusammen. Eins, zwei, drei.... acht?
"Wo sind Eden und Merja?"
"Die ziehen sich um." 
Immer noch kleine Kinderkrankheiten auf dem Weg in die Saison. Die zwei Langzeitumzieherinnen hetzen um die Ecke. ZeeBee erinnert daran, dass es gegen Jungs geht, dass das Ergebnis nicht wichtig sei sondern ausschließlich die Lernfortschritte aller Spielerinnen. Ob jemand den Gegner schon gesehen habe? Nebenan scheinen sich die Neustädter Bengels umzuziehen und mit Kampfgebrüll jagen die Mädels den Kabinennachbarn einen kleinen Schrecken ein.
In der Halle wärmen sich sechs Bengels auf. Immerhin spielfähig, aber eigentlich wollte ZeeBee sechs Feldspielerinnen auf die Platte schicken und nicht lediglich fünf. Es trudeln noch zwei weitere Bengels ein. Kann ja nichts mehr schief gehen. Acht Jungs, allesamt in eher handlichem Format. Sollte jedenfalls keine Klatsche geben. Einer der Burschen kommt zum Kampfgericht. "Wir sollen in einer ein halben Stunde gegen eine männliche D spielen." Dann die Erkenntnis: "Scheiße, wir spielen gegen Mädchen!" 
Die Mädels breiten ihre Trikots auf der Bank aus, laufen sich in einheitlichen Aufwärmshirts geordnet warm, passen sich warm. Die Bengels daddeln rum, von einem Trainer weit und breit keine Spur. Irgendwann folgen zwei junge Burschen und orientieren sich Richtung Bank. Nun kann wirklich nichts mehr schief gehen, immerhin ist Schieri Zerfi auch schon da. Der erinnert daran, dass er zwar den Schierischein habe, aber wirklich kaum Praxis und erst recht nicht in der D-Jugend. Welche Deckungsformen waren hier doch gleich erlaubt? Und keine garstigen Spielberichte hinterher! Is klar. 
Es kann losgeh... Es kann nicht losgehen. Zum Abschluss des elektronischen Spielberichts muss der Trainerkollege seine persönliche PIN eingeben. Hat er vergessen. Alternativ kann er die Spiel-PIN eingeben. Hat er nicht bekommen. Willkommen zurück in der Breitensporthölle... 
ZeeBee schickt die Mädels mit Betreuerin Alina noch mal zum Kleingruppenspiel auf die Platte, während auf der anderen Seite wild telefoniert wird. Spartenleiter Jörg macht sich schon mal auf die Suche nach den alten papiernen Spielformularen. Glücklicherweise findet sich einer der beiden Codes nach langer Telefoniererei auf. Es kann losgehen!
Unmittelbar nach den Osterferien hat ZeeBee die Mädels übernommen. Zwischen Osterferien und Sommerferien hat es kein Abwehrtraining gegeben, ZeeBee hat den Mädels erst einmal ihre Erfolgserlebnisse gegönnt, bevor in den Sommerferien erstmals im Training das Wort "Abwehr" in den Mund genommen wird. Wäre womöglich fatal gewesen, den Mädels gleich zu Beginn vor Augen zu führen, dass sie in ZeeBees Universum in der Abwehr bei "null" sind.
Die frischgebackenen D-Jugendlichen stürzen sich wie wild auf den Ball, die Neuzugänge spielen eher taktisches Foul als Abwehr. Die Mädels erweisen sich aber als sehr lernfähig, nach wenigen Wochen sieht sie ZeeBee fast reif für die ersten Spiele gegen Jungs.
Anpfiff. Alle Spielerinnen sortieren sich zu ihrem Gegenspieler und behalten die taktische Disziplin auch während des Spiels bei. Sind sie aber auch zweikampfwillig? Sie sind! Kein Durchkommen für die Neustädter Jungs und die Abwehr erarbeitet sich vorbildlich einen Ballgewinn nach dem Anderen. Die Gegenstoßwelle läuft und ist erfolgreich. Das Neustädter TTO kommt recht früh, sieben grinsende Mädchen kommen zur Bank. ZeeBee warnt, dass das Spiel der Gegner bislang sehr höflich und gentlemanlike war, die Jungs würden sich ab jetzt schwer steigern. ZeeBee wird nicht ernst genommen. Zwei Feldspielerinnen wechseln sich im Tor ab und kassieren in den ersten zwanzig Minuten nur drei Gegentreffer. Keine Fleischmauer, kein Beton, offene Manndeckung über das halbe Feld, Mädchen gegen Jungs und 20:3... läuft! 
"Ich habe Euch ein dunkles Geheimnis verschwiegen."
Es ist der Zeitpunkt gekommen und ZeeBee kann nicht länger schweigen. Das Kistentor muss geklärt und ausgesprochen werden. Das Dilemma ist, in der C-Jugend ist jahrelang bei 50 Minuten Spielzeit die magische Grenze bei 40 gewesen. In der D-Jugend werden 40 Minuten gespielt und ZeeBee schraubt die Grenze auf 30 runter - nur eben nicht für das heutige Spiel bei 20 Toren zur Halbzeit.
Wikipedia: "Eine selbsterfüllende Prophezeiung (engl. self-fulfilling prophecy) ist eine Vorhersage („Prophezeiung“), die über direkte oder indirekte Mechanismen ihre Erfüllung selbst bewirkt. Ein wesentlicher Mechanismus ist, dass derjenige oder diejenigen, die an die Vorhersage glauben, sich so verhalten, dass sie sich erfüllt (positive Rückkopplung zwischen Erwartung und Verhalten)."
Und während noch große Aufregung über die Einführung des (Bionaden-)Kisten- alternativ Kuchentors herrscht, weiht ZeeBee Co-Trainerin Jenny in das Phänomen der self-nonfulfilling prophecy ein. Mit der Aussprache des Kistentors in der Halbzeit wird sich das Thema in Hälfte zwei aller Erfahrung nach von selbst erledigen. 
Nach zehn Minuten in der zweiten Hälfte zückt ZeeBee das TTO. Es steht halbzeitintern 4:4 und die Mädels werfen die langen Pässe in die Botanik, die 7m auf den Torwart und prellen sich auf die Zehenspitzen. Das berüchtigte Posthalbzeitpausentrauma. Eine kurze Ansprache und die Damen schmeißen den nächsten Pass wieder in die Botanik und den folgenden 7m wieder auf den Torwart. Normalerweise Zeit für das höfliche
"Ich habe keine grüne Karte mehr!" Aber ZeeBee hat Vertrauen, dass sich die Mädels wieder fangen werden. In den letzten 10 Minuten des Spiels verschiebt sich die Manndeckung deutlich in die gegnerische Hälfte und es fällt kein einziges Gegentor mehr. Das Kistentor auch nicht, aber 34:7 im Geschlechterkampf kann sich schon mal sehen lassen. 
Dein
Karsten