Liebes Handballtagebuch!
Viel zu lange war es ruhig, die Rückrunde verlief bisher völlig friedlich. Aber nun gibt es doch wieder Dinge zu berichten.
Eine anscheinend weit verbreitete Unsitte im Kinderhandball ist es, den in Unterzahl angetretenen Gegner auch in Unterzahl spielen zu lassen. Eine Erklärung dafür habe ich nicht. Da reist der Gegner schon an, anstatt einfach stillschweigend das Spiel ausfallen zu lassen. Was mag ein Sieg gegen eine Mannschaft wert sein, die mit einer Spielerin weniger spielt? Kann man da ernsthaft hinterher in den Spiegel schauen und sagen, DEN HABEN WIR ES GEZEIGT? Ist mir ein Rätsel. Der Vorteil der Möglichkeit des Wechselns solllte eigentlich genügen. Und wenn ich dennoch nicht gewinne, dann war der Gegner wohl einfach besser. Wenn sich dann Eltern der eigenen Kinder beschweren, dann könnte da der Psychiater helfen.
Vor einer Woche konnten wir gleich zweimal die Verbreitung des fair play-Gedankens testen. Beide wE-Jugenden spielten gleichzeitig und in beiden Teams fehlten einige Mädels. Die Erste fuhr zu sechst zum TuS W. Ich überließ dieses Spiel meiner Co-Trainerin, hatte die Zweite die schwierigere Aufgabe bei der HSG B. In W. war fair play kein Fremdwort und man begann ebenfalls mit fünf Feldspielerinnen. Als es nach kurzer Zeit 0:3 stand, besann man sich eines besseren und spielte ab da in Überzahl (half nix, 4:15 der Endstand). Der gute Wille war da, nur wollten meine Mädels das wohl nicht honorieren.
Bei der zweiten Mannschaft der HSG B. sah es schon anders aus. Wir reisten mit ganzen fünf Mädchen an und unser Gegner hatte 4:0 Punkte aus der Rückrunde. Als goldene Regel sag ich mal: Wenn ich den Gegner schon in doppelter Unterzahl spielen lasse, dann sollte ich auch gewinnen
. Kein Gedanke wurde jedoch an eine faire Geste verschwendet, wobei wir körperlich wirklich nicht bedrohlich wirkten. Aber man antizipierte wohl das Endergebnis und verzichtete von vornherein auf die Herausnahme zweier Spielerinnen. 5:11 (1:6) für die Mannschaft in Unterzahl - es gibt Situationen, in die man sich hineinmanövriert, in denen man wohl einfach nicht gewinnen kann.
Letzten Freitag, Spitzenspiel der wE bei der HSG B. I. Vier Mannschaften sind wohl im Rennen um Hannovers Platz 1 unter den Nachwuchszicken, zwei davon trafen hier aufeinander. Wochenlang hatte ich darum gebittet und gebettelt, dass wir ausnahmsweise mal komplett zu neunt auflaufen würden - und es sah gut aus! Fünf Minuten vor Treffen - ich war noch zu Hause, weil ich den kürzeren Weg nach B. hatte und direkt fuhr - fiel Fräulein W. ein, dass sie eine Mandelentzündung hatte und nun absagen wollte.
(Al Bundy: "Schuhe.... Frauen... rote Haare...). Dann eben nur zu acht.
Im Sommer waren wir bei unserem eigenen Rasenturnier knapp am Sieg vorbeigeschrammt, gescheitert lediglich an der HSG B. Spielerisch hatte ich uns vorne gesehen, nur psychologisch lagen wir weit hinten. Meine Mädels sind nun mal Handballerinnen und haben mit Freistilringen wenig am Hut. Nur sämtliche Schieiris, die in dieser Altersklasse pfeifen, die finden Wrestling klasse. Und darauf waren wir im Sommer (noch) nicht vorbereitet. Aber seitdem ist einige Zeit vergangen...
Falltraining, Ringen, Durchsetzen gegen Klammergriffe, das ganze Programm. Und unsere Wunderwaffe sollten eigentlich die vielen Freiwürfe sein, die noch der schlechteste Schieri einer Ringerriege aufbrummt. Die tun ja in der Regel niemandem weh. Und so auch Freitag nicht. B. hatte seit dem Sommer ein wenig die Marschroute geändert, man nahm den Gegner nicht mehr in den Würgegriff sondern unterband jeden Angriff durch Ball fassen und wegreißen. Und der heimische Schieri vergab auch brav Freiwürfe... die wir brav dazu nutzten, die Torhüterin mit Wattebällchen zu bewerfen. Irgendjemand hatte über Nacht meine Mannschaft ausgetauscht! Halbzeitstand 8:5 für B., fünf Tore aaaaaarrrrrrrrrrrgggggggggggghhhhhhhhh! Nach der Halbzeit konnten dann auch alle meine Mädels wieder auflaufen, auch die, die den Schlag zum Kehlkopf eingesteckt hatte und die, die den Ball aus unbedrängter Situation ins Gesicht geworfen bekommen hatte. Wir drehten etwas an der Temposchraube, die langen Pässe von meiner dritten Torhüterin (von vier in diesem Spiel) kamen vorne an. 10:10 - der Ausgleich. Was ich zwischendurch Neues gelernt habe: Neben Ball und Tor gibt es im Kinderhandball ein drittes Magnetfeld - es geht vom Libero aus. B. hatte von Beginn an seine größte Spielerin hinter die Manndeckung auf etwa 8m gestellt. UND ALLE UNSERE SPIELERINNEN RANNTEN MIT DEM BALL STETS AUF SIE ZU! Der Rest ist schnell erzählt, durch Kampf und Tempo bauten wir unseren Vorsprung aus, Endstand 12:16, Griechisch-Römisch hatte heute mal das Nachsehen.
Dein Karsten