Und mal ein Thema, das mir schon länger am Herzen liegt. Wie bremse ich die Entwicklung meiner Talente und die der gesamten Mannschaft aus? Ich erlebe das zwar flächendeckend und amateurhaft, aber nirgends systematisch und durchdacht.*
Sklavisches Spielen in festen Jahrgängen/Altersklassen
Der Klassiker. Das Supertalent im Jungjahrgang muss in der Zweiten unterklassig spielen, die Erste ist ja schließlich reserviert für den Altjahrgang. Eine rationale Begründung kann mir niemand liefern. EIN.MANNSCHAFTSGEFÜGE. MUSS. ERHALTEN.BLEIBEN! Mein Talent schmeißt 20 Tore jedes Spiel, die Mitspielerinnen geben jede Verantwortung ab und lernen selbst nicht, Verantwortung zu übernehmen. In "Mannschaftsgefüge" steckt das Wort "Mannschaft". Bei einer solchen - häufig beobachteten - one girl show GIBT ES KEINE MANNSCHAFT im sportlichen Sinne.
Noch irrsinniger wird es, wenn ich mein Supertalent im Jungjahrgang, besser noch im Altjahrgang, einmal die Woche an die nächsthöhere Altersklasse abgeben soll. "Das könnte ihr ja Spaß machen! Da könnte sie ja was lernen! Das Training könnte besser sein! Die Trainingsgruppe könnte stärker sein!" Also wird gegluckt und das Kind mit Zähnen und Klauen verteidigt und darf nicht dort mittrainieren, wo es gefordert und gefördert würde. Der Trainer sieht die Spielergebnisse seiner Mannschaft, die Entwicklung einer Spielerin/der Mannschaft ist vollkommen egal.
Am krassesten bei uns im E-Jugend 2x3:3 System, wo es für erzielte Tore die Strafauswechselung gibt. Der Gedanke dahinter ist nachvollziehbar, aber das eine Supertalent in der Mannschaft HASST E-Jugend Spiele. Einwechselung, nach fünf Sekunden Tor, Auswechselung, Bank bis mindestens drei Mädchen irgendwann ein Tor geworfen haben, Abwehr bis fünf Mädchen wahrscheinlich niemals ein Tor geworfen haben, Angriff und nach fünf Sekunden zur Strafe für das Tor wieder raus. Mein Supertalent habe ich diese Saison aus der E-Jugend komplett rausgeholt.
Homogene Trainingsgruppen helfen allen, egal ob nun Jungjahrgang oder aus der nächstjüngeren Altersklasse. Mir als Trainer und den Kindern beim Lernen. Wenn ich das Glück habe, quantitativ wieder eine zweite D-Jugend zu haben, kommt da nicht der Jungjahrgang rein sondern die weniger talentierten Kinder. Ausreißer nach oben lernen weniger unter den Schwächeren, Ausreißer nach unten brauchen sehr viel Ehrgeiz, um sich ranzukämpfen an die Talente (gibt es natürlich auch).
Ich setze bis zu vier E-Jugendliche in der höchsten Liga D-Jugend ein. Neulich genau deswegen ein Spiel gegen einen schwächeren Gegner verloren, weil die Zwerge nicht auf der Bank verstauben, sondern spielen und Erfahrung sammeln. Eine E-Jugendliche spielt nur D bei mir. Meine stärkste D-Jugendliche spielt nur männliche D und C-Jugend und schießt uns in der wD dann nicht zur Meisterschaft. Sondern vielleicht die Jungs...
Der erfolgreiche Trainer des Kreisklassenmeisters
Zugegeben, wir haben in der D-Jugend einen Fehler im System. Diese Saison hatten wir erstmals eine durchgehende Quali in der D-Jugend und auch die war (wegen der großen Mannschaftszahl) noch nicht ausgereift. Der Maurertrainer konnte immer noch in die unterste von drei Qualistufen melden, um bloß nicht gegen gleichstarke oder stärkere Mannschaften in der obersten Liga spielen zu müssen. Aber immerhin gab es eine Sortierung nach Leistungsstärke durch eine Vorrunde. Letzte Saison war es dagegen noch möglich, als dritt-, viertstärkste weibliche D-Jugend des Verbands in die Kreisklasse zu melden und dort die Anfängermannschaften umzupusten. Hat mir auch sehr viel Ärger eingebracht, als ich da mal dazwischenhauen wollte (s. Tagebuch im Januar '23 und ff.).
Erstes Spiel jener Mannschaft 20:1 zur Halbzeit. Eltern feiern das Team wie nichts Gutes. Diese Saison eine Altersklasse höher wieder in der untersten Klasse gemeldet. Ich habe mir ein 43:13 ansehen dürfen (Gegner meldet daraufhin Mannschaft ab). Die Eltern feiern die Mädels wie die Geisteskranken. Die Mannschaft hat(te) ein Riesentalent auf Rückraum Rechts. Linkshänderin, wenn ich sie das letzte Jahr voll trainiert hätte, wäre sie nun in der Landesauswahl. Ich hätte eine Ablöse aus eigener Tasche bezahlt. Nun spielt sie in der untersten von vier möglichen Ligen und interessiert mich nicht mehr die Bohne. Der Zug ist leider abgefahren, bei der individuellen Deckung würde ich nicht einmal bei "Null" beginnen können. Dazu müsste sie sich im 1:1 schon mal bewegen... Aber die Eltern feiern hohe Siege der Mädels, der Trainer ist ein Held. Hat den Mädchen allerdings binnen anderthalb Jahren, in denen ich die Mannschaft beobachte, nichts beigebracht.
Die Statisten auf der Bank
Wenn ICH, der absolute Hardliner der Talentförderung in der D-Jugend, stets und ständig meine erste Sieben durchspielen ließe, würde ICH mich mir gegenüber lächerlich machen. Elf Mädchen im Punktspiel, keine zweite D-Jugend für die weniger taltentierten Mädchen... alle spielen - in etwa - ähnlich viele Minuten. Und was ich gegen stärkere Mannschaften an Spielzeit ungleich verteile, rücken wir gegen schwächere Mannschaften wieder gerade.
Letzte Saison habe ich mir eines dieser Spiele einer Kreisklassenmeistertrainerin angesehen. Zwei Ligen zu tief gemeldet, Anfängermannschaften wegklatschen und sich feiern lassen. Nach dem 42:1 (21:1) zieht der Gegner spät in der Rückrunde die Mannschaft zurück. Jener Trainer hatte zu Recht für die Kreisklasse gemeldet. Und die Meistertrainerin meint hinterher zu mir:
"Heute konnte ich auch mal meine schwächeren Spielerinnen einwechseln."
>>Ehrlich?! Ist mir gar nicht aufgefallen. Waren immer dieselben Torschützinnen frei vorm Tor.<<
Dreizehn Spielerinnen, davon vier überdurchschnittlich große Mädchen, die locker in der obersten Liga hätten mispielen können UND dort auch die Mannschaft hätten tragen können. Die teilten sich genau 3/4 aller Tore und nach dem Spiel hatte ich fast den Eindruck, von den kleinen Mäusen auf der Bank einige nicht mal während des Spiels zu Gesicht bekommen zu haben. Bei einem Spiel mit 40 Toren Unterschied! Was geht in den Köpfen dieser Übungsleiter vor? Ich spekuliere mal: "- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -" Oder zumindest Homer Simpson's Grillenzirpen.
Ende vom Lied: Diese Saison meldet die Trainerin in die zweitniedrigste Klasse der C-Jugend, drei ihrer Leistungsträgerinnen laufen zum Nachbarverein weg und nun ist niemand mehr da, der letzte Saison was gelernt hätte. 0:12 Punkte, -20 Tore im Schnitt.
Ich melde keine Talente zur Auswahl!
"Dort werden sie ja nur von den großen Vereinen abgeworben." Fast richtig. In einigen Verbänden ist nur ein böser Trainer tätig (singular) und richtig, ich hole mir auch mal die Schäfchen weg. Aber... wir haben z.B. diese Saison mal wieder einen Konkurrenten mit einem Tradtionsverein. Trainerin war mal Bundesligaspielerin, hat die A-Lizenz, trainiert auch die Landesauswahl. Die haben einen guten Jahrgang. Die stärkste Spielerin hat die ganze letzte Saison einmal die Woche bei mir mittrainiert. Und hat ein Umfeld, in der sie sich - noch - gut weiterentwickeln kann. Lasse ich also in Ruhe. Die anderen Vereine natürlich nicht.
Am Wochenende spricht mich ein Talentvater an. Tochter hat als E-Jugendliche einmal in der D bei mir mittrainiert, entschied sich dann aber für ihren Freundeskreis in der eigenen Mannschaft. Ist nun fast Alleinunterhalterin in der D-Jugend, darf immerhin in der C mitspielen.
"Ab wann kann man denn zur Auswahl melden?"
"Der Jahrgang Deiner Tochter trainiert seit anderthalb Jahren..."
Talente werden stillschweigend nicht zur Auswahl gemeldet. Oder den Verein interessiert es nicht einmal. Oder Eltern werden belogen. Oder Talente werden unter Vorwand nicht zur Auswahl gemeldet. Richtig so! Noch mehr Argumente für mich den Eltern gegenüber, wenn es um einen Vereinswechsel eines talentierten Kindes geht.
*Achtung. Dieser Text kann Spuren von Ironie enthalten.