Es nähern sich die Osterferien und damit der Höhepunkte der D-Jugend Saison. Turnier mit 41 Mannschaften, davon zum Glück nur etwa 1/3 Deutsch, ansonsten sind Dänemark, Schweden und Norwegen vertreten. Noch keine Peeke in der D-Jugend, dafür müssen wir uns überwiegend mit ungewohnt defensiven Deckungsvarianten auseinandersetzen, die wir so aus der täglichen Praxis gar nicht kennen. Die Skandinavier kennen dafür unsere Deckung nicht aus dem Alltag, was die Chancen etwas ausgleicht. Welche Handballphilosophie setzt sich durch? Wir sind ein wenig den Schieris ausgeliefert, für die wir Exotenhandball spielen (wie einst die Nordafrikaner bei der WM), haben aber einen kleinen Vorteil. Während ich nicht glaube, dass sich die Skandinavier auf uns vorbereiten, machen wir seit dieser Woche bis zu den Osterferien B-Jugend Training in der D-Jugend (Angriff gegen 6:0). Käme die Kinderhandballpolizei in die Halle, würde ich sofort abgeführt.
1. Positionsspiel gegen 6:0
Fünf Turnmatten repräsentieren fünf Abwehrspielerinnen im Neuner, fast am Sechser. Außen liegt schräg, der Innenblock liegt mit der schmalen Seite Richtung Tor bzw. Rückraum. Druckvolles Durchspielen Rückraum plus Außen mit dem Ziel, einerseits auf allen Positionen Torgefahr zu erzeugen und die Abwehr in die Seitwärtsbewegung zu zwingen, andererseits aber das Paradoxon zu schlagen, gleichzeitig schnell zu spielen. Außen Ballannahme in der Seitwärtsbewegung, mit 2, 3 Schritten zur Kante der Matte, Richtungswechsel, äußere Hand prellt nach hinten raus und umprellt die Matte, beschleunigt, stößt zwischen 1 und 2. Immer die Mitte der Lücke suchen, nicht den Rand. Fußspitze, Nase, Wurfarmgegenschulter, Blick zum Tor. Weiterspielen, zurückziehen. Sobald der Wurfarm hochgeht, startete die Nachbarin zum Stoßen. Wegen der defensiven Deckung ist der Rückraum auf ungewohnten 10, 11 m.
Gegen die übliche Halbfeldmanndeckung oder 1:5 unterschiedlicher Tiefe kommen wir im Alltag in der D häufig gar nicht in das "echte" Positionsspiel. Nun müssens sich die Mädchen daran gewöhnen, in den Neuener hineinzuarbeiten und ganz neue Torchancen zu erkennen, ohne dass dabei der Ball ins Tor getragen werden kann.
Recht bald kommen Varianten ins Spiel. Expresspässe zwischen Halb/Halb oder Mitte/Außen. Richtungswechsel mit Passtäuschung/mit Abbruch und Stoßen in die andere Richtung. Spaßeshalber Stoßen gegen die Ballrichtung mit Abräumen für Außen.
2. Schlagwurfvarianten aus dem Parallelstoß
Alles Stoßen hilft nichts, wenn wir den Ball nicht von 8 m ins Tor bekommen. Alle mit Ball auf Linienaußen, Nr. 1 hat dagegen keinen Ball. Blickrichtung andere Hallenhälfte. Hütchen auf RL/RR. Zwei Kastenoberteile/Airbodys defensiv auf Halb mit Lücke von etwa einem Schritt dazwischen. Nr. 1 umläuft Hütchen, beschleunigt Richtung Abwehrlücke, bekommt den Pass von Nr. 2 betont spät Höhe Neuner. Schneller Schlagwurf mit/ohne Stemmschritt durch die Lücke. Nicht durchlaufen, aber so nahe an die Lücke heran, dass das gesamte Tor eine Wurfoption wird und die Abwehr den Wurf nicht in einen Tunnel "kanalisiert".
Varianten: Leichte Änderung des Anlaufs genau auf Abwehrspieler auf Wurfarmseite zu, Stemmschritt "falsches Bein" seitlich raus mit Wurf nicht durch Lücke sondern Außen vorbei. Das Gleiche spiegelverkehrt (geht über beide Beine!), Abknicken zur Wurfarmgegenseite, Wurf Außen vorbei (für die Fortgeschrittenen, bloßen Stemmwurf über das falsche Bein bekommen noch fast alle hin).
Mit Parallelstoß auf Mitte. Weiterer Parallelstoß auf gegenüberliegende Seite. Mit Richtungswechsel von der Mitte/Zurückstoßen. Immer mit Abschluss durch Lücke oder eben außen vorbei per Schlagwurf. Ball ins Tor tragen können die Mädels ja schon, also nur Abschluss per Schlagwurf.
3. Einbindung KM
Aufbau wie oben, die Lücke wird etwas vergrößert. KM in die Lücke zur ballfernen Abwehrspielerin. Schrägstellung, indirekte Sperre, Brust zum Ball, ein Fuß tief in der Lücke.
- Frühes, schnelles Anspiel zu KM nach der Ballannahme.
- Laufrichtung in Passrichtung an der Lücke vorbei, Wechselsperre KM mit Suchen des leichten Kontakts nach hinten, Anspiel.
- Richtungswechsel und wieder an der Lücke vorbei, zweite Wechselsperre KM, Anspiel.
- Sperre mitnehmen und Durchbruch.
4. Zielspiel als "10 m Ball"
4:4/6:6, Der Angriffsraum ist durch Schaumgummipommes nach hinten auf 10 m begrenzt. Abwehr als Fleischmauer auf 6, 7 m, arbeitet im Wesentlichen seitlich und mit Blocks. Angriff muss am Rande des/im Neuner arbeiten und sich Torchancen erarbeiten.
Während wir uns wochenlang Lösungen gegen die Fleischmauern erarbeiten, stellt sich kaum ein nordischer Trainer auf die Deutschen ein. So jedenfalls meine Theorie. Und wenn doch, stellen wir dann auf Halbfeldmanndeckung um. Letztes Jahr sind wir völlig verdient von einer schwedischen Mannschaft in den B-Pokal geschickt worden, weil wir zwei Maschinen im Rückraum nicht verteidigen konnten. Mit den defensiven Abwehrreihen kamen wir dagegen ganz gut klar und haben auf dem Weg zum Gewinn des B-Pokals auch sämtliche skandinavischen Teams geschlagen. In der C sieht das dann ganz anders aus, ist aber nicht meine Baustelle. Was mich allerdings seltenst beeindruckt, sind eben die defensiven Deckungsreihen, die im Wesentlichen nur auf Würfe warten, wenig Finesse zeigen.
Und noch mal grundsätzlich: Wenn ich die Mädels nicht wochenlang auf Angriff gegen Fleischmauer vorbereiten würde, stünden wir jedes einzelne Spiel gegen Skandinavier wie der Ochs vorm Berge und würden dicke Backen machen. Macht nichts, braucht man bei uns ja erst in der B-Jugend? Ich habe gerade einen Bericht aus Kienbaum von der DHB Sichtung gehört. Der Altjahrgang C spielt in den Landesauswahlmannschaften gegeneinander. Vorgabe ist eine Halbzeit 3:2:1 und eine Halbzeit 6:0 (warum auch immer). Eine Halbzeit Handball, eine Halbzeit... Ochs vorm Berge, weil man das ja aus Spielbetrieb nicht kennt. Findet den Fehler!
Was kann die Lösung sein? Das Ochse-Berg-Problem schieben wir ja auf die B-Jugend. Mir geht es gar nicht mal um den groben Unfug, in der Sichtung eine Deckung vorzuschreiben, die flächendeckend in der Altersklasse verboten ist. Kannste Dir nicht ausdenken und mein Rückschluss ist, dass offenbar nicht die Mehrheit von C-Jugend Talenten in der B mittrainiert/eingesetzt wird. Ich halte aber cold turkey von C auf B, 3:2:1 quasi Pflicht in der C zu "alles erlaubt" in der B (also Hacken an den Kreis...), für überdenkenswert. Ich habe einen Vorschlag gehört, im Punktspielbetrieb der C auch eine Halbzeit 3:2:1 und und eine Halbzeit 6:0 vorzuschreiben. Die Deutsche Lösung für alles! Noch mehr Vorschriften! Alles muss reguliert werden! Krieg ich die Krätze. Mein Vorschlag: Höchste Liga C-Jugend die Deckung in der Rückrunde freistellen. Löst das Sichtungsproblem nicht, da die Sichtung mitten in der Saison liegt. Die Mädels hätten aber aus dem Jungjahrgang schon mal eine halbe Saison Erfahrung mit 6:0. Und jeder Trainer kann fast die halbe Saison an den üblichen C-Jugend Baustellen arbeiten, muss aber für die Rückrunde vorsorgen, denn die Mehrheit der Jecken stellt dann auf 6:0 (oder Fleischmauer) um.
Nur mal so als Idee.