„Die 27:31-Niederlage gegen Spanien ist für das deutsche Team ein sehr bitteres Aus. Die erste Halbzeit war noch in Ordnung, auch wenn Details wie die Abwehr am Kreis nicht gut waren. Die Wechsel waren richtig, das Umschalten von der Abwehr in den Angriff war gut. Bis zur Pause gab es wenig Auffälliges.
Aber das, was dann kam – und ich schaue seit 1976 Länderspiele, als Manfred Hofmann gegen die DDR den Siebenmeter von Hans Engel hielt – habe ich noch nie gesehen. Dass eine Mannschaft in neun aufeinanderfolgenden Angriffen neun technische Fehler wie Fehlpässe und Fangfehler macht, hat immer etwas mit der Kommunikation zu tun. Das war ein kompletter Blackout. Was das deutsche Team gegen Spanien abgeliefert hat, ist wegen dieser zehn Minuten ein Desaster. Im Grunde genommen war es eine Art Sitzstreik. Das hat man in der Form noch nicht gesehen. Als Außenstehender ist man ob dieses Einbruches, der so nachhaltig war, ratlos. Deutschland hat sich selbst in wenigen Minuten komplett zerlegt.
Es war insgesamt ein sehr holpriges Turnier. Ich hatte nie den Eindruck, dass sich die Mannschaft freispielt, sondern dass alle eine schwere Last mit sich herumtragen. Das ist nicht mit Druck zu erklären. Die Leistung am Mittwoch war ein Symptom dafür, dass im Team – und dazu gehören Trainer, Delegationsleitung, Spieler – ganz essenziell etwas nicht gestimmt hat. Wir haben keinerlei interne Informationen, aber das war keine Einheit. Aus den Bad Boys wurden für zehn Minuten die Mad Boys.
Wenn von außen viele taktische Entscheidungen nachvollziehbar wirken, dann liegt es nicht nur am Trainer. Die Fehler haben deutlich gemacht, dass es eine Kopfsache war. Es ist kein junges Team mehr. Die DHB-Auswahl soll eigentlich die Früchte ernten. Deutschland hat eine starke Mannschaft, die über internationale Erfahrung verfügt und in der Tiefe sehr gut besetzt ist. Zurecht haben die Spieler gesagt, dass das Ziel in Kroatien das Halbfinale sei. Man kann das Ziel mal verfehlen, aber nicht auf diese Art und Weise. Es ist nun das zweite große Turnier in Folge, das in den Sand gesetzt worden ist.
Es hat sich keine erste Besetzung herauskristallisiert, es fehlte eine Hierarchie, es wirkte wild durcheinander gewürfelt. Diese EM ist von A bis Z komplett verkorkst. Das fängt mit den Nominierungen an und geht bis zu Anpassungsproblemen des Bundestrainers – etwa die wilden Wechsel gegen Slowenien. Das darf auf diesem Niveau nicht passieren. Aber wenn die ersten Schritte in die falsche Richtung gehen, dann wird es schwer, das umzukehren.
Die Frage ist: Wie wird miteinander kommuniziert? Welche Form der Führung wird in der deutschen Nationalmannschaft gepflegt? Gibt es wirklich eine gegenseitige, offene, ehrliche Kommunikation? Ich hatte den Eindruck, dass Christian Prokop extrem gefrustet war. Er hat es angedeutet, als er sagte, er habe sehr viel gelernt. Das hatte nichts mit Taktik, sondern offensichtlich mit Verhalten zu tun. Wenn das bevorzugte Kleidungsstück der Mantel des Schweigens ist, dann darf man sich nicht wundern, wenn man keinen Schritt voran kommt. Intern muss Tacheles geredet werden. Da besteht dringender Klärungsbedarf. Wir brauchen runde Tische mit eckigen Entscheidungen.
Ich würde nie pushen, dass jemand seinen Posten räumen muss, aber man muss sich unbedingt zusammensetzen – auch mit Blick auf die Heim-WM 2019.“
Kai Wandschneider in der WNZ