Mal rein von den Gegentoren war Kiel doch auch Platz 4 hinter Melsungen, Magdeburg und Lemgo (statt Berlin) trotz der besten Torhüter-Quote der Liga. Kiel bekommt mit die meisten Gegentore von außen in der Liga, trotz dessen dass Wolff die zweitmeisten Bälle von dort gehalten hat und eine gute, wenn auch nicht sehr gute, Quote dort hat. Auch Mrkva ist nur knapp hinter z.B. einem Simic was die Anzahl der Paraden gegen die Außen über die Saison angeht. Der THW verliert regelmäßig die Duelle in der Mitte und vor allem auf Halb und durch die Hilfe der Außen ist dann dort viel Platz. Im Grunde haben selbst Mittelfeldmannschaften gegen Kiel keine großen Probleme offene Würfe zu kreieren. Denen fehlt es dann aber oft an der Qualität im Abschluss, gerade mit dem Druck zu wissen, dass ein Top-Torhüter zu überwinden ist. Dadurch war der THW letzte Saison in Punkte Gegentore wieder etwas besser, nachdem diese u.a. durch den Abgang Landin deutlich zugenommen hatten, aber dafür offensiv etwas schlechter als die vorletzte Saison, sodass das Gesamtniveau in etwa gleich blieb.
Die Verletzungsprobleme beim THW haben für die Defensive gar nicht die große Rolle gespielt, weil Bilyk und Reinkind dort eh keine Option gewesen wären, während Johansson und Madsen auch bei einer komplett fitten Mannschaft nicht mal halb gedeckt hätten, wenn es vermeidbar gewesen wäre. Und das nicht wegen Schonung, sondern weil die beiden oft das falsche Timing haben. Sie müssen defensiv einen Schritt nach vorne machen, damit beim THW die Balance stimmt. Johansson hat auch in der schwedischen Nationalmannschaft seine Probleme auf Zeit zu kommen, weil Carlsbogård trotz seiner oft sehr passiven Offensive defensiv so viel besser ist als Johansson.
Grundsätzlich braucht man nicht unbedingt Beton hinten drin, um Meister zu werden, was Berlin bewiesen hat oder Top-Torhüter-Leistung, die der SCM bei deren vorletzten Meisterschaft auch nicht hatte. Nur hat der THW keine Offensive, die Extraklasse ist, wie aktuell z.B. Berlin. Egal, wie es optisch aussieht, aber rein von der Effektivität hatte Kiel auch in den Jahren, wo alle gemeckert habe, immer noch eine sehr gute Offensive. Letzte Saison war es durch die Quote von Johansson nicht mehr ganz das Level, aber es kann auch wirklich rein mit Dauertätigkeit von ihm zu tun haben. Der THW wird mit der Spielwiese nie die beste Abschlussquoten haben, aber mit dem mehr an Würfen ist das im Summe trotzdem noch so, dass man über Abwehr oder Torhüter hier auch weiterhin ganz oben mitspielen kann.
Für die kommende Saison muss Kiel hoffen, dass man zumindest das Level in der Abwehr hält und mit Pérez de Vargas einen Faktor hat, dass wirklich immer einer der beiden Torhüter eine Top-Leistung bringt, gerade in den Spitzenspielen. Die hatte der THW zuletzt nicht immer. Kommt vom Torhüter nicht viel, hat Kiel in den Spitzenspielen keine Chance. Der THW hat auf dem Feld aktuell nicht die Mittel, um einen gebrauchten Tag beider Torhüter in diesen Spielen zu kompensieren. Das ist bei Berlin oder dem SCM nicht zwangsläufig so. Erfahrungsgemäß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es über die Torhüter immer funktioniert aber deutlich geringer als z.B. eine grundsätzlich sehr stabile Abwehrleistung. Insofern wäre es schon überraschend, wenn der THW einen Schritt nach vorne in Richtung CL machen könnte. Aber Sport ist Sport und wenn alles wirklich immer so kommt, wie man denkt, würde es doch auch keinen Spaß machen.
Tendenziell sehe ich beim THW das Problem, dass die Dinge in ihrer Gesamtheit kein rundes Bild ergeben. Sollte Makuc verpflichtet werden oder vlt. schon worden sein, dann ergibt sich für Kiel eigentlich die Notwendigkeit, dass die offensive Stärke der Spieler das Team tragen müsste. Also ein bisschen wie es in Berlin auch ist. Dafür braucht es aber einen deutlich taktischen Fortschritt zu dem, was die ganzen Jahre unter Jicha zu sehen war, gerade auch weil der THW dann trotzdem keinen Gidsel hat. Da muss die Angriffseffektivität deutlich gesteigert werden, gegenüber dem, was beim THW die Norm in den letzten Jahren war. Schafft man das nicht, braucht es aber zwingend eine bessere Abwehrleistung, d.h. man müsste die Spieler und/oder Mannschaft auch defensiv weiterentwickeln. Gerade das ist ein Aspekt, der bisher super wenig in der Zeit von Jicha zu sehen war.
Wenn man sich die beste Abwehrformation beim THW ansieht, dann standen dort letzte Saison bis auf Zerbe nur Spieler, die seit mindestens 2018 beim THW sind. Die Spieler sind älter geworden und defensive Qualität wurde in der ganzen Zeit weder dazu verpflichtet, noch so richtig entwickelt. Zumindest mit Köster besteht hier die klare Hoffnung auf der Seite des Spiels und am Kreis ist man jetzt ohnehin gezwungen was zu ändern.
Die Stärken von Jicha als Trainer scheinen doch zu sein, dass die Mannschaft mental und körperlich sehr fit durch die Saison kommt, weil auch die Breite von Kader sehr gut genutzt wird. Auch in Phasen, wo viel Erfolg da war, hatte beim THW nie das Gefühl das Team ist satt oder nimmt Dinge auf die leichte Schulter. Es gab immer den nächsten Titel zu gewinnen. Zu Höhepunkten war der Fokus fast immer perfekt. Kiel wirkte eigentlich nie überspielt, wenn es keine super Verletzungsprobleme gab.
Ab 2022 hat Kiel angefangen immer mehr Spieler zu verpflichten, die in bestimmten Bereichen wirklich sehr gut sind oder sein können, aber auch deutliche Schwächen in anderen Aspekten haben. Und das auch nicht ausgeglichen, wo man sagen könnte, man kann hier mit der Balance spielen, sondern schon sehr stark auf offensivlastige Qualität mit defensiven Problemen. Insgesamt keine Spieler, die man "nur" richtig führen muss, sondern wo wirklich Basisarbeit angesagt ist. Sei es individuell als auch in der Gruppe. Irgendwie fällt es mir schwer das im aktuellen Trainerteam zu sehen, aber man kann das Training so außen natürlich nicht beurteilen.
Trotzdem alledem ist Szilágyi scheinbar komplett von Jicha überzeugt, womöglich auch, weil er gerade den Umgang des Druckaspekt beim THW, immer Leistung bringen zu müssen, bei ihm besonders gut aufgehoben sieht. Das ist auch schon gerechtfertigt, denn man muss sagen, dass Kiel in den Jahres des Erfolgs oft dem Druck sehr gut standgehalten hat. Der THW ist in der Regel nie der Underdog gewesen, alle haben Erfolg erwartet. Damit muss man auch erstmal umgehen können. Nur ob das angesichts der Verpflichtungen vom THW die aktuell entscheidende Trainerfähigkeit ist, denke ich eher nicht. Ich würde Jicha z.B. eher zutrauen in Veszprem mal den Bock umzustoßen, was jetzt auch keine leichte Aufgabe wäre.