Beiträge von Tretjock

    Natürlich ist das kein Zufall mehr. Seit Jahren ist es so, dass keiner anderen großen Nation so regelmäßig wichtige Spieler vor den Großturnieren (oder währenddessen) wegfallen. Für die Nationalmannschaft ist das wieder ein schwerer Schlag. Heymann hätte wichtige internationale Luft schnuppern können, das aktuell größte deutsche Talent im Rückraum. Schon unheimlich komplett und durchsetzungsstark. Bei Ernst ist es einfach nur tragisch. Der Junge kann einem nur leid tun. Sein Körper scheint für diese Belastung nicht gemacht zu sein. :(

    Niemand braucht jedes Jahr ein internationales Großturnier im Handball. Eine WM alle vier Jahre wäre völlig ausreichend. Wie im Fußball, Volleyball, Basketball oder Hockey. Das sehe ich auch so. Aber die Bundesliga lebt auch von einer starken und erfolgreichen Nationalmannschaft. Ich habe die Hoffnung schon längst aufgegeben, dass der internationale Terminkalender irgendwann entrümpelt wird. Und eine Verkleinerung der Liga ist aktuell nicht durchsetzbar. Ein Dilemma.

    Das Problem gegen offensive Abwehrreihen war absehbar. Das zieht sich seit Jahren hoch zur A-Nationalmannschaft. Heymann alleine kann es auch nicht richten. Er hat aber gezeigt, dass er ein Großer werden kann. Auch heute hatte nur er Durchschlagskraft. Für mich das mit Abstand größte Versprechen im deutschen Handball.

    Tja, für die Bundesliga wäre es natürlich schon etwas peinlich, wenn sie erneut beim Final 4 mit keinem Verein vertreten wäre. Vor allem die Art und Weise im zweiten Durchgang ist einem Tabellenführer der Bundesliga absolut unwürdig. Natürlich ist die Belastung hoch und der Fokus liegt deshalb etwas stärker auf der Bundesliga, aber es soll mir niemand erzählen, dass z.B. das Abschneiden der Rhein Neckar Löwen in den letzten Jahren das Optimum war. Gerade weil vor der Saison noch angekündigt wurde, dass man diese Saison in der CL etwas reißen will.

    Man muss es so knallhart sagen: Kein Final 4 erreicht zu haben wirft einen großen Schatten auf die Ära Jacobsen. Das muss einfach der Anspruch sein. Zumindest einmal hätte es klappen müssen. Für das Prestige in Europa wäre das auch sehr wichtig gewesen.

    Das Label stärkste Liga der Welt wird so langsam auch problematisch. Montpellier und Nantes haben nun jeweils einen deutschen Topcub eliminiert. Und Flensburg hat dieses Jahr einen schweren Weg ins Halbfinale.

    Ein erneutes Final 4 ohne deutschen Verein wäre der Supergau.

    Ich habe leider nur den Schluss sehen können, aber da kam Heymann und hat gleich drei Tore erzielt. Solche Spieler braucht die deutsche Mannschaft unbedingt. Mit seiner Wucht und Dynamik kann er sich zukünftig mit Kühn ergänzen. Hier hätte man wieder zwei absolute Waffen.

    Ansonsten war das heute wohl ein Muster ohne großen Wert. Die Schweizer waren natürlich hochmotiviert. Aber in dieser Saisonphase will sich ja niemand verletzen.

    Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Ich tendiere zur ersten Variante. Deutschland hat zu den anderen Halbfinalisten noch die meiste Luft nach oben im Rückraum. Und trotzdem kam man ins Halbfinale. Mit 1-2 Shootern, die durch einfache Tore für mehr Entlastung sorgen können, ist man m.E. wieder voll dabei. Man braucht noch mehr Wucht aus der Distanz.

    Ich halte jetzt auch nichts davon den Olympiatitel als Ziel vorzugeben. Erstmal muss man sich noch qualifizieren, dann liegt noch eine EM dazwischen. Außerdem muss man von Verletzungen verschont bleiben. Das Halbfinale wäre das richtige Ziel.

    Meine Szene der EM ist übrigens der provokante Jubel von Dinart nach dem Tor von Karabatic direkt vor dem Offiziellen. Sehr sympathisch diese Franzosen. Wer das nötig hat.

    Was die Zukunft anbetrifft, so glaube ich, dass die deutsche NM in den nächsten zehn Jahren immer so weitermachen wird wie bisher. Viele durchschnittliche Turniere, ein paar ganz klägliche Blamagen und alle paar Jahre mal ein Lichtblick, der sofort unrealistische Träume weckt.
    Um mal ein ganzes Jahrzehnt eine wirklich dominierende Rolle spielen zu können, braucht es nicht nur viele hoffnungsvolle Jungs mit guten Anlagen, sondern absolute Weltklasse-Spieler.
    Die gleiche dänische Mannschaft würde sich ohne Hansen nicht Europameister, Weltmeister und Olympiasieger nennen dürfen. Frankreich ohne Karabatic hätte vielleicht bestenfalls ein Finale seit 2006 erreicht bzw. gewonnen. Mit diesen Jungs steht und fällt Alles.
    Leider ist man aber in der DHB-Nachwuchsförderung bislang nicht in der Lage gewesen, mal so ein Jahrhundert-Talent auszubilden. Daniel Stephan anno dazumal hätte ohne Verletzungen sowas vielleicht schaffen können.
    Die Aufgabe der nächsten Jahre besteht also darin, die bisherige Mannschaft so halbwegs konkurrenzfähig zu halten und sich im Nachwuchsbereich unter den heute 14-16 Jährigen genauer als bisher umzuschauen.
    Groß muss er sein, überaus robust, nicht zu schlau und nicht zu blöd und mit begnadetem Talent gesegnet.

    Ich fürchte, das ein solcher Spieler nicht vom DHB entdeckt würde - ist ja kein Zufall, dass die beiden einzigen aktuellen Spieler mit dem besonderen Etwas - Drux und Wiede - von Hanning aufgebaut worden sind.

    Ich sehe das nicht so. Man kann z.B. ein Weltklassespieler sein, aber kein geborener Leader, der eine Mannschaft führen kann. Karatabic war für Frankreich ein Glücksfall, weil er nicht nur eine große individuelle Qualität hatte, sondern auch diese natürliche Ausstrahlung, den absoluten Siegeswillen. So einen Spieler zu finden ist extrem schwierig, weil man zwar Talent sichten kann, aber Dinge wie Charakterbildung, die individuell ist, eben nicht. Ein Wiede ist halt etwas ruhiger, aber solange er seine Leistung bringt, auch in der Crunchtime, ist das ok.

    Prognosen über zehn Jahre halte ich sowieso für ziemlich sinnfrei. Das nächste Ziel lautet nun erstmal bei Olympia wieder eine Medaille zu holen. Wenn die aktuelle Mannschaft noch mit Talenten wie Heymann, Michalczik, Suton verstärkt wird, hat man für die nächsten Jahre sicher eine gute Perspektive. Prokop hat schon gesagt, dass man immer auch übers Kollektiv kommen muss. Unter Sigurdsson hat man zwei Medaillen in Folge geholt. Potential ist definitiv vorhanden. Ich sehe die nächsten Jahre keine Übermannschaft mehr. In der Weltspitze geht es ziemlich eng zu.

    Die Dänen hatten natürlich auch den Heimvorteil im Finale. Auf neutralem Boden geht das wohl nicht so klar aus. Überhaupt hatten die Norweger nun zweimal das Pech, ein WM-Finale gegen den Gastgeber spielen zu müssen. Erst 2017 gegen Frankreich und dann heute gegen Dänemark. Der Heimvorteil macht einfach nochmal etwas aus. Das kann man nicht wegdiskutieren. Sie haben jedoch eine günstige Altersstruktur und mit Sagosen den kommenden Superstar im Handball. Für mich nur eine Frage der Zeit bis sie mal einen Titel gewinnen.

    Nach dieser WM würde ich eher sagen, dass Spanien und Kroatien von der Spielanlage und Altersstruktur, Probleme bekommen könnten. Während die Skandidanvier, Deutschland und Frankreich eine gute Zukunft vor sich haben. Sie haben viele Talente und eine passende Altersstruktur.

    Mein Fazit der WM aus deutscher Sicht:

    Deutschland ist zurück in der Weltspitze. Man war zweimal mehr als nur auf Augenhöhe mit Ex-Weltmeister Frankreich, hat Kroatien und Spanien knapp geschlagen. Die Weltspitze ist unglaublich eng beisammen. Nationen wie Schweden, Kroatien und Spanien können auch jederzeit in ein Halbfinale einziehen. Von daher muss man es immer als Erfolg sehen, wenn man unter den Top 4 steht.

    Wichtig ist nun, dass man diesen Erfolg auch außerhalb von Deutschland bestätigt. Auf der starken Defensive kann man aufbauen. Verbessern muss man sich noch im Angriff, wo man mit Kühn und Heymann aber noch großes Potential im linken Rückraum hat. Auch Semper, Suton und Ernst werden hoffentlich noch eine große Rolle in den nächsten Jahren spielen. Die Altersstruktur ist absolut perfekt. Ich habe schonmal erwähnt, dass eine große Mannschaft wachsen muss. Mit mehr Erfahrung wird man demnächst auch wieder mal ein Halbfinale gewinnen. In engen Situationen muss man unbedingt ruhiger werden, kühlen Kopf bewahren.

    Es ist zwar schade, dass man bei dieser Heim-WM ohne Medaille rausgeht, aber wenn man sieht, dass Strobel kurzfristig ausgefallen ist, Kühn schon vorher, dann muss man mit Platz 4 auch zufrieden sein. Die besten Jahre der Nationalmannschaft sollten im Hinblick auf 2020 noch kommen (wenn das traditionelle Verletzungspech ausbleibt).

    Unfassbar ärgerlich. Die fehlende Cleverness war leider im ganzen Turnier noch ein Problem. Und wieder verpasst man den Sieg gegen die Franzosen. Bronze hat man leider selbst verdaddelt.

    Man hätte aber auch schon zur Halbzeit mit 5-6 Toren führen müssen. Der Gegner wird zu häufig nicht erledigt.

    Zur Schiedsrichterleistung möchte ich nochmal Daniel Stephan zitieren:

    Die vielen Zwei-Minuten-Strafen, sieben auf deutscher und drei auf norwegischer Seite, sehe ich übrigens sehr kritisch. Das ist ein generelles Problem bei dieser Weltmeisterschaft. Die Schiedsrichter, die da auch nur den Vorgaben des Verbandes folgen, schicken die Spieler viel zu schnell runter.

    Die Gelben Karten werden gar nicht ausgereizt, stattdessen landen die Spieler für zwei Minuten draußen, auch wenn sie den Gegner nur "begleitet" und nicht überhart attackiert haben. Handball ist ein körperliches Spiel, da muss auch ein körperlicher Kampf stattfinden dürfen. Ich hoffe sehr, dass man da bei künftigen Turnieren wieder zu einer anderen Linie findet.

    https://www.eurosport.de/handball/wm/20…053/story.shtml

    Echt ein Witz, wenn man früher die Abwehrschlachten der Franzosen, Spanier und Kroaten gesehen hat und nun angeblich die Deutschen viel zu hart spielen würden.

    Beim Thema deutsche "Rugby-Abwehr'' musste ich ein bisschen schmunzeln. Was haben dann jahrelang die Franzosen gespielt? Alles nur keine Waisenknaben, die richtig zugepackt haben. Häufig halt auch mit einem Bonus der Schiedsrichter. Es geht natürlich nicht um klares Ziehen und Schubsen (gerade in der Wurfbewegung gefährlich), aber Körperkontakt muss in diesem Sport noch weiterhin erlaubt sein. Sonst wird es irgendwann nur noch lächerlich. Übrigens fand ich wirklich nicht, dass Deutschland nun eine übermäßig "brutale'' Abwehr gespielt hat.

    Niemand gibt den Schiedsrichtern die Schuld an der Niederlage, aber natürlich macht es einen großen Unterschied, ob man deutlich häufiger in Unterzahl ist oder nicht. Das kann man doch ganz nüchtern feststellen. Die Norweger haben das dann clever ausgespielt und für sich genutzt. Man sieht bei der deutschen Mannschaft, dass sie sich noch zu schnell verunsichern lässt, sei es von der Schiri-Linie, der Euphorie im Publikum oder einfach der Nervosität. Es ist doch so, dass Deutschland viel besser ins Spiel reingekommen ist und Norwegen erst durch die erste zwei Minuten-Strafe richtig da war. Und plötzlich kam der Riss.

    Mal generell zu den Schiedsrichtern: Nach der WM gibt es hoffentlich eine Analyse. Ich mag keinen Vergleich mit dem Fußball. Aber auch dort führt eine kleinliche Linie nur dafür, dass der Spielfluss darunter leidet. Im Normalfall natürlich bei beiden Mannschaften.

    JA!

    Genau so sehe ich das auch. Die erste Zeitstrafe gegen Drux war sehr hart. Wieder ein Beispiel dafür, wie man den Rhythmus einer Mannschaft sofort wieder killen kann.

    Eine richtige Analyse von Andy Schmid beim Kretsche-Talk. Deutschland kam perfekt ins Spiel rein, ein frühes 3:1, dann kam die erste Zeitstrafe und Hektik ins Spiel. Wie übrigens schon gegen Kroatien. Immer wenn Deutschland wieder dran war, die nächste Zeitstrafe oder eine übermotivierte Aktion. Hier muss man einfach abgebrühter und cleverer werden. Das ist auf diesem Niveau extrem entscheidend. Die Kulisse kann natürlich auch übermotivieren, keine Frage. Aber insgesamt muss man einfach noch etwas abgezockter werden. Eine Sache der Erfahrung.

    Große Mannschaften müssen wachsen. Der EM-Titel kam unerwartet und eigentlich ein bisschen zu früh. Es war keine logische Entwicklung dahin (wie z.B. bei Frankreich oder Norwegen zuletzt). Deutschland hat z.B. sein Potential im Rückraum noch überhaupt nicht ausgeschöpft. Hier hat man gegenüber Norwegen oder Dänemarkt noch ein Steigerungspotential von 20-30%.

    Der große Unterschied heute war Sargosen. Was für eine grandiose Leistung! So stark habe ich auch einen Karabatic nie gesehen. Es stimmt sicherlich, dass die deutsche Abwehr heute nicht ganz am Optimum war, aber Norwegen hat es einfach auch verdammt clever und abgezockt gespielt. So war es dann nur schwer zu verteidigen. Sie hatten immer eine Antwort. Der Ball lief auch schneller durch ihre Reihen, die Spielanlage hat mir gut gefallen.

    Trotzdem kann Deutschland mit dem Turnier sehr zufrieden sein. Aber Platz 3 sollte man schon noch holen. Es ist immer blöd, wenn man ein Turnier mit zwei Niederlagen in Folge beendet. Der letzte Eindruck bleibt hängen und ist entscheidend. Insgesamt war man bei den letzten fünf großen Turnieren dreimal im Halbfinale. Darauf lässt sich definitiv aufbauen. Ich bleibe dabei, die deutsche Mannschaft hat eine tolle Perspektive, die Altersstruktur ist optimal. Nun gilt es den Rückraum noch stärker für die Zukunft aufzustellen. Mit einem Kühn, Ernst, Heymann, Dissinger (vielleicht) hat man hier noch ein großes Potential. Und bitte nicht den Wiede vergessen. Ein schwaches Spiel ist verzeihbar, er hat uns gegen Frankreich und Kroatien angeführt.

    Die Schiris fand ich übrigens nicht so toll, aber es war letztlich nicht (spiel)entscheidend. Die ein oder andere Zeitstrafe gab es aber für meinen Geschmack zu viel für Deutschland.

    Ich erwarte zwei enge Halbfinalspiele. Deutschland hat den Heimvorteil und das macht natürlich etwas aus. Wenn die Abwehr plus Wolff überragend steht, ist das schonmal die halbe Miete. Aber man wird auch Lösungen im Positionsangriff brauchen. Wenn es um etwas ging, war das immer noch etwas verkrampft (durchaus verständlich), war keine nervliche Belastung da wie gegen Spanien, hat man das Potential gesehen. Ich bin gespannt.

    Beim anderen Halbfinale sehe ich die Dänen leicht favorisiert. Sie haben auch die Motivation mit dem Heimspiel im Finale. Die Franzosen haben nicht mehr diese Übermannschaft der letzten Jahre. Zahlreiche Titel wurden in der Crunchtime über die Abwehr (die ist natürlich immer noch stark) und im Angriff Karabatic/Narcisse gesichert. Früher natürlich auch noch Fernandez. Die zahlreichen Talente müssen erstmal beweisen, dass sie die engen Spiele auch ohne ihre einstigen Anführer erfolgreich gestalten können. Wobei Karabatic ja noch immer dabei ist, nur nicht bei 100%. Im EM-Halbfinale haben sie schonmal verdient gegen Spanien verloren. Und die Dänen haben sicher heuer nicht weniger Potential. Aber wenn Gerard sein Tor vermöbelt und Mem und Co. einen Sahnetag erwischen, ist natürlich auch ein französischer Sieg möglich.

    Ein toller Abschluss der Hauptrunde. Ohne den ganz großen Druck wirkte das deutsche Angriffsspiel gleich viel flüssiger. Und das gegen eine unangenehme spanische Abwehr. 31 Tore gemacht, Suton konnte gleich überzeugen. Besser hätte es nicht laufen können. Man geht jetzt noch ungeschlagen mit viel Selbstvertrauen ins Halbfinale gegen Norwegen.