Rudi Völler ist offenbar kurz vor einer Vertragsunterzeichnung bei Bayer und wird dort bis 2007 erneut als Sportdirektor fungieren.
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Rudi Völlers Rückkehr zu BayerEin Gesicht für den Klub
Nach seinem Kurzausflug zum AS Rom, kehrt Rudi Völler in seine einzig wahre Fußballheimat zurück. Leverkusen.
Christoph Biermann
Gut gelaunt klingt Rudi Völler und aufgeräumt wie einer, der weiß, wie es im Leben weitergehen soll. Gut drei Monate hatte sich der ehemalige Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach seinem gescheiterten Ausflug zum AS Rom aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Nur gelegentlich schaute er sich im Stadion ein Fußballspiel an, Interviews gab er bis auf unbedeutende Ausnahmen keine. Völler wollte sich sammeln und darüber nachdenken, welches sein nächster Schritt im Leben sein sollte.
„Ich möchte zu dem Thema im Moment gar nichts sagen“, teilt er auch jetzt noch mit, doch inzwischen sind die Dinge schon weit fortgeschritten. Sollte es keine sensationelle Wende mehr geben, wird Völler vielleicht schon heute als neuer Sportchef bei Bayer Leverkusen präsentiert.
Geschlagen nur von Jauch und Graf
„Das Thema muss in dieser Woche vom Eis“, fordert Meinolf Sprink noch einmal energisch. Der Sportbeauftragte der Bayer AG hatte zuletzt den Druck auf die Fußball-GmbH des Konzerns noch einmal erhöht, um in der Frage Völler endlich zu einer Klärung zu kommen. Und das scheint nun gelungen zu sein.
„Es sind allerdings noch einige Details zu klären“, sagt Sprink. Dabei handelt es sich jedoch wohl um Fragen, die eine Rückkehr Völlers nach Leverkusen nicht mehr verhindern werden. Zum Beispiel: Wie oft wird Völler nicht abkömmlich sein, weil er als WM-Botschafter unterwegs ist? Wo gibt es Überschneidungen oder gar Widersprüche bei den persönlichen Sponsoren oder vertraglichen Verpflichtungen, die Rudi Völler und Bayer Leverkusen unterhalten?
Schon bald dürfte Völler also wieder in der BayArena der Arbeit nachgehen, sein Büro hat er dort sowieso schon seit Jahren, zudem wohnt er in Leverkusen. Für den Klub liegen die Vorteile einer erneuten Liaison mit dem Mann, der just im August 2000 ging, als er zum Nachfolger von Reiner Calmund aufgebaut werden sollte, ohnehin auf der Hand. In einer Phase wirtschaftlicher Konsolidierung hat der Verein deutlich die Kontur verloren.
Zwar mögen der barocke Führungsstil von Reiner Calmund und seine spendable Vertragspolitik entbehrlich bleiben, doch fehlt Bayer seit dem Sommer ein Gesicht. Völler wird dieses Manko mit seiner ungeheuren Popularität problemlos beheben können. Vor kurzem kam er bei einer Umfrage nach den beliebtesten Deutschen auf den vierten Platz.
Römisches Irrenhaus
Geschlagen geben musste er sich nur dem Sieger Günther Jauch, Steffi Graf und Thomas Gottschalk. „Rudi Völler ist ein Aushängeschild des deutschen Fußballs, der für Bayer sehr positiv wirken kann“, glaubt Meinolf Sprink. Aber seine Verpflichtung soll einen Wert über reine PR-Effekte hinaus haben.
„Er hat im Laufe der letzten Jahre einen großen Erfahrungsschatz hinzu gewonnen“, sagt Sprink. Gerade in Verhandlungen mit Spitzenspielern dürften die sportliche Glaubwürdigkeit und sein Charme helfen. Außerdem wird zweifellos ein anderer Völler zurückkommen als jener, der damals ging.
Drei Jahre und zehn Monate hatte er in 53 Spielen als Teamchef die deutsche Nationalmannschaft geführt, nachdem er in einer kuriosen Findung („Plötzlich haben alle mich angeschaut“) dazu ernannt worden war.
Rudi Völler hatte die Mannschaft 2002 überraschend ins WM-Finale geführt, war im Sommer vergangenen Jahres nach der Europameisterschaft nach dem enttäuschenden Vorrunden-Aus in dem Glauben zurückgetreten, dass Ottmar Hitzfeld seine Nachfolge antreten würde.Held der Tifosi
„Zu meinen Überlegungen werde ich mich erst äußern, wenn alles entschieden ist“, sagt der 44-Jährige jetzt. Aber nicht zuletzt seine Erfahrungen beim AS Rom dürften dazu beigetragen haben, dass er sich gegen den Trainerjob und für eine Aufgabe im Sportmanagement entschieden hat.
In Rom war Völler zwischen 1987 und 1992 ein Held der Tifosi gewesen, und als der Klub ihn bekniete, auszuhelfen, weil die Frau des bisherigen Trainers Cesare Prandelli plötzlich schwer erkrankt war, folgte er dem Ruf seines Herzens.
Er entschied sich dabei überraschenderweise auch gegen ein Angebot von Bayer, wo er schon damals Sportdirektor hatte werden sollen. Nur 25 Tage später kehrte Völler bar jeglicher Sentimentalität wieder ins Rheinland zurück, denn sein ehemaliger Klub hatte sich als ein Irrenhaus erwiesen.
Das erste Spiel in der Champions League wurde nach einem Münzwurf auf den schwedischen Schiedsrichter Anders Frisk abgebrochen. Die Mannschaft wollte einer integrativen Führung durch den Trainer nicht folgen, so dass Völler nach seinem letzten Spiel nicht einmal mehr in die Kabine ging und das Experiment Italien abrupt beendete.
Vielleicht liegen die Stärken von Völler sowieso jenseits des Trainingsplatzes, und vielleicht beruht diese Erkenntnis auf der Selbsterforschung der letzten Monate.
Private Stabilität über einen längeren Zeitraum sichert der Job im Sportmanagement ebenfalls, und vielleicht wollte sich Völler angesichts seiner bislang makellosen Vita auch das ersparen, was irgendwann jedem Trainer blüht: der Rauswurf.
(SZ vom 18.1.2005)