Hamburger Abendblatt / Harburger Rundschau
VfL Fredenbeck: Die Krise beim Zweitligaklub wird größer. Kreisläufer Tihomir Knez wechselt nach Hildesheim. Kann Landrat Gunter Armonat schlichten?
Von Hans Kall
Fredenbeck - Tihomir Knez (27) war in der Geestlandhalle Sympathieträger und Publikumsliebling. Der schlaksige Kreisläufer des VfL Fredenbeck beeindruckte mit seinem Kämpferherzen, war einer der wenigen, die sich über ein Tor dermaßen gestenreich freuen konnte und die Fans zur Unterstützung aufforderte. Zudem begeisterte der VfL-Handballer in seiner zweiten Saison mit vielen wichtigen Toren. Weil er sich in Fredenbeck "so wohl" fühlte, unterschrieb er im Sommer einen längerfristigen Vertrag bis 2007 - jetzt wechselt er überraschend zum Ligakonkurrenten Eintracht Hildesheim.
"Aus persönlichen Gründen", wie er sagt. Zu mehr Äußerungen ist Tihomir Knez nicht zu bewegen, schmutzige Wäsche wolle er nicht waschen. Vielleicht, so sinniert er, komme er im nächsten Jahr zurück, weil sein Vertrag nur unterbrochen sei. "Ich bin bis zum Saisonende ausgeliehen", so Knez. Was dann kommt? Der Kreisläufer, der mit Eintracht Hildesheim versucht, in die Bundesliga aufzusteigen, zuckt die Schultern.
Genauso hilflos reagiert in Fredenbeck derzeit jeder Handball-Interessierte, wenn er auf die Situation des Zweit-Bundesligisten angesprochen wird. Sportlich und wirtschaftlich liegt der einstige Vorzeigeklub, der als "Dorfverein" im deutschen Handball-Oberhaus für Furore sorgte, am Boden.
Bundesliga-Handball am Ende - ist der VfL Fredenbeck noch zu retten? Vereinschef Hans Müller ist ratlos. "Was sollen wir machen, uns sind die Hände gebunden", sagte er. Er und seine Vorstandskollegen haben versucht, mit dem alleinverantwortlichen Marketing-Geschäftsführer Gunnar Schmidt einen gemeinsamen Nenner zu finden. "Wir wollten Einblick in die Finanzen", sagte Hans Müller. Die Gespräche allerdings sind längst abgebrochen, zwischen Vorstand und Manager Schmidt herrscht Funkstille. Die VfL-Verantwortlichen gehen sogar soweit, einen Abstieg in die Regionalliga in Kauf zu nehmen - ohne Manager Gunnar Schmidt.
Auch Ralf Uhding fürchtet um den VfL Fredenbeck und den Handball in der Region, denkt mit Wehmut an die Jahre, als sein Vater Harald Uhding den kleinen Verein von der Geest zu sportlichem Ruhm in Deutschland führte. Selbst Trainer Zbigniew Tluczynski bezeichnet die derzeitige Lage als katastrophal. "Man kann nichts machen", sagte er beinahe resignierend, auch wenn sein Ruf als Trainer und der des VfL Fredenbeck Schaden erleiden. Er könne nur hoffen, daß sich die Spieler des kleinen Kaders (neben Tihomir Knez hat auch Reservist Mirko Helmdach schon aufgehört) auf den Handball konzentrieren und 60 Minuten alles für ihr Team geben. So sieht es auch Mannschaftsführer Tobias Skerka. "Uns gelingt es nicht, eine vernünftige Leistung zu bringen", kritisierte er und appellierte an seine Mitspieler, alle außersportlichen Probleme für zwei Stunden hinten anzustellen. Es sei traurig, wenn der Sport darunter leiden müsse. "Wir sollen in dieser Woche unser Geld bekommen", sagte der VfL-Kapitän, dann wäre alles in Ordnung.
Eine einfache Formel. Zu einfach. Die Spieler des Zweitligateams beschäftigen sich in ihren Gedanken natürlich mit dem Finanzdesaster, vor allem wenn es um ihre wirtschaftliche Existenz geht. Und da stimmt seit zwei Jahren nichts mehr. Nur mit Mühe und Not hat die Handball-Marketing die Lizenz für die 2. Bundesliga bekommen, wurde als einziger Verein in Deutschland mit zwei Minuspunkten bestraft wegen fehlender Lizenzunterlagen. Und seitdem hat sich die wirtschaftliche Lage nicht verbessert. Im Gegenteil - jetzt droht der Kollaps.
Gehen in Fredenbeck die Lichter aus? Das Tischtuch zwischen Vorstand und Management scheint zerschnitten. Der Verein wird den Vertrag mit der Handball-Marketing zum 30. Juni kündigen, dann darf Gunnar Schmidt den Namen VfL Fredenbeck nicht mehr nutzen. Es ist so, als warten alle darauf, daß die Handball-Marketing Insolvenz anmeldet. Der einzige Weg, um die Probleme in Fredenbeck zu lösen?
Manfred Schild von Spannenberg, Schulleiter, Kreistagsabgeordneter und Handballfachmann aus Fredenbeck in Personalunion, geht die verzwackte Lage des VfL Fredenbeck positiv an. "Wir müssen uns an einen Tisch setzen", sagte er, "und das möglichst schnell." Es sei schon fünf nach zwölf. Alle Beteiligten, und damit meint Schild von Spannenberg auch Gunnar Schmidt und den Vorstand um Hans Müller, sollten sich zusammensetzen und versuchen, die Kräfte zu bündeln.
Um diesen Gesprächskreis allerdings zusammenbringen zu können, müsse eine starke Persönlichkeit das Heft in die Hand nehmen. "Ich kann mir unseren Landrat Gunter Armoneit vorstellen", sagte Manfred Schild von Spannenberg. Dem obersten Kreispolitiker als "Handball-Enthusiastem" traue er die Schlichterrolle zu. Vorausetzung sei aber, daß der VfL-Vorstand seinen Worten jetzt auch Taten folgen lasse und daß Manager Gunnar Schmidt bereit zur Zusammenarbeit sei. Signale aus der Wirtschaft haben von Spannenberg bestätigt, daß die Wirtschaft durchaus gewillt ist, weiter in den Handball zu investieren. Das gilt für die großen Geldgeber wie für die vielen kleinen Sponsoren, die sich vom Zweitliga-Team zurückgezogen haben und lieber die zweite Mannschaft in der Verbandsliga unterstützen. "Noch ist der VfL Fredenbeck zu retten", sagte Manfred Schild von Spannenberg, "wir müssen es nur anpacken."