Badische Zeitung vom Donnerstag, 5. August 2004
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Zum Teil erlesene Ballwurfkost
Deutsche Handballer gewinnen Olympia-Testspiel 32:20
Von unserem Redakteur Jochen Dippel
LÖRRACH. Einen solchen Auflauf hat die Lörracher Wintersbuck-Sporthalle noch nie erlebt. Vor zwei Jahren mit Millionenaufwand komplett saniert und zum Vorzeigeobjekt mutiert, drohte sie gestern Abend aus allen Nähten zu platzen. Der unverhoffte Auftritt der deutschen Handball-Nationalmannschaft verfehlte seine Wirkung nicht. Seit langem ausverkauft, drängelten sich beim Anpfiff mehr als 1000 Zuschauer dicht an dicht in der buchstäblich bis unter das Dach gefüllten Halle. Mit Trompeten, Gekreische, Klatschmärschen und Jubelchören machten die Fans das Testmatch kurz vor Olympia zu einem Riesenfest - Handball(er) zum Anfassen eben.
Das Ergebnis des Testspiels gegen den Zweitbundesligisten SG Willstätt-Schutterwald - 32:20 (16:9) - geriet darüber naturgemäß zur Nebensache. Wichtiger war beim Schaulaufen des Europameisters, dass der 15-köpfige Olympiakader ohne nennenswerte Blessuren aus der überaus fairen Partie kam. Und zumindest phasenweise bot die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand ("So langsam werden alle Spieler wieder fit") erlesene Ballwurfkost gegen einen Gegner, der sich erst seit rund einer Woche wieder im Training befindet und deshalb noch erhebliche Defizite aufweist.
Dennoch hielten die Ortenauer in der ersten Halbzeit gut mit. Zwar starteten die DHB-Recken spielfreudig und engagiert, glänzte vor allem Publikumsliebling Stefan Kretzschmar mit herrlichen Trickwürfen, Treffern und No-Look-Pässen. Doch nach einer 5:3-Führung schlichen sich erstaunlich viele Missverständnisse (Abspiele und Torwürfe) bei den Routiniers ein. "Siehste, denen passiert so etwas auch", kommentierte ein Oberrhein-Handballer die Fehlaktionen erleichtert, während sein Nachbar nur trocken entgegnete: "Warum auch nicht." Prompt legte der Zweitligist selber einen 8:6-Vorsprung vor. Allerdings litt der Spielfluss auch unter zahlreichen Unterbrechungen. Denn bei hochsommerlichen Temperaturen musste fast nach jeder Aktion der Schweiß der Spieler vom Boden gewischt werden. Erst danach zog die Olympiaauswahl das Tempo wieder an, erzielte acht Treffer in Folge bis zum 14:8 und baute diesen Vorsprung im zweiten Durchgang ständig weiter aus.
Ihre Köpfe hatten die langen Recken des Deutschen Handball-Bundes (DHB) lediglich beim Betreten der Halle einziehen oder wie die beiden Riesen Mark Dragunski (2,14 Meter) und Volker Zerbe (2,11) sogar stark verdrehen müssen. Auf dem Feld war das nicht mehr nötig, da ging es erhobenen Hauptes 60 Minuten lang (zumeist) im Schnelldurchgang in Richtung Willstätter Tor und wieder zurück.
Dass die Partie jedoch nicht wichtig gewesen wäre, verneinte Heiner Brand: "In dieser Phase hat jedes Spiel seine Bedeutung und ist ein kleiner Baustein in der Vorbereitung. Auch dieses Match, das eine verschärfte Trainingseinheit unter Wettkampfbedingungen darstellt." Sechs Wochen dauerte die Vorbereitung der DHB-Auswahl. Dann wurden die Cracks zum "Regenerieren, Abschalten und Kraft schöpfen" (Co-Trainer Holger Löhr) für ein Wochenende nach Hause entlassen, ehe sie sich auf direktem Weg wieder von dort nach Lörrach aufmachten. "Doch man hat gesehen, dass für uns noch einiges zu tun bleibt", urteilte Brand.
Deutschland: Fritz, Ramota, Hens 3 Tore, Dragunski 1, Kretzschmar 4, Immel 2, Schwarzer 2, Petersen 1, Zerbe, Baur 4/davon 1 Siebenmeter, Zeitz 1, Jansen 5/1, Stephan 2/1, Kehrmann 2, Schöne 5. SG Willstätt-Schutterwald: Zoubkoff, Leutner, Engel, Kempf 5/1, Junker 3/1, Schneider 3/1, Kantimm 1, Bitterlich 1, Helm 1, Mitkov 2, Winnen 1, Erb 1, J. Emrich 2.