WISLANDER-INTERVIEW
Er war einer der besten Handballer, die je in der Bundesliga gespielt haben. Am Wochenende kehrt Magnus Wislander nach Deutschland zurück - mit seinem Heimatclub Redbergslids Göteborg zum Spiel der Champions League bei der SG Flensburg. Mit SPIEGEL ONLINE sprach Wislander zuvor über Piercings, verpasste Ziele und Tränen in Kiel.
Magnus "Max" Wislander wurde am 22. Februar 1964 in Göteborg geboren. Von 1990 bis 2002 spielte der 1,94 Meter große Rückraum- und Kreisspieler in Kiel. In seiner Zeit beim THW holte Wislander sieben deutsche Meistertitel (1994 bis 1996, 1998 bis 2000 und 2002). Derzeit spielt der zweifache Weltmeister (1990 und 1999) für seinen alten Verein Redbergslids IK Göteborg.
SPIEGEL ONLINE: Herr Wislander, in Ihrer Titelsammlung fehlen noch die olympische Goldmedaille und der Gewinn der Champions League. Sie sind 39, hat sich das Thema für Sie erledigt?
Magnus Wislander: Der Gewinn der Champions League ist abgehakt. Aber diese Saison hätten wir damit sowieso nicht gerechnet. Wir haben gehofft, dass wir die Vorrunde überstehen. Aber mit Lasko und Flensburg spielen zwei richtig gute Mannschaften in unserer Gruppe. Leider haben wir gleich das erste Spiel zuhause gegen Flensburg verloren. Wenn man weiterkommen will, muss man alle Heimspiele gewinnen. Doch dazu haben wir zu schlecht gespielt.
SPIEGEL ONLINE: Ausgerechnet ihr ehemaliger Erzfeind aus Kieler Zeiten, die SG Flensburg-Handewitt, hat diese kleine Hoffnung sinken lassen. Ist das die Strafe für die mit dem THW gewonnenen Spiele gegen die SG?
Wislander: Nein, der schwedische Vereinshandball ist einfach nicht so stark, die meisten Spieler gehen nach Deutschland oder Spanien. Wenn man schaut, welche schwedischen Handballer im Ausland spielen, dann bekommt man fast zwei komplette Nationalmannschaften zusammen. Die deutsche Liga ist die stärkste in Europa.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit der Goldmedaille bei Olympia? Sie holten dreimal Silber, sprachen oft von dem letzten Traum ihrer Sportlerkarriere.
Wislander: Ich habe schon nach den Spielen in Sydney 2000 gesagt, dass dies die letzte Chance war, Olympiasieger zu werden. Da hätte ich aber auch nicht gedacht, dass ich heute noch Handball spiele. Jetzt müssen wir bei der Europameisterschaft Zweiter werden, um doch nach Athen zu fahren. Das ist schon hammerhart. Ich weiß auch nicht, ob ich dann noch dabei bin. Ich habe aber noch den Traum. Einen Traum muss man doch immer haben.
SPIEGEL ONLINE: Wurmt es Sie denn, diese beiden Titel nicht geholt zu haben?
Wislander: Na klar. Es ist schon ärgerlich, weil wir 1996 die beste Mannschaft hatten, keiner konnte uns eigentlich schlagen. Dann haben wir im Finale gegen Kroatien die ersten 15 Minuten total verpennt und dann war es schon vorbei. Mich ärgert, dass die ganze Mannschaft in einem Endspiel nicht voll dabei war.
SPIEGEL ONLINE: Wie war es damals für Sie, als Sie nach Deutschland kamen? In Schweden waren Sie neben Ihrer Handballkarriere Postbote von Beruf.
Wislander: Ich war eigentlich sehr zufrieden mit meinem Job. Das hat alles gut zusammengepasst. Als das Angebot aus Kiel kam, musste ich zuschlagen. Es war nicht normal, dass man als Handballer Angebote wie am Fließband bekam.
SPIEGEL ONLINE: Wollten Sie wegen der Nähe zu Göteborg immer in Kiel bleiben oder haben Sie daran gedacht, in den Süden zu gehen?
Wislander: Ich hatte damals Angebote aus Spanien, aber mit unserer kleinen Tochter hatten wir keine Lust, dorthin zu ziehen. Das war ein bisschen gefährlich, ich bin kein Spanien-Freund. Deutschland hat uns sehr gut gepasst. Die Entfernung von Kiel nach Göteborg war natürlich optimal. Aber es lag nicht nur daran. Es war ein Angebot von einem guten Verein. Ich war der erste Schwede in der Bundesliga, das hat mich ein bisschen gelockt.
SPIEGEL ONLINE: Wünschen Sie sich manchmal wieder nach Kiel zurück?
Wislander: Wir haben uns sehr, sehr wohl in Kiel gefühlt und haben dort viele Freunde. Selbstverständlich denkt man daran oft und auch an den Handball. Wir spielen hier in Göteborg vor 1200 Zuschauern. In der Kieler Ostseehalle waren es 10.000.
SPIEGEL ONLINE: Können Sie sich noch an Ihre Abschiedsgala erinnern?
Wislander: Das war etwas Einmaliges. Das zu bekommen, war ein tolles Geschenk. Der ganze Tag und der ganze Abend waren die Krönung für mich. Das Allerbeste nach zwölf tollen Jahren in Kiel. Einen besseren Abschied kann man sich gar nicht vorstellen. Das vergesse ich nie.
SPIEGEL ONLINE: Mit Martin Boquist wechselte ein Spieler ihres jetzigen Arbeitgebers vor der Saison nach Kiel. Werden sie in Zukunft eine Art schwedischer Scout für den THW?
Wislander: Nein, ich glaube nicht. Das braucht man nicht. Man muss die Leute nicht jagen, jeder kennt die guten Spieler. Es gibt diese hässlichen Agenten, die schon die 16-jährigen unter Vertrag nehmen. Das finde ich nicht gut.
SPIEGEL ONLINE: Geben Sie den jungen Spielern Ratschläge oder sogar Tipps, nach Deutschland zu gehen?
Wislander: Ja, natürlich. Ich fahre auch durch Schweden und sage den jungen Spielern, dass sie doch zu Redbergslids gehen sollen und dass es ein super Verein ist. Dann ist die Tür für jedes Abenteuer offen. Und wenn sie mich dann fragen, dann empfehle ich selbstverständlich den THW.
SPIEGEL ONLINE: Welche Tätigkeit können Sie sich nach dem Ende Ihrer Karriere vorstellen?
Wislander: Vielleicht werde ich Trainer, wenn die Kinder ausgezogen sind. Dann hat man vielleicht Lust, im Ausland weiter zu machen. Wenn ich im Ausland arbeiten würde, dann wäre es schön, wieder nach Kiel zu kommen und eine gute Mannschaft zu trainieren. Vielleicht arbeite ich aber auch ein Jahr als Trainer und hab dann überhaupt keine Lust mehr oder es funktioniert nicht.
SPIEGEL ONLINE: Was sagen Sie zum Höhenflug der deutschen Handball-Nationalmannschaft, die bei der diesjährigen WM Zweite wurde?
Wislander: Für mich ist das keine Überraschung. Ich hätte es schon vor fünf, sechs Jahren erwartet, dass die Deutschen den letzten Schritt machen, der noch gefehlt hat, um international ganz vorne dabei zu sein. Ein Finale zu verlieren, ist keine Schande. Der Welthandball ist so eng zusammengerückt. Wenn Sie das nächste Endspiel nicht verlieren, haben sie bewiesen, dass sie eine Weltklasse-Truppe sind.
SPIEGEL ONLINE: Welche deutschen Spieler mögen Sie vom Typ her? Eher die schrillen wie Stefan Kretzschmar oder die ruhigen wie Pascal Hens oder Frank von Behren?
Wislander: Ich mag beide Typen. Kretzschmar ist ein sehr, sehr guter Handballer, einfach Weltklasse.
SPIEGEL ONLINE: Was halten Sie von seinem Styling? Er liebt ja Piercings und Tätowierungen.
Wislander: Das ist seine Sache. Ich mag das grundsätzlich nicht. Er soll aber jeder so herumlaufen, wie er möchte. Und solange es sein Handballspiel nicht beeinflusst, ist es kein Problem.
SPIEGEL ONLINE: Wäre es für Sie ein Problem, bald aufzuhören? Ohne olympisches Gold und den Sieg in der Champions League.
Wislander: Ich spiele so lange, wie es mir Spaß macht und ich die Leistung bringe. Ich habe mir nie ein festes Datum gesetzt. Das hängt von der Tagesform ab. Ich kann nicht sagen, wann ich endgültig aufhöre. Momentan sage ich, dass ich noch Lust habe, ein Jahr zu spielen.
Das Interview führte Markus Meyer, Göteborg