Handball-Bundesliga: Rekordetat trotz Krise
Wirtschaftskrise hin - Konjunkturflaute her: Vor dem Start am Freitag in die 27. Saison der Handball-Bundesliga protzen die 18 Vereine mit einem Rekordetat von geschätzten rund 46 Millionen Euro. In Zeiten leerer Kassen und steigender Arbeitslosigkeit erhöhte die stärkste Liga der Welt ihr Budget um drei Millionen Euro oder rund sieben Prozent, obwohl nach der Gründung der Eigenständigkeit einige Stützpfeiler wie beispielsweise der TV-Vertrag noch nicht stehen. Die Saisonplanung der Klubs steht teilweise auf wackligen Füßen. "Viele haben ihren Etat ausgereizt. Ich hoffe, dass es nicht zu Einbrüchen kommt. Auch dürfen die Sponsoren weder abspringen noch zahlungsunfähig werden", sagt Bundesliga-Chef Heinz Jacobsen und mahnt: "Die Vereine sind aufgerufen, so zu wirtschaften, dass sie nicht über ihre Verhältnisse leben." Selbst Meister TBV Lemgo muss um jeden Euro kämpfen. "Ärmel, Rücken und der Hallenboden sind noch nicht vermarktet. Handball ist ein tolles Produkt, aber es war noch nie so schwer, an das Geld anderer zu kommen", sagt TBV-Manager Fynn Holpert. Sportlich dagegen muss sich der frühere Nationaltorhüter keine Sorgen machen. Die Ostwestfalen, die in der vergangenen Saison mit der Rekordbilanz von 62:6 Punkten Meister wurden, werden mit dem Gerüst der deutschen Nationalmannschaft auch 2003/2004 als Topfavorit gehandelt. "Die Mannschaft ist eingespielt, es passt alles. Der TBV ist Favorit, aber an einen Alleingang wie im Vorjahr glaube ich nicht", sagt Bundestrainer Heiner Brand. Lemgos Meister-Coach Volker Mudrow freilich will von einer Favoritenrolle partout nichts wissen und räumt gleich sieben Mannschaften Titelchancen ein. Für den neuen Flensburger Coach Kent-Harry Andersson sind der TBV und der THW Kiel erste Meister-Anwärter. Über "seine" SG verliert der Schwede kein Wort. Die 18 Bundesliga-Trainer prophezeien ein Duell zwischen dem "TBV Deutschland" und Vizemeister und DHB-Pokalsieger SG Flensburg-Handewitt. 16 Sportlehrer nannten Lemgo und Flensburg in einer Umfrage als neuen Titelträger, darunter auch Michael Roth vom Aufsteiger SG Kronau/Östringen. Neben den beiden potenziellen Titelanwärtern werden der runderneuerte THW Kiel (fünf Mal), Champions-League-Teilnehmer SC Magdeburg (4) trotz des Wechsels von Weltklassespieler Olafur Stefansson nach Spanien zu Ciudad Real, Pokalfinalist Tusem Essen (3), HSV Hamburg und VfL Gummersbach (je 2) genannt. Der deutsche Rekordmeister aus dem oberbergischen Land und das Team aus der Hansestadt haben personell mächtig aufgerüstet. Der VfL verstärkte sich unter anderem durch den deutschen Nationalspieler Frank von Behren (Minden), den Franzosen Cedric Burdet (Montpellier) und Alexander Mierzwa (Großwallstadt), der HSV lotste die Nationalspieler Torsten Janden
(Nordhorn) und Pascal Hens (Wallau-Massenheim) nach Hamburg. Dabei sorgte Hens für ein Novum in der Eliteklasse. Der 48-malige DHB-Auswahlspieler beendete den Ablösestreit selbst und kaufte sich aus seinem bis 2004 laufenden Vertrag in Wallau frei. Aus eigener Tasche zahlte der 23-Jährige 35.000 der insgesamt 125.000 Euro Ablöse an seinen Verein Wallau-Massenheim. Der sprunggewaltige Rückraumspieler kann die Investition verkraften, verdient er doch beim HSV bis 2007 brutto 1,5 Millionen Euro. Mächtig investiert hat auch der zehnmalige Titelträger THW Kiel. Das Team wurde durch fünf Zugänge, die Schweden Martin Boquist und Markus Ahlm, den Slowenen Roman Pungartnik, DHB-Auswahlspieler Christian Zeitz von den "Kröstis" und Adrian Wagner praktisch runderneuert.
Gesenkt haben die Etats nur der ThSV Eisenach nach überstandenem Insolvenzverfahren von 1,8 Millionen auf 1,5 Millionen Euro und die HSG Nordhorn, die in der vergangenen Saison ebenfalls in schwere wirtschaftliche Turbulenzen geraten war. Am Ende der Geldrangliste steht der VfL Pfullingen, der mit 950.000 Euro noch nicht einmal die Millionen-Grenze überschreitet. Rund 150000 Euro mehr hat der Stralsunder HV für seine erste Spielzeit in der "stärksten Liga der Welt" zur Verfügung. Die SG Kronau/Östringen verdoppelte ihren letztjährigen Zweitliga-Etat auf rund 1,5 Millionen Euro.
(c) dpa/Rhein Neckar Zeitung (Hasso Waldschmidt)