Sport1-Interview mit Bob Hanning: "Die Solidarität hört an der eigenen Türschwelle auf"
Sport1:
Herr Hanning, seit sechs Wochen sind Sie nun Trainer des HSV Handball. Ihr Rücktritt bei der SG Willstätt/Schutterwald war noch nicht publik, da stand der Wechsel nach Hamburg in einer Nacht- und Nebel-Aktion schon fest. Haben Sie mittlerweile Zeit gehabt, wahrzunehmen, was überhaupt passiert ist?
Bob Hanning:
Nein. Es ging alles viel zu schnell. Noch immer lebe ich im Hotel, und zuletzt war ich auch bei der WM in Portugal. Deswegen habe ich bislang noch viel zu wenig von der Stadt genießen können. Aber das kommt noch. Ganz sicher.
Sport1:
Sie haben den HSV als Schlusslicht übernommen, und auf Anhieb 5:1 Punkte in Folge geholt. Ein Traumstart. Wie haben Sie nun die WM-Pause mit dem Team genutzt?
Bob Hanning:
Zunächst einmal muss man sagen, dass ich auf einem Fundament aufbauen konnte. Mein Vorgänger Anders Fältnäs hat viel bewegt in Hamburg. Ich habe mir jetzt ein sehr intensives Bild von der Mannschaft gemacht. Es ist gut, das Team in drei Partien unter Stress erlebt zu haben. Auf Grund dieser Erfahrungen haben wir auch schon auf dem Transfermarkt reagiert. Mit Torsten Jansen können wir den Abgang von Adrian Wagner sehr gut kompensieren. Und Morten Bjerre ist der erfahrene Mann für den Rückraum, den wir gesucht haben. Nun wollen wir noch einen Rückraumspieler haben. Natürlich haben wir aber auch intensiv trainiert. Wir haben die Zeit sehr gut genutzt.
Sport1:
Ihr letzter Verein SG Willstätt/Schutterwald und der HSV standen zurzeit Ihres Wechsels auf Abstiegsplätzen. Kann man beide Klubs vergleichen?
Bob Hanning:
Nein, natürlich nicht. Ich habe mich in Baden sehr wohl gefühlt. Aber Hamburg ist eine Weltstadt, mit einem ganz anderen Medieninteresse als das es die SG jemals bekommen wird. Es sind zwei verschiedene Welten in einer Liga.
Sport1:
Um den HSV gab und gibt es böse Gerüchte, was die finanzielle Situation angeht. Haben sich diese bestätigt? Bob Hanning:
Nun, die Bundesliga-Klubs haben immer gesagt, sie wollten dem HSV helfen, aber in der Liga hört die Solidarität an der eigenen Türschwelle auf. Mich haben die Gerüchte auch beschäftigt. Aber wer solch eine Möglichkeit bekommt, etwas zu bewegen, sollte sich mit den positiven Dingen beschäftigen.
Sport1:
Hat sich denn das Image des HSV geändert?
Bob Hanning:
In jedem Fall. Wir könnten mittlerweile drei bis vier Bundesliga-Mannschaften auf verschiedenen Niveau-Stufen zusammenstellen. So viele Spieler haben sich selbst oder sind uns über Vermittler angeboten worden. Wir haben die schönste Halle und eine Traum- Stadt. Zudem gibt es ein angenehmes Gehalts-Gefüge, welches aber nicht, wie von vielen behauptet, übertrieben ist. Wir wachsen zu einer guten Adresse heran.
Sport1:
Auch die Mannschaft befindet sich im Umbruch. Vielfach wird salopp davon gesprochen, der HSV wolle die Liga leer kaufen.
Bob Hanning:
Es ist schon amüsant, so etwas zu hören. Wenn in der Kieler Presse von ruinösen Vertragsgesprächen die Rede ist, kann ich das nur belächeln. Früher hat man genau das dem THW vorgeworfen, nun uns. Darüber kann ich nur lachen. Wir haben eine gute Mannschaft, die wir noch punktuell verstärken werden. Einen Spieler werden wir zur neuen Saison noch holen. In dieser Serie hat jeder Spieler noch die Chance, sich zu präsentieren für die Zukunft. So, wie sich die Spieler derzeit bewegen, ist auch mit ihnen plus Verstärkungen einiges machbar.
Sport1:
Spürt man die Bewegung im Umfeld?
Bob Hanning:
Überall. Es ist eine Begeisterung entstanden. Alle sind heiß und alle sind hungrig in dieser Stadt, dass sich etwas bewegt.
Sport1:
Nun heißt der erste Gegner nach der WM-Pause Kiel. Kein angenehmer Konkurrent, wenn man nicht weiß, wo man steht.
Bob Hanning:
Ähnlich war die Situation für mich vor dem Spiel gegen Magdeburg. Kiel hat 19:1 Punkte geholt, und jetzt wird es Zeit, dass der THW wieder verliert.
Sport1:Von Respekt keine Spur also.
Bob Hanning:
Wir haben eine breite Brust, und wir sind selbstbewusst. Sicher wissen wir, dass wir noch nicht so weit sind wie der THW Kiel. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mal letzter waren. Dafür gibt es Gründe. Aber wir arbeiten daran, dass es nicht mehr so weit kommt. Angst vor großen Namen haben wir in keinem Fall. Die Color-Line-Arena soll unsere Festung werden. Das muss auch Kiel zu spüren bekommen.
Sport1:
Welche Ziele haben Sie sich für die Rückserie gesteckt? Bob Hanning:
Wir wollen noch einen einstelligen Tabellenplatz erreichen. Zudem wollen wir in den Abwehr-Statistiken unter die besten Drei kommen, und wir wollen uns im Angriff weiterentwickeln und die Mannschaft auf die neue Saison vorbereiten.
Sport1:
Mittelfristig will der HSV oben angreifen. Wie sehen die Pläne aus?
Bob Hanning:
Nun, im nächsten Jahr wollen wir zwischen fünf und acht mitspielen. Das traue ich der Mannschaft dann auch zu. Im zweiten Jahr dann wollen wir uns Richtung Europapokal orientieren. Von der Zielsetzung im dritten Jahr träume ich bereits, aber Träume soll man nicht unbedingt sofort Preis geben.