Leichtathletik WM - Das Desaster von Budapest

  • 49 Entscheidungen, Deutschland glänzt mit 0 Medaillen

    Ein historisches WM-Debakel...

    Die deutsche Presselandschaft reagierte unmissverständlich und gnadenlos in der Betrachtung und Analyse:

    • RND: "Leichtathletik-Debakel perfekt: keine deutsche WM-Medaille in Budapest"
    • Bild: "Zum ersten Mal keine WM-Medaille für unsere Leichtathleten: Die Deutschland-Schande!"
    • Süddeutsche Zeitung: "Leichtathletik-Weltmeisterschaften: Historische Nullnummer"
    • ARD-Sportschau: ""Worst Case" – Deutsche Leichtathleten ohne WM-Medaille"
    • ZDF: "Leistung okay, Medaillen null"

    Verbandspräsident Jürgen Kessing wird mit den Worten zitiert: "Wir sind nicht hierhergekommen, um wieder mit leeren Händen nach Hause zu gehen". Der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik Verbands (DLV) resümierte, man "habe in vielen Disziplinen den Anschluss an die Weltspitze verloren", um nüchtern festzustellen:

    "Die Weltspitze hat sich signifikant weiterentwickelt. Selbst ein deutscher Rekord reicht nicht zur Medaille."

    Aber die Athleten hatten bestimmt gaaaaaaanz viel Spaß!



  • So kann man es natürlich auch beschreiben 😉 :

    Auch der Vize-Europameister, der mit Lückenkemper zusammen zum Teamkapitän des deutschen Teams in Budapest gewählt wurde, glaubt nicht, „dass wir aktuell zu schlecht sind. Vielleicht ist die internationale Konkurrenz einfach zu stark.“

  • Aber die Athleten hatten bestimmt gaaaaaaanz viel Spaß!



    Ich finde diese Aussage herablassend.

    Alle Athleten, die in Budapest angetreten sind, haben ihr Bestes gegeben. Es hat eben nicht erreicht.

    In meinen Augen müssen wir als Gesellschaft entscheiden, was uns wichtig ist. Der einzelne Sportler ist nicht die Ursache des Problems.

  • Bei der ehemaligen IAAF auf worldathletics.org/ gibt es eine Auswertung (neben dem - in meinen Augen - unsäglichen Medaillenspiegel) nach Finalplatzierungen, also der Ränge 1 bis 8. Dort liegt Deutschland in so genannten "Placingtable" auf Position 12 nach 16 in Eugene, Oregon letztes Jahr mit einer leichten Punktesteigerung. Insgesamt 70 Nationen sind hier vermeldet (von ich glaube 202). Ich weiß, nur Edelmetall zählt, aber auch diese Art der Auswertung sagt einiges aus.

    Geht man noch ein bisschen weiter zurück, fällt zum Beispiel auf, dass China zuvor immer/meist unter den Top 3 bis 6 zu finden war, jetzt trotz zweier Medaillen auf Platz 13 hinter Norwegen, vor Polen und Frankreich angesiedelt ist.

    Es gibt also für beide Betrachtungsweisen, "Schande" oder "Beschwichtigung" gute Gründe. Einzelne Ausfälle, wie der von in meinem Verein angesiedelten Maleika Mihambo sollten vielleicht nicht angeführt werden, denn auch bei anderen Nationen gab es sicherlich Substanzverluste. Dann stellt sich noch die Frage, was ist "Weltspitze" oder "Weltklasse"? nur die ersten drei. Oder alle Finalteilnehmer? Für mich sind es eigentlich alle, die die hohen Qualifikationsnormen überhaupt schaffen, denn es gibt ein große Anzahl an Sportlern, die nie so weit kommen, auch wenn die Basis in vielen etlichen westlichen Ländern immer schmäler wird, die finanziellen Aussichten nicht gerade rosig erscheinen, anders als zum Beispiel in den USA oder auch Kenia. aber wie viele kommen auf die, die es schaffen, und dabei gnadenlos durchs Raster fallen?

    Im Anfang war das Nichts - und das ist dann explodiert." (Terry Pratchett)
    1990 + 1974 - 1954 = 2010  (nur ein kleiner RECHENFEHLER)

  • Die DLV ist leider schon mehrere Jahre auf sinkenden Kurs. Das Problem ist einfach, die Weiten, Zeiten oder Punkte, die früher für eine Medaille gereicht haben, sind heute nicht mehr dafür ausreichend. Die andere Nationen sind da einfach besser geworden. Wenn ich an die Leichtathletik-WM nach unserer Wiedervereinigung denke (war 1991) hatten wir dort 17 Medaillen (5 Gold, 4 Silber und 8 Bronze). 2007 in Osaka hatten wir noch 7. Und dann hatten wir nur noch eine einstellige Anzahl an Medaillen. 2022 in Eugen hatten wir nur 2 Medaillen insgesamt gehabt, tja das hier ist nun die erste WM ohne Medaille seit der Wiedervereinigung.

  • interessante Verschiebungen. Indien schafft es in der 4 x 400 Staffel ins Finale.Deutschland nicht. Letztlich kann man von der Leichtathletik nicht leben. Man schaue auf die Niederlande. Auch dort wohl wie im Handball die Konzentration auf ein nationales Zentrum. Bei uns kommen die Athleten aus einem Sammelsurium an Dorfvereinen.

    DLV beruft 75 Athletinnen und Athleten ins WM-Team für Budapest
    Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat sein Team für die Weltmeisterschaften 2023 finalisiert. Nominiert wurden 37 Athletinnen und 38 Athleten. Die…
    www.leichtathletik.de

    Beispielsweise der Diezer TSV Oranien, Hamburger Laufladen,LV erzgebirge). Die bekannten Trainer sind im Rentenalter. (eben in Diez W.Heinig mit 72, volker Beck 67).

    Jeder Verein hat seine Spitzenleute, die man an einer Hand abzählen kann. Man sieht ja,was möglich ist, wenn Riesentalente in die USA gehen, wie Klosterhalfen.

    Der Artikel fasst es gut zusammen

    link

    und medial ist die LA doch komplett verschwunden. Wer kriegt was con deutschen Meisterschafte mit.

    Schade, schade.

  • Es ist ja nicht so, dass alle übrigen Nationen den Deutschen weit enteilt wären und in der Breite der Leichtathletikdisziplinen klar besser arbeiten würden als der DLV. In der Regel sind es einzelne Disziplinen in denen sich um Ausnahmetalente herum eine Leistungssportgruppe entwickelt und entsprechend gefördert wird. Die Jamaikaner bestimmen die Sprint-Disziplinen, Äthiopien dominiert die Langstrecken, die Spanier haben bei den Gehern alle Medaillen abgeräumt, die Niederländer haben das Ausnahmetalent Femke Bol über 400m und eine Sifan Hassan, die aber ehrlich gesagt genauso in einem anderen europäischen Land hätte landen können. Deutschland hat in der Vergangenheit in den Wurfdisziplinen (Hammer, Diskus, Speer) oft die Medaillen gewonnen.

    Aber welche Nation (außer vielleicht den USA mit ihrer professionellen College-Ausbildung) ist in der Breite aller Leichtathletik-Disziplinen vorne dabei?

    Schaut man auf U20 WW 2022 und U20 EM 2023 dann gibt es durchaus Grund zum Optimismus für den olympischen Zyklus 2024-2028.

  • Wie von pko schon richtig gesagt, ist die Sache ein bisschen komplexer, zumal es ja durchaus Disziplinen gibt, wo diesmal einiges an Pech und Verletzungen zusammenkam. Weitsprung Frauen haben wir die beste Athletin der letzten 5 Jahre, verletzt, Klosterhalfen und Krause verletzt, beim Speerwerfen der Männer Platz 4 und ebenfalls Verletzungen, Zehnkampf ebenfalls Pech mit zwei Medaillenkandidaten für die nächsten Jahre.

    ....und viel mehr holt Deutschland seit vielen Jahren doch sowieso nicht und das ist bei den Mitteln die man ausgibt auch folgerichtig. Ich möchte die Diskussion mal sehen, wenn man das Geld in die Hand nehmen würde, was an Investitionen nötig wäre, um Deutschland zu einer führenden Sportnation zu machen. Ich habe dann lieber so etwas wie das Deutschlandticket oder andere sinnvolle Sachen. ;)

    Ich habe ja einfach Spaß am Sport und wenn ein Halbfinale eine gute Leistung für den deutschen Athleten darstellt, kann man das doch auch würdigen. Man bekommt außerhalb der Flaggenzugehörigkeit ja ansonsten spektakuläres geboten.

  • Wie von pko schon richtig gesagt, ist die Sache ein bisschen komplexer, zumal es ja durchaus Disziplinen gibt, wo diesmal einiges an Pech und Verletzungen zusammenkam. Weitsprung Frauen haben wir die beste Athletin der letzten 5 Jahre, verletzt, Klosterhalfen und Krause verletzt, beim Speerwerfen der Männer Platz 4 und ebenfalls Verletzungen, Zehnkampf ebenfalls Pech mit zwei Medaillenkandidaten für die nächsten Jahre.

    ....und viel mehr holt Deutschland seit vielen Jahren doch sowieso nicht und das ist bei den Mitteln die man ausgibt auch folgerichtig. Ich möchte die Diskussion mal sehen, wenn man das Geld in die Hand nehmen würde, was an Investitionen nötig wäre, um Deutschland zu einer führenden Sportnation zu machen. Ich habe dann lieber so etwas wie das Deutschlandticket oder andere sinnvolle Sachen. ;)

    Ich habe ja einfach Spaß am Sport und wenn ein Halbfinale eine gute Leistung für den deutschen Athleten darstellt, kann man das doch auch würdigen. Man bekommt außerhalb der Flaggenzugehörigkeit ja ansonsten spektakuläres geboten.

    Das ist ja sehr romantisch geschrieben , hat aber mit der Realität nichts zu tun.

    Natürlich leisten auch die im Halbfinale etc super sportliche Leistungen bzw ist es schon ne Leistung, wenn man sich überhaupt dafür qualifiziert.

    Aber Sponsoren etc interessieren ein Halbfinale o.ä. übehaupt nicht !

    Wenn im übertragenen Sinne die SG nur im Mittelfeld landen würde , würden die Sponsoren etc auch auf Dauer Sturm laufen etc etc .

    Im letzten Jahr hat doch auch jeder gemeckert , weil die SG im Viertelfinale rausgeflogen ist .

    Man kann ja auch sagen , dass ein Viertelfinale doch gut und eine klasse Leistung ist .

    Bei der SG erwartet man halt mehr und so ist das bei Athletinnen und Athletin aus Deutschland auch .

    Das Deutschland nicht eine ! Medaille holt , sollte schon mehr als zu denken geben . Zumal das seit Jahren bergab geht

  • Schön wäre es ja, wenn es daran läge, dass in der deutschen Leichtathletik weniger medizinisch nachgeholfen würde.

    Jag går och fiskar

    och tar en tyst minut

  • Der Fehler beginnt bei der Führung. Letztes Jahr sangen sie Loblieder auf die vielen EM-Medaillen. Realistische Einschätzung wäre gewesen: 1. Nach-Olympiajahr, in dem viele Top-Leute locker machen, 2. WM-Jahr. Somit WM Ziel Nr.1 bei den Top-Leuten. 3. CommonwealthGames-Jahr. Was die Briten der EM vorzogen. Nur bei den Deutschen war die EM Ziel Nr.1. Das damalige WM-Desaater wurde immer mit Aufbau für die EM begründet.

    Lückenkemper lobte man bspw. für Doppel-Gold und in der Weltrangliste war sie irgendwo um Platz 30. Anstatt die Leistung "11 sec ist international nix wert" realistisch einzuordnen, erweckte man falsche Hoffnungen für die WM. Ohne 3 Starter/Nation wäre sie nichtmal in einem WM-Halbfinale.

  • Der Fehler beginnt bei der Führung. Letztes Jahr sangen sie Loblieder auf die vielen EM-Medaillen. Realistische Einschätzung wäre gewesen: 1. Nach-Olympiajahr, in dem viele Top-Leute locker machen, 2. WM-Jahr. Somit WM Ziel Nr.1 bei den Top-Leuten. 3. CommonwealthGames-Jahr. Was die Briten der EM vorzogen. Nur bei den Deutschen war die EM Ziel Nr.1. Das damalige WM-Desaater wurde immer mit Aufbau für die EM begründet.

    Lückenkemper lobte man bspw. für Doppel-Gold und in der Weltrangliste war sie irgendwo um Platz 30. Anstatt die Leistung "11 sec ist international nix wert" realistisch einzuordnen, erweckte man falsche Hoffnungen für die WM. Ohne 3 Starter/Nation wäre sie nichtmal in einem WM-Halbfinale.

    International nichts wert ist aber auch so eine Sache. Es war bei der EM auch jetzt nicht so, dass die gesamte europäische Spitze abwesend war, einige Titel wie der von Klosterhalfen waren objektiv stark.

    Nur ist es vor allem in Disziplinen wie den kurzen Sprintsachen meistens so, dass der Europameister hier häufig nicht viel anzumelden hat. Lückenkempers EM-Titel in eine Erwartungshaltung für WM umzumünzen zeugt für meine Begriffe eher von Unkenntnis als allem anderem. Das sie eines der Gesichter der deutschen Leichtathletik ist, ist klar, aber bis auf die Staffel sind bei einer WM keine Sprintmedaillen zu erwarten und auch hatten wir bei den Damen keine Bestbesetzung am Start von wegen Verletzungen.

  • Die erste Frage sollte ja nicht sein "49€-Ticket oder Spitzenförderung in der Leichtathletik", sondern "wie kann man mit den vorhandenen Mitteln mehr rausholen"

    Dann meiner Meinung nach nur mit Konzentration auf einige Felder wie zum Beispiel Wurfdisziplinen oder 10/7Kampf als Beispiele.

    Bedeutet im Umkehrschluss massive Kürzung bei Laufdisziplinen usw.

    So würd das klappen, wie bei anderen Nationen auch. Aber das zu vermitteln ist schwierig vermute ich. Meiner Meinung nach ist mit dem jetzigen Mitteln on den letzten Jahren viel erreicht worden. Diesmal kam halt einiges negatives zusammen.

  • Klosterhalfen ist mit 21 als deutsche Meisterin und mit Medaillen im Jugend-Bereich dann in die USA gegangen, ähnlich wie Lückenkemper. Da von 0 zu sprechen ist faktisch nicht richtig. Wenn sie dort mit 13, 14 hingehen, gerne. Grundsätzlich kommen die meisten aber in Deutschland meist nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn man richtig weit will, sind die Trainingsgruppen, die oft sehr international sind, sehr erfolgreich.

    In vielen Sportarten kann man sehen, dass eine Konzentration von Talent ein leistungsförderndes Element ist. In Deutschland ist z.B. ein Tobi Angerer im Langlauf extra jede Woche aus dem tiefsten Bayern nach Oberhof zum Training gefahren, weil er wusste, dass dort mit z.B. mit Axel Teichmann ein internationaler Spitzerläufer trainiert, an dem er sich messen kann, während er in Bayern keine vergleichbaren Trainingspartner hatte. Im Schwimmen wollte der damalige Bundestrainer nach ausbleibenden Erfolgen auch eine Konzentration der Talente erreichen, ist aber am Widerstand der Athleten gescheitert, die alle lieber verteilt für sich trainieren wollten.