• Folgende Situation, nicht aus erster Hand:

    Jugendspiel gestern auf Landesverbandsebene. Gastmannschaft liegt zur Halbzeit mit fünf Toren zurück, über deren Shooterin starten sie eine Aufholjagd und erzielen den Ausgleich fünfzehn Minuten vor Schluss. Beim Torwurf zum Ausgleich kommt es zu einem Zusammenprall mit der Abwehrspielerin. Beide stürzen, Angreiferin steht auf, Abwehrspielerin bleibt liegen. Schieri hat kein Offensivfoul gesehen und gibt das Tor.

    Nun wird es bunt. Ein Erwachsener, wohl der Vater der Abwehrspielerin, rennt auf das Spielfeld auf die Torschützin zu, wird definitiv laut und soll auch den Arm erhoben haben. Zwölfjährige Spielerin rennt weg und fängt an zu heulen. Das Spiel wird irgendwann fortgesetzt, die Haupttorschützin der Gäste ist konsterniert, steht neben sich, trifft in letzter Minute noch ein einziges Mal (bis dahin 10 Tore). Heimverein gewinnt mit vier Toren. Gastverein legt meines Wissens keinen Einspruch ein.

    Geldstrafen, Hallenverbote, Zivil- und Strafrecht mal außen vor. Die Heimmannschaft gewinnt das Spiel! Das hätte natürlich abgebrochen werden müssen, wurde es aber nicht. Punkte wären weg gewesen.

    Die IHF Regeln keinen keinen Spielabbruch. Die Spielordnung verteilt die Punkte an den Gegner, wenn das Spiel schuldhaft abgebrochen wird. Die Rechtsordnung verweist auf die Spielordnung, regelt die Kostentragung und gibt einen finanziellen Strafrahmen vor.

    Wann ich als Schieri das Spiel abbrechen muss, darf, sollte... finde ich nirgends. Und keine Mannschaft kann offenbar darauf pochen, denn es gibt keinen Anspruch auf Spielabbruch. Provoziere ich als Trainer den Spielabbruch, muss die Spielleitende Stelle entscheiden. Kann in dem Fall auch nach hinten losgehen.

    Empfinde nur ich das als Regelungslücke? Und nein, ich sehen auf den ersten Blick keine Handhabe für ein verbandsweites Hallenverbot eines Zuschauers.

    Interessanterweise habe ich in der Hinrunde noch ein Heimspiel gegen jenen Verein mit dem unartigen Zuschauer. Ich werde schon vor dem Spiel ein provokantes Zeichen setzen, dass er das nicht noch einmal versuchen möge.

    "Perfektes Spiel für unruhige Zeiten: Schach und die große Sehnsucht nach Entschleunigung"

    Die hiesige Tageszeitung bereitet uns schon mal auf die Besatzung durch den Ivan vor.

  • Regel 4:1: „Es liegt im Ermessen der Schiedsrichter, ob und wann ein Spiel abzubrechen ist (17:12).“

    Und 17:12:

    „Die Schiedsrichter haben das Recht, ein Spiel zu unterbrechen oder abzubrechen. Vor einer Entscheidung, das Spiel abzubrechen, müssen alle Möglichkeiten zur Fortsetzung des Spiels ausgeschöpft werden.“

    Quelle:https://www.dhb.de//?proxy=redakt…ndball_2022.pdf

    Einmal editiert, zuletzt von Rheiner (26. September 2022 um 15:12)

  • Kommt davon, wenn man mit Textsuche arbeitet. :lol: Habe mit "Abbruch" und "abbrechen" gesucht.

    Danke!

    Ändert aber nichts daran, dass dem Schieri nichts an die Hand gegeben wird, außer dass es die ultima ratio bleiben soll. Keine Fallbeispiele, keine Tatbestandsmerkmale, nur der kryptische Hinweis auf die alternativen "alle Möglichkeiten".

    "Perfektes Spiel für unruhige Zeiten: Schach und die große Sehnsucht nach Entschleunigung"

    Die hiesige Tageszeitung bereitet uns schon mal auf die Besatzung durch den Ivan vor.

  • Ohh, es gibt schon mögliche Gründe, wo ein Spiel abgebrochen werden kann. Aber Rheiner hat es ja schon gesagt, erstmal hat der Spielgedanke Vorrang und die Schiedsrichter haben die Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Spielabbruch zu verhindern (17:12).

    Der erste Grund ist Ausfall der Beleuchtung. Aber hier muss erstmal gewartet werden, ob man den Schaden beheben kann und ob eventuell die Lichtverhältnisse trotzdem ausreichen, um das Spiel noch fortzusetzen.

    Der nächste Grund hatte Mal bei uns zu einem Abbruch geführt: Wassereinbruch. Es gab ein undichtes Dach und dadurch war der Boden so feucht geworden. Wenn man das nicht beheben kann, ist ein Spielabbruch wegen der Verletzungsgefahr unausweichlich.

    Der nächste Grund ist hoffentlich sehr selten und auch hier sollte man vorher alle Möglichkeiten ausschöpfen. Es geht um die Zuschauer-Ausschreitung. Wenn da die Sicherheit von Spieler, Schiedsrichter und Offiziellen nicht mehr gewährleistet ist, können die Schiedsrichter das Spiel abbrechen. Aber: Sie können auch über den Heimverein veranlassen, dass das Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt werden kann.

    Und ein Grund für ein Abbruch könnte die niedrige Anzahl der Spieler einer Mannschaft sein. Sinkt sie unter 5, liegt es im Ermessen des Schiedsrichters, ob sie das Spiel weiterlaufen lassen oder abbrechen (4:1 und 17:12).

  • Der nächste Grund ist hoffentlich sehr selten und auch hier sollte man vorher alle Möglichkeiten ausschöpfen. Es geht um die Zuschauer-Ausschreitung. Wenn da die Sicherheit von Spieler, Schiedsrichter und Offiziellen nicht mehr gewährleistet ist, können die Schiedsrichter das Spiel abbrechen. Aber: Sie können auch über den Heimverein veranlassen, dass das Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt werden kann.

    Das ist mir im Handball neu. Wo finde ich die Regelung dazu ?

  • Das ist so ein Beispiel wo ich als Bezirks/Verbandsverantwortlicher immer predige: "Liebe Schiedsrichter, tragt das bitte alles im Spielbericht ein"

    Ein guter Bezirk/Verband reagiert da, vor allem wenn so etwas öfter vorkommt.

    Allein das unerlaubte Betreten eines Zuschauers wäre eine saftige Geldstrafe wert.

    Ausserdem würde ich als vermeintlich benachteiligter Verein immer erstmal eine Einspruch ankündigen, selbst wenn ich diesen dann nicht einlege. Das sorgt dann aber dafür dass dies "Aktenkundig" ist.

    • Offizieller Beitrag

    Grundsätzlich ist im Handball das Fehlverhalten von Zuschauen von Seiten des Verbandes nicht über den Verein (nur persönlich, falls er Mitglied in einem Handballverein ist) sanktionierbar. Im Gegensatz z.B. zum Fußball fehlt eine Zurechnungsnorm.

    So bleibt die "Krücke" des § 25 (2) RO "Vernachlässigung des Ordnungsdienstes".

    Hier kommt man m.E. bei plötzlichen und für den Ordnungsdienst unvorhersehbaren Aktionen nicht weiter. Wenn z.B. ohne dass es im Vorfeld irgendwelche Hinweise darauf gibt, ein Bierbecher auf das Feld fliegt, ist der Ordnungsdienst nicht vernachlässigt worden, wenn er nach dem Vorfall sofort einschreitet und weitere Vorfälle verhindert.

    Gleiches gilt für verbale Entgleisungen von Zuschauern oder eben auch für das unvorhersehbare Betreten der Spielfläche durch Zuschauer.

    Das Problem ist seit ewigen Zeiten bekannt. Allerdings scheint es so, dass diese Unzulänglichkeit einer generellen Vereinshaftung für Zuschauerverhalten vorgezogen wird.

    In dem vom Zickenbändiger geschilderten Fall hätte ich als Schiri das Spiel abgebrochen. Es ging um ein Jugendspiel. Wenn dort ein Erwachsener ein 12-Jähriges Mädel massiv bedroht, ist eine Spielfortsetzung in meinen Augen nicht zumutbar und auch das falsche Signal.

    Allerdings wird den Schiris bzgl. eines Spielabbruchs ein weiter Ermessensspielraum zugestanden, den sie hier genutzt haben.

    Ein weiteres Problem ist, dass - anders als in anderen Sportarten - den Schiedsrichtern während der Spiele nicht temporär das Hausrecht übertragen wird. So sind sie auf die Zusammenarbeit mit dem heimischen Ordnungsdienst angewiesen, wenn z.B. ein Zuschauer aus Sicht der SR besser die Halle verlassen sollte. Das spielgelt sich auch in den von Funkruf zitierten Hinweisen zum Abbruch wider. Die dort genannte Option, ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortsetzen zu lassen, gilt aben nur eingeschränkt "je nach Veranstaltung". D.h. es muss dafür irgendwelche Rechtsgrundlagen (z.B. im Nutzungsvertrag) geben, denkbar bei Länderspielen, Spielen in vereinseigenen Hallen etc.

  • In dem vom Zickenbändiger geschilderten Fall hätte ich als Schiri das Spiel abgebrochen. Es ging um ein Jugendspiel. Wenn dort ein Erwachsener ein 12-Jähriges Mädel massiv bedroht, ist eine Spielfortsetzung in meinen Augen nicht zumutbar und auch das falsche Signal.

    Ja, da schließ ich mich an.

    Das kann man eigentlich kaum forsetzen. Vor allem nicht, wenn das Mädchen verängstigt/eingeschüchtert ist.

  • das problem mit der ausübung des (möglichen ) hausrechtes ist ja grad die lücke in der handhabung

    des weiteren ablaufes.

    allerdings bewirkt das rufen der polizei mit der bitte der aufnahme einer anzeige (zb. mögliche körperverletzung,beleidigung, bedrohung,nötigung)

    und damit gleichzeitiger aufnahme der personalien des "täters" meist mehr weil die aussenwirkung dann da ist.

    wenn die sta dies für machbar hält, wird sicher immer das "öffentliche interesse" an der strafverfolgung festgestellt.

    ob dies letztlich später verfolgt wird oder eingestellt wird, sei mal dahingestellt.

  • Man kann es wahrlich keinem Schiedsrichter wünschen, in eine solche Situation zu geraten.

    Kommt aber vor, wenn auch selten. Deshalb sind solche Threads ja hilfreich als Handlungsempfehlung. Problem, wie immer in der Schiedsrichterei: Was macht man bei derart seltenen Fällen. Mir ist das auch nicht vorgekommen, aber wenn es dann mal dazu kommt, habe ich mir immerhin spätestens jetzt mal Gedanken dazu gemacht.

  • die problematik geht da ja weiter-

    ich glaub hier im bereich ostwestfalen war doch auch der schieri (oberliga ? ) der sich demensprechend danebenbenommen hatte in seinem vokabular gegenüber spielern-trainern etc.

    selbst da war doch die schwierigkeit dies zu unterbinden, weil ganz einfach der verband in seiner handhabung nett ausgedrückt ein bisschen rückständig war.

    wenn also solche "vorbilder" das schon mehrfach machen können, ermutigt das höcshtens solch "zuschauer" sich auch so

    zu benehmen.

    ich kann auch unabhängig von der abhandlung vor ort - wäre für mich immer ein abbruch- immer nur dazu raten, dass die aussenwirkung das schlimmste für die übeltäter ist- deswegen abbruch und auch polizei zur anzeigenerstattung rufen.

    steht ja auch dann garantiert in der lokalpresse- hilfreich zur abschreckung.