Tor geklaut - Spielwiederholung oder nicht?

  • Helge: Bitte die Diskussion mal den anderen überlassen. :hi:

    Brandaktueller Fall, anhängig beim zuständigen Sportgericht:

    Damenspiel in der zweiten Halbzeit. Spielstand 21:20. Gästespielerin P. trifft sehenswert mit verzögertem Sprungwurf aus der Hüfte zum 21:21 oben ins lange Eck. Schiedsrichterinnen pfeifen das Tor und pfeifen den Anwurf an. Zeitnehmer ändert das Ergebnis zu 21:21 auf der Anzeigetafel. Schieris notieren es wahrscheinlich nicht, im Video ist das jedenfalls zu erahnen, weil beide nur ganz kurz aus dem Bild verschwinden und nichts notiert hatten. Sekretär vermerkt das Tor nicht im elektronischen Spielprotokoll. Dort findet sich später das 21:20 und ein 22:20. Dazwischen ist nur eine DQ vermerkt. Das Tor fehlt.

    Das - korrekte - Zwischenergebnis 21:21 steht etwa drei Minuten auf der Anzeigetafel. Publikum reagiert nicht (war ja Tor), Gastgebertrainer auf der Bank bleibt still (war ja Tor). TTO Gastgeber beim 22:22. Schieris trinken was. Alles im grünen Bereich. Gegen Ende TTO fällt ZN auf, dass Anzeigetafel (22:22) und sein Spielprotokoll (22:21) voneinander abweichen. Kurze Diskussion mit den Schieris. Anzeigetafel wird "korrigiert". Info an Gästebank. Betreuerin hat mitgeschrieben, zeigt auf ihre Notizen und das 22:22. Lange Diskussion. Falsches Ergebnis bleibt bestehen und schleppt sich bis zum Endergebnis 25:24 durch. Gäste gucken später Video vom Spiel dreimal. Sie hatten 25 Tore geworfen, auf die 25 mal ein Anwurf folgte. Dennoch 25:24 verloren.

    Tatsachenentscheidungen sind unangreifbar. Spielentscheidende Regelverstöße können zum Wiederholungsspiel führen. "Spielentscheidend" kann wohl angenommen werden. Aber Irrtum bei der Wahrnehmung oder Irrtum bei der Regelanwendung?

    Regel 9:2 Nach dem Anwurf darf ein Tor nicht mehr annulliert werden (einzige Ausnahme, das Spiel war durch ZN/Delegiertem vor Tor unterbrochen und Schieris haben es nicht wahrgenommen).

    Regel 17:8 Die Schieris sind für das Zählen der Tore verantwortlich.

    Jetzt kommt Ihr. Im Einspruch habe ich die Verletzung von Regel 9:2 gerügt, also einen Regelverstoß. Stellt das Gericht auf 17:8 ab, hätten wir eine Tatsachenentscheidung und die Tabelle bliebe leider "falsch".

    Meine Rechtsmeinung: Denkbar ist sowohl ein Regelverstoß als auch eine fehlerhafte Tatsachenentscheidung. Der geschilderte Sachverhalt hat eine klare Tendenz in die eine Richtung. Ohne Aussage der Schieris und des ZN kann der Fall aber nicht endgültig gelöst werden. Auflösung folgt.

    "Perfektes Spiel für unruhige Zeiten: Schach und die große Sehnsucht nach Entschleunigung"

    Die hiesige Tageszeitung bereitet uns schon mal auf die Besatzung durch den Ivan vor.

  • - Zählung der Tore ist keine Tatsachenfeststellung nach §55 Abs 1 RO
    - Regelverletzung nach 9:3
    - Spielentscheidend im Sinne §55 Abs 2 RO
    - Wiederholungsspiel

  • Zitat

    - Zählung der Tore ist keine Tatsachenfeststellung nach §55 Abs 1 RO


    Der Torpfiff bzw. die Entscheidung zur Korrektur des Ergebnisses könnten Tatsachenentscheidungen sein.

    Zitat

    Welche Meinung hat denn die bevorteilte Mannschaft? Da sollte man sich doch einigen können.


    Der bevorteilte Verein ist nicht Beteiligter des Verfahrens. Der Trainer kann hier angehört werden, wird aber wenig zum Verfahren beitragen können. Beteiligt sind der Einspruchsführer und der Verband als Einspruchsgegner.

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  • Also ich probiere mich mal:

    Auf Grund §34 Abs. 2b ist der Einspruch rechtens, da die SR mit Anpfiff das Tor anerkannt haben. Die Korrektur zu Lasten der Gastmannschaft war der entsprechende Verstoß.
    Da der Spielstand zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folge knapp gewesen ist, ist das entscheidend für den Spielausgang gewesen. Wenn nach §47 Abs.1 alle Kriterien erfüllt sind, greift für mich §55 Abs.1 (Tor wurde mit Anpfiff anerkannt) und Abs.2 (Rückstellung des Spielstands ist spielentscheidend) und somit für mich ein Fall für eine Neuansetzung dieses Spiels.

    Das Erste, was ein Kind lernt, ist gegen den Ball zu treten! Wenn es intelligent ist, nimmt es ihn später in die Hand !!!

    Die Wissenschaftler haben herausgefunden..... und sind auch wieder reingekommen :)

    Politiker sind wie Windeln, man sollte sie oft wechseln, und aus den gleichen Gründen! (Mark Twain)

  • Der Torpfiff bzw. die Entscheidung zur Korrektur des Ergebnisses könnten Tatsachenentscheidungen sein.

    Der Torpfiff ist doch laut Deiner Ausführung überhaupt nicht strittig? Und helf mir auf die Sprünge, finde im Regelwerk die Passage mit "Korrektur des Ergebnisses" nicht. Ich finde Regel 9:3, dass die Mannschaft Sieger ist, die mehr Tor erzielt. Das Zählen der Tore ist Aufgabe der Schiedsrichter und dies ist justiziabel.

  • Hatte ich in ähnlicher Form auch schon (vor der Pause sogar schon). Schiedrichter haben nicht mitgeschrieben (natürlich das Gegenteil behauptet), Fehler im SBO beging ausgerechnet mein Schreiber (Auswärtsspiel), Video, zeigte Treffer klar auf, aber als Beweis nicht zugelassen - also Niederlage mit einem Tor.

    Im Anfang war das Nichts - und das ist dann explodiert." (Terry Pratchett)
    1990 + 1974 - 1954 = 2010  (nur ein kleiner RECHENFEHLER)

  • Die Entscheidung wird sich um den Wiederanpfiff nach dem 21:21, das - erst einmal unterstellte - Verzählen und die Korrektur des Zwischenstands drehen. Im Regelwerk steht in der Tat nichts von "Korrektur des Ergebnisses". Ich habe das Video aber mit eigenen Augen gesehen und genau das ist passiert. Was soll auch sonst geschehen, wenn die Unparteiischen ein anderes Ergebnis auf dem Zettel stehen haben? Unterstellt deswegen, weil im Video die Initiative vom Sekretär ausging, sich die Schieris berieten, mit dem Zeitnehmertisch sprachen und dann die Anzeige geändert wurde. Eine Befragung der Unparteiischen kann aber ein ganz anderes Ergebnis liefern.

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  • Einen ähnlichen Fall gab es letze Saisaon in der 3. Liga Männer Süd. Balingen wirft über das Tor, der Zeitnehmer erhöht den Spielstand, der Sekretär korrigiert später...
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    "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" (Immanuel Kant)

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    „Ein Problem ist halb gelöst, wenn es klar formuliert ist.“ (John Dewey)

  • Endscheidend wir die Aussage der beiden SR sein.
    Als erstes geh ich davon aus das den SR ein Fehler passiert ist, entweder haben beide nicht das Tor mitgeschrieben oder der eine hat und der andere nicht. Jetzt kommt der Sek und sag er hat im Spielbericht ein anderes Ergebnis als auf der separaten Anzeigetafel steht. Dann gleichen die SR mit ihrer Karte ab.
    Fall 1. Haben sie beide das Tor nicht mitgeschrieben, ist für sie klar der Spielbericht stimmt Anzeigetafel nicht -> Anzeigetafel wir korrigiert.
    Fall 2. Hat nur einer Mitgeschrieben, müssen Sie entscheiden was stimmt Spielbericht und eine SR-Karte oder Anzeigetafel und andere SR-Karte. -> Je nach Endscheidung Korrektur Spielbericht oder Anzeigetafel.
    Fall 3. Kann es eigentlich nicht geben, beide haben das Tor notiert und haben den Stand der Anzeigetafel und lassen die auf das Ergebnis des Spielberichtes abändern.

    > Wenn ich SR währe, hätte ich mich an der Anzeigetafel orientiert. Denn wenn die falsch ist tobt normalerweise die Halle. Habe es als ZN/Sek bzw. als MV oder Spieler genug erlebt.

    Habe auch schon erlebt, das defekte Anzeigetafeln das 8. Tor als 9 anzeigen weil untern links die Anzeige defekt war steht es 8:9 wie es der Heimverein und alle Heimfans wissen
    oder doch 9:9 wie die Auswärtsfans denken und die SR wissen es dann auch nicht.....

    - nichts ist unmöglich -
    - solang noch machbar ist -
    - 1:1 in der Nachspielzeti HSV - FCB 2001 -
    :D
    - 1:2 in der nachspielzeit FCB ManU 1999 -
    :mad:

  • Idiotentest bestanden, die nicht unerheblichen Hürden des Formalimus genommen, das Verfahren wird eröffnet. Ist wie ein Ritterschlag. :lol: Und die Jungs arbeiten so schnell, die erste schriftliche Stellungnahme eines Zeugen ist bereits abgenommen.

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  • Gestern ging die Entscheidung ein. And the winner is:

    Zitat

    Zur Überzeugung der Kammer steht damit ein Verstoß gegen die IHF-Regel 9:2 fest. § 55 Abs. 2 RO setzt indes für eine Neuansetzung voraus, dass die Kammer den Regelverstoß auch für spielentscheidend hält. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts stets dann anzunehmen, wenn das Spiel mit einem Tor Unterschied endet. (vergleiche etwa DHB Bundessportgericht, 02/2006) In einer solchen Fallkonstellation ist grundsätzlich von einem spielentscheidenden Regelverstoß auszugehen. Dies ist anzunehmen vor dem Hintergrund, dass bei korrekter Zählung der geworfenen Tore ein anderes Ergebnis (Unentschieden/Sieg der anderen Mannschaft) festzustellen gewesen wäre.


    Mit einem Satz wird die entscheidende Frage, Regelverstoß oder Tatsachenfeststellung, geplättet, so dass wir hier gar keine Diskussionsgrundlage haben. Schade, ich dachte, ich könnte noch was dazu lernen. Weder der Verband noch der Beigeladene (der Heimverein) haben eine Stellungnahme abgegeben noch einen Antrag gestellt. Da war man sich womöglich schon sicher, dass der Einspruch durchgeht.

    Ich muss gestehen, ich habe nicht an den Erfolg des eigenen Einspruchs geglaubt. Sobald die Entscheidung rechtskräftig ist, stelle ich mal meine Rechtsauffassung vor. Soll ja hier keiner abschreiben und Revision einlegen können. :lol:

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    Einmal editiert, zuletzt von Zickenbändiger (21. Dezember 2020 um 15:24)

  • Gestern ging die Entscheidung ein. And the winner is:


    Mit einem Satz wird die entscheidende Frage, Regelverstoß oder Tatsachenfeststellung, geplättet, so dass wir hier gar keine Diskussionsgrundlage haben. Schade, ich dachte, ich könnte noch was dazu lernen. Weder der Verband noch der Beigeladene (der Heimverein) haben eine Stellungnahme abgegeben noch einen Antrag gestellt. Da war man sich womöglich schon sicher, dass der Einspruch durchgeht.

    Ich muss gestehen, ich habe nicht an den Erfolg des eigenen Einspruchs geglaubt. Sobald die Entscheidung rechtskräftig ist, stelle ich mal meine Rechtsauffassung vor. Soll ja hier keiner abschreiben und Revision einlegen können. :lol:


    Steht doch drin, Regelverstoß. Ist auch logisch, ob ein Tor anerkannt wird oder nicht ist eine Tatsachenentscheidung, ein bereits anerkanntes Tor durch unkorrekte Zählung wieder abzuerkennen ist ein Regelfehler. Ein anerkanntes Tor kann nur bis zum Wiederanpfiff zurückgenommen werden, danach nicht mehr.

    Eine 100%ige Wahrheit gibt es ebensowenig wie 100%igen Alkohol. (S.Freud)

  • Das stimmt wohl, Helge. Ich hadere mit dem subjektiven Tatbestand. Dogmatisch will mir das nicht einleuchten und erkläre mir das so, dass das gegenteilige Ergebnis halt nicht gewollt ist. Ich erinnere mich dunkel an das Skandaltor beim Fußball vor Urzeiten, als Nürnberg gegen München einen Pfostentreffer vom Schieri ins Tor gezaubert bekam. Da gab es unerklärlicherweise ein Wiederholungsspiel und eine Menge Ärger von der Fifa. Mit irgendeinem Kunstgriff hatte man da die Tatsachenentscheidung beim Sportgericht umschifft. Es musste eben ein bestimmtes Ergebnis her. Da bin ich ja immer stolz auf die Phantasie unserer Zunft. Hier gab es aber nicht mal eine Auseinandersetzung mit dem Thema.
    Edith sagt: 1994 war das Fußballspiel. Und der Kniff war, dass nicht der Schiedsrichter eine Tatsachenentscheidung getroffen habe, sondern der Irrtum beim Linienrichter lag. Die Regeln sagen aber, dass Tatsachenentscheidungen des Schieris nicht zu einer Spielwiederholung führen könne. kicherkicherkicher

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    Einmal editiert, zuletzt von Zickenbändiger (22. Dezember 2020 um 15:23)

  • für mich auf dem feld deutlich sichtbar :

    die schieris, die tatsächlich mit ihrer doppelfunktion als erst- und letztinstanz nicht glücklich sind, sind merkbar die
    besseren schieris, grad weil sie nicht den am spiel anderen beteiligten dies ständig mitteilen müssen in form von
    "obrigkeit", sondern eine natürliche instanz darstellen die souveränität ausstrahlt.

    der aufsatz ist wirklich top- allerdings mittlerweile ja temporär durch den einsatz des durchaus möglichen videobeweises
    ein bisschen überholt in seiner absolutheit.

  • Der Aufsatz klopft sehr schön die Grenzen des Tatbestandsirrtum ab, grenzt aber nicht zum Rechtsirrtum ab. Vereinfacht gesagt:

    - fehlerhafte Wahrnehmung des Geschehens -> folgefalsche Entscheidung: unanfechtbar

    - korrekte Wahrnehmung des Geschehens -> fehlerhafte Anwendung der Regeln: ggf. Spielwiederholung, wenn spielentscheidend

    Irren ist menschlich, es muss aber unterstellt werden, dass der Schieri unfehlbar alles wahrnimmt, sonst wird mehr am grünen Tisch entschieden als auf dem Spielfeld. Wendet er aber die Regeln nicht richtig an, hat die Ausbildung versagt und der Verband darf sich das ankreiden.

    Da sich der Irrtum im Kopf abspielt, muss bei der Änderung des Spielstands von korrekt auf inkorrekt durch den Unparteiischen geprüft werden, was er sich dabei gedacht hat. Die Gretchenfrage ist (und hier ist die ständige Rechtsprechung des DHB Sportgerichts offenbar etwas inkonsequent): Sollte das Ergebnis korrigiert werden, weil sich das Kampfgericht vermeintlich verzählt hat oder soll ganz konkret ein Tor nicht zählen, welches zwar zum Anwurf führte, aber dann - regelwidrig - aus irgendeinem Grunde doch nicht zählen sollte. Im ersten Fall Tatsachenentscheidung, weil sich die Schieris verzählt haben; im zweiten Fall fehlerhafte Regelanwendung, weil ein Tor nicht zurückgenommen werden darf.

    Mir fehlt daher die Auseinandersetzung mit dem subjektiven Tatbestand. "Die Schiedsrichter können nicht ausschließen, dass..." genügt nicht für einen Regelverstoß. Von daher ist die Linie des DHB Sportgerichts sportpolitisch geprägt. Ein feststellbares falsches Ergebnis soll nicht über die Punktverteilung entscheiden... auch wenn es über eine Tatsachenentscheidung dazu gekommen ist. Das Sportlerherz kann damit leben, der Jurist knirscht mit den Zähnen. Sogar derjenige, der das Urteil erstritten hat. :lol:

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