Warum ist eigentlich Franziska Heinz bei der EM nicht dabei?
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ist verletzt => Achillessehnenriß
von bvb-handball.de
vom 03.06.2002:
Franziska Heinz-Story im Handball-Magazin
1. Mai. Um 16.12 Uhr lag sie am Boden. Im wahrsten Sinne. Ohne jegliche Fremdeinwirkung. Wütend auf sich selbst. Erstversorgung durch Mannschaftsarzt Dr. Georg Sondern. "Sonni, sag mir jetzt, dass es nichts Schlimmes es." Sonni schwieg. Abtransport nach Hause. Naddel Härdter kam nach, brachte alte Krücken. Nachts kaum Schlaf. Und immer wieder Selbstvorwürfe: "Warum hast du bloß gespielt? Entgegen aller Vernunft!" Denn Franziska Heinz hätte es eigentlich besser wissen müssen.
Zum zweiten Mal war die rechte Achillessehne gerissen. Diesmal ohne Knall, diesmal drei Zentimeter unter der alten Stelle. Und wieder tauchte vorher dieser undefinierbare Schmerz auf, das eigentlich untrügliche Warnzeichen, das ihr sagen wollte: Beende die Saison vorzeitig.
Sie hörte nicht auf ihre Eingebung, "weil es ohnehin geplant war, dass ich im letzten Spiel in Rostock pausiere." Planung? Nur noch Makulatur. Geplant war nämlich auch Handball am Strand im Sand, zur Kräftigung der Muskulatur (speziell der Wade), der Sehnen und Bänder. Und dann endlich wieder eine ganz normale Vorbereitung mit der Mannschaft. Das war ihr zum letzten Mal vor der Saison 1999/2000 vergönnt.Die über 1.000 Fans in der Halle in Dortmund-Wellinghofen standen unter Schock. "Die hat watt mittem Knie", vermutete der eine, "Quatsch, datt is die Achillessehne", konterte der Nachbar, der nur ungern Recht behielt. Fassungslos Trainer Dr. Tomas Kutka, gepeinigt von Selbstzweifeln ("Ich habe schon in der Abwehr auf sie verzichtet, warum nicht auch im Angriff?"), traurig Dago Leukefeld, der den Zuschauern per Mikro mitteilte, "dass ich mich über diesen Sieg absolut nicht freuen kann. Franzis Verletzung überschattet dieses Spiel, sie ist eine großartige Handballerin."
Betroffen auch Bundestrainer Ekke Hoffmann, der u.a. den weiten Weg von Bad Urach nach Dormund zur Partie des Vierten gegen den Dritten (24:25) auf sich genommen hatte, um mit der 29-jährigen Spielmacherin über ihr Comeback in der Nationalmannschaft zu reden. Schließlich wurde die gebürtige Magdeburgerin, die 1994 zum BVB gewechselt war und seitdem sensationelle 1133 Tore für die Borussia warf, unter seiner Regie zur besten Spielerin der WM 1997 gekürt.
2. Mai. Doc Sondern holte Franziska Heinz persönlich von zuhause ab, operierte sie in den Städtischen Kliniken. "Alles prima verlaufen", sagte er nach getaner Arbeit , "wenn diese Stelle genauso gut verheilt wie die alte, die wirklich bombensicher hält, steht Franzis sportlicher Zukunft nichts im Wege."
3. Mai. Der erste Anruf im Krankenhaus. "Mir geht's eigentlich ganz gut, ich habe keine Schmerzen. Einen Arzt, außer Sonni, kannte ich noch vom letzten Mal." Sie sei schon "ganz hibbelig" mit dem Aufbautraining beginnen zu können, "ich kenne ja die ganze Prozedur." Nein, ans Aufhören habe sie nie gedacht ("Über was sich die Leute so alles Gedanken machen?"). Das sei derzeit überhaupt kein Thema. Ihr ist sogar nach Scherzen zumute: "Wie, schon wieder eine Geschichte? Hatten wir doch erst beim letzten Riss."
Und: Ekke Hoffmann habe angerufen, und sie hätte viel Besuch, und das Telefon stehe auch nicht still. Und überhaupt wären alle sehr nett. 10. Mai. Franziska Heinz ist wieder zu Hause. Es beginnt die Zeit der kleinen Schritte. Niemand erwartet Wunderdinge. Aber sie will es schaffen, und sie kann es schaffen. Die Hoffnung hat einen Namen: Brigitte Kurschilgen, geb. Holzapfel. Bei ihr riss die Sehne dreimal. Danach wurde sie deutsche Meisterin im Hochsprung und nahm an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles teil. Auch Franzi will bald wieder große Sprünge machen. Tomas Kutka würde sich riesig freuen, Ekke Hoffmann auch, und Dago Leukefeld. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie gegen Trier viele Tore wirft.
Autor: Christian Menn