In den vergangenen Jahren spielten stets zwei Meisterschafts-Aspiranten gegeneinander. Die Vorzeichen diesmal scheinen andere zu sein. Während Flensburg die Spitze im Visier hat, kriselt es nach dem Fehlstart bei Meister Kiel.
Für Flensburgs Geschäftsführer Thorsten Storm ist die Partie von besonderer Bedeutung. Bis zum Ende der abgelaufenen Saison arbeitete er im Management des THW, feierte mit dem Verein den Titelgewinn. Jetzt lenkt er die Geschicke in Flensburg. Erstmals trifft er auf seinen Ex-Klub mit Manager Uwe Schwenker.
Im Doppelinterview stehen Schwenker und Storm bei Sport1 Rede und Antwort. Beide sprechen über die Situation des Handballs - und Schwenker geht auf die besondere Situation derzeit beim Meister ein.
Sport1: Früher war die Partie Flensburg gegen Kiel ein Spiel zweier Meisterschafts-Favoriten. Ist das dieses Mal anders, Herr Schwenker?
Uwe Schwenker: Momentan schaue ich nicht auf die Tabelle. Das hat keinen Zweck. Erst haben wir uns entschieden, Stefan Lövgren pausieren zu lassen, damit er seine Verletzung auskurieren kann. Nun hat sich auch noch Florian Wisotzki verletzt. Es kommt eines zum anderen, und dann passt es ins Bild, dass auch der Mannschaftsbus ausgefallen ist. Man kann das nur noch mit Galgenhumor sehen.
Thorsten Storm: Bei uns ist das Gegenteil der Fall: Ich war gerade beim Training. Alle Mann sind am Bord. Der Trainer hat die Qual der Wahl. Egal, wer beim THW spielt: Es sind immer Spitzenleute auf dem Feld. Natürlich ist die Verletztenmisere traurig. Allerdings können Mannschaften in solchen Situationen über sich hinauswachsen, und andere Spieler können in die Bresche springen. Aber wir gucken nicht auf Kiel, wir schauen auf unsere Mannschaft. Ein Sieg im Nord-Derby gehört zu den schönsten Erlebnissen einer Saison.
Sport1: Herr Storm, jahrelang haben Sie beim THW unter Uwe Schwenker gearbeitet. Ist es ein Duell "Meister gegen Lehrling"?
Storm: Mit Sicherheit. Ich habe bei Uwe in den letzten Jahren viel lernen können.
Schwenker: Nun mach mal nicht in Understatement.
Storm: Nein. Ich habe gerne in Kiel gearbeitet. Der THW war das Maß aller Dinge. Man hat nur mit Spitzenleuten zu tun. Das versuche ich nun in Flensburg umzusetzen. Ich habe den Eindruck, wir sind auf einem guten Weg. Ich habe meine Ideen, und Flensburg hat eine andere Mannschaft und ist eine andere Stadt.
Sport1: Herr Schwenker, haben Sie Herrn Storm zu dem Schritt geraten?
Schwenker: Wir haben lange darüber gesprochen. Letztlich war es der richtige Schritt. Er ist in verantwortungsvoller Position und hat schon einiges bewegt. Alles andere wäre für mich aber auch eine Enttäuschung gewesen, denn letztlich kommt er vom THW Kiel.
Sport1: Herr Storm, was nehmen Sie aus Kiel mit? Was versuchen Sie, in Flensburg zu vermitteln?
Storm: Nun, die Voraussetzungen sind fantastisch. Wir haben eine Halle mit einer guten Kapazität von 6000 Zuschauern. Dazu haben wir eine Mannschaft, die jetzt noch nicht an ihrem Zenit steht. Wir haben jetzt die neue Mannschaft, die Kiel gerade aufbaut - und sind, was Altersstruktur und Qualität der Spieler angeht, einen Schritt weiter als der THW. Wenn wir unsere Philosophie in den nächsten Wochen umsetzen können, wir auch diese Saison schon einiges möglich sein. Wir streben eine Wachablösung an. Ich kann ohnehin schlecht verlieren...
Schwenker: Das sehe ich locker. Ich habe immer propagiert, dass die Liga davon lebt, wenn sie insgesamt spannend bleibt, oben wie unten. Nur dann kann man die Liga entsprechend verkaufen. Es macht keinen Sinn, der größte in seinem Dorf zu sein. Ich hätte kein Problem, Dritter zu werden in einer Liga, die im Fokus der Öffentlichkeit die höchste Wertschätzung genießt. Das haben wir immer versucht umzusetzen, aber wir sind noch nicht so weit gekommen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dennoch: Es gibt Mannschaften, die auf einem sehr guten Weg sind.
Sport1: Die da wären?
Schwenker: Zum Beispiel der VfL Gummersbach, der sich nach und nach im wirtschaftlichen Umfeld konsolidiert. Er hat ein Riesenpotenzial. TuSEM Essen gehört dazu, Flensburg, Magdeburg, Lemgo sowieso als 'TBV Deutschland'. Dies ist für den Handball sensationell. Es gehört heutzutage dazu, mal über den Tellenrand hinauszublicken und sich nicht einfach einen größeren Teller zu nehmen. Das habe ich immer unter Beweis gestellt.
Sport1: Dennoch scheint es in Sachen Vermarktung nicht voranzugehen. Ist der Handball in einer Sackgasse?
Schwenker: Nein. Wenn etwas nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, erreicht man bald einen Punkt, wo es nur noch besser werden kann. Ich glaube, es gibt genügend Potenzial. Wir geben uns neue Strukturen. Nach Verabschiedung des Ligaverbands durch den Bundestag muss man unter Hochdruck weiterarbeiten. Dann muss man Personen einstellen, die sich rund um die Uhr um das Produkt kümmern. Ein Thorsten Storm in Flensburg oder ein Uwe Schwenker in Kiel können sich nicht auch noch um die Liga verdient machen.
Storm: Das Glück hängt sicher nicht von dem Partner ab, der das Produkt vermarkten soll.
Schwenker: Das sehe ich genauso.
Storm: Das Entscheidende ist: In den Vereinen, in denen es läuft, kümmern sich Menschen professionell um ihren Klub. Das Produkt Handball-Bundesliga sollte noch leichter zu vermarkten sein als ein Standort. Es muss eine professionell geführte Bundesliga geben. Denn der Sport an sich funktioniert, und wir haben die besten Spieler. Wenn sich jemand um die Liga kümmert und sich von den Verantwortlichen der Klubs beraten lässt, müsste es fast schon von alleine laufen...
Quelle > http://www.sport1.de
Der zweite teil folgt morgen ![]()