Ich finde es schade. Man hätte wohl auch strategisch planen können, wenn das Medien- und Zuschauerinteresse weiter abnimmt, Handball im Fernsehen gar nicht mehr stattfindet und in sport1 die Fußball-Bezirksliga Lüneburger Heide live übertragen wird, setzen wir die Play-offs um. Ich mag den Bohmann auch nicht sonderlich, aber hier macht er eigentlich nur seinen Job, und da ist halt mal die Weiterentwicklung der HBL damit verbunden. Das draufhauen auf ihn muss man nicht wirklich verstehen und erinnert eher an Reflexe als an reflektieren. Schäbiger find ich die Vereine. Ohne es genau zu wissen, gehe ich aber schwer davon aus, dass einiges an Zustimmung signalisiert wurde, sonst hätte der Vorstand kaum eine Abstimmung auf die Agenda gesetzt. Da habe wohl einige auf Grund der Fandiskussion kalte Füße bekommen und Bohmann über ihren Sinneswandel im unklaren gelassen. Feine Gesellschaft, hier und da.
Play Offs haben meiner Meinung nach gar nichts mit Weiterentwicklung zu tun, sondern sind ein Rückschritt. Der Zweck einer bundesweiten Liga ist es, keine KO-Spiele zwischen einzelnen Staffel- oder Regionalmeistern mehr zu haben, sondern einen Meister in einem einheitlichen Ligasystem zu ermitteln. Das Ligasystem ist der direkte Gegenentwurf zu KO-Endrunden (und auch mit diesem Gedanken überhaupt erfunden worden, nämlich in England mit der Einführung der Football League 1888, durch die die bis dahin üblichen KO-Spiele zur Bestenermittlung nämlich überwunden werden sollten. Das was davon übrig blieb, ist der heutige FA-Cup.). Außerdem geht es bei dieser Diskussion eben auch noch um Sport und sportliche Gerechtigekeit und nicht nur um Geld. Die reine Fixierung einer "Weiterentwicklung" der Liga auf den finanziellen Aspekt halte ich für falsch. Und wie ein Play Off-Event die Popularität der Liga hätte steigern sollen, ist mir immer noch schleierhaft und wird es wohl auch immer bleiben, weil dadurch ja die 306 vorherigen Spiele wenigstens zum Teil ad absurdum geführt werden, wie auch Herr Bohmann immer wieder selbst gesagt hat. Wie Sprotte schon richtig schrieb, erschließt es sich nicht, weshalb jemand eine Dauerkarte kaufen sollte, die dann für die entscheidenden Spiele doch nicht gilt - oder warum würde sich jemand am 32.Spieltag Kiel gegen Flensburg anschauen - und dafür Eintritt bezahlen - wollen, wenn das Spiel sowieso keine Bedeutung hat, weil sich beide vierzehn Tage später im Play Off wiedersehen, wo es dann erst um die "Wurst" geht?
Daneben ist das ganze Krisengerede auch nicht ganz nachzuvollziehen. Welche Krise? Worin soll die bestehen? In mangelnder Popularität? Wohl eher nicht. Das reine Zuschauerinteresse an der Handball-Bundesliga vor Ort war jedenfalls noch nie so hoch wie derzeit - freilich auch wegen des kostspieleigen Arenabetriebs und der daraus resultierenden größeren Kapazitäten, aber diese werden wo sie vorhanden sind auch gut in Anspruch genommen. Die Liga ist momentan mitten in ihren besten Jahren: der Ligaschnitt ist zwar seit 2008 wieder leicht rückläufig, er lag aber 2012/13 immer noch höher als in allen vierzig Spielzeiten bis 2005/06. Die halbe Liga kommt regelmäßig auf 4.000+. In der letzten Saison, 2010/11 und 2007/08 war kein Verein unter 2.000, sowas gab es in der ganzen Ligageschichte vorher noch nie. Der Rückgang gegenüber 2011/12 betrug letzte Saison gerade mal zehn Zuschauer pro Partie*, der Schnitt lag um mehr als 700 Zuschauer oder 18,85 % über dem zehn Jahre zuvor (2002/03: 3.830 - 2012/13: 4.552: macht +722 = 18,85% Steigerung) und war fast doppelt so hoch wie vor zwanzig Jahren (1992/93: 2.323). Seit 2005/06 liegt der Ligaschnitt stets über 4.500. So goldene Zeiten in Punkto Zuschauerzahlen wie die derzeit hatte die Bundesliga noch nie und wohl keine Hallenhandball-Liga jemals irgendwo.
Vielleicht muß man einfach auch mal mit dem derzeitigen Zustand zufrieden sein, insgesamt etwas bescheidener rangehen (... und auch die Ausgabenseite mal beachten) und nicht immer versuchen, medial und im Marketing eine Art kleiner Fußball zu werden. Der "Peak" für Hallenhandball in Punkto Medienpräsenz und Zuschauerinteresse war 2007/08 im WM-Sog erreicht, mehr ist nicht drin. Jetzt ging es in den letzten Jahren wieder etwas runter, aber man steht immer noch auf einem viel höheren Punkt des Berges als etwa vor zehn Jahren oder gar vor zwanzig. Ein "immer mehr" mit dem Holzhammer Play Off oder Stadionspielen erzwingen zu wollen, ist meiner Meinung nach der völlig falsche Weg. Eine grundlegende - aus sportlichen Gesichtspunkten sinnvolle - Reform der Bundesliga, insbesondere eine Reduzierung der Mannschaftszahl, ist langfristig sicher wünschenswert, aber auch da sollte man mit Bescheidenheit und Augenmaß herangehen, um eine langfristig sinnvolle Lösung zu erreichen und nicht (wie z.B. derzeit im DHB-Pokal) jedes Jahr sich etwas neues einfallen lassen und dann jahrelang eine Experimentierphase zu haben, deren Experimente nur auf schnellen Profit und "Fifteen Minutes of Fame" zielen.
* Die Gesamtzuschauerzahl betrug 1.388.594 (Summe der Vereinsangaben lt. Handball-Woche. Abweichend davon SiS: 1.389.215). Die Handball-Woche gibt 4.538 als Saisonschnitt an (SiS 4.540), dabei wurde aber der Ausfall des Spiels SCM-FAG nicht berücksichtigt und die Gesamtzahl fälschlich durch 306 dividiert. Der tatsächliche Schnitt aus den 305 ausgetragenen Spielen liegt bei 4.552 (mit den SiS-Zahlen: 4.555), in der Saison davor waren es 4.562.