Mein persönlicher Rückblick auf 29 Jahre Dormagener Handball:
D) Gezeitenwechsel in den 00ern, Teil 1 – Der tiefste Fall
2000/01
1. Bundesliga 17. Platz und Abstieg in die 2. Bundesliga Freiwilliger Rückzug in Regionalliga West
Ein verändertes Konzept „Hallenheft“ läutete die erste Saison im neuen Jahrtausend ein. Weg vom redaktionellen Konzept hin zu einem 6seitigem Informationsblatt, dazu keine Saisonvorschau mehr und das vierteljährlich Kreisweit erscheinende Magazin „Kreisläufer“v gaben –rückwirkend- einen ersten Vorgeschmack auf den schmaleren Geldbeutel beim TSV.
Diese Saison wird unter anderem wegen der „Lex Gummersbach“ in die Geschichte eingehen. Auf Grund des stattgegebenen Gnadengesuches für den Altmeister und um Klagen der Liga vorzubeugen, wurde die Bundesliga mit der Mammutanzahl von 20 Vereinen gestartet.
Sportlich startete der TSV erstmals ohne Co-Trainer in die Saison, Gudmundsson alleine war verantwortlich beim TSV. Beim Ausländerkonzept setzte der TSV auf die „paarweise Blockbildung“: die Polen Bedzikowski und Nowakowski bekamen mit Rafal Bernacki im Tor noch einen Landamann hinzu, für Mahé wurde der Rückraumlinke Rigault verpflichtet und für den Skadinavier Sighvartsson kamen drei Schweden neu dazu: Christian Ericsson für den Rückraum rechts, Marcus Wallgren linksaußen und Hendrik Andersson in der Mitte sollte der neue Spielmacher sein. Wer allerdings Andersson einemal hat spielen sehen, der wußte schon sehr früh, wohin die Reise für den TSV geht. Langsamer als ein Martin Rubin, überfordert mit dem Zweikampfverhalten in der Bundesliga, technische Fehler und Känguruhüpfer (Markenzeichen!) ließen eher Mitleid statt Begeisterung aufkommen.
Nicht ganz zu unrecht setzte es Klatsche um Klatsche und erst im 7. Saisonspiel gewann der TSV erstmals – gegen die SG Solingen, die zwar Neuling, aber favorisiert ins Duell mit dem TSV ging, auch weil die Mannschaft unter anderem Torgowanow und Hegemann aufbieten konnte.
Der TSV versuchte alles: verpflichtete den „schlechtesten“ Rechtsaußen, den ich je hab spielen sehen, Holger Beelmann und einen Strich in der Landschaft mit ungeheurer Schelle, Viktor Szilagyi nach. Es wurde nicht besser. Als ich Szilagyi Jahre später beim THW Kiel wiedergesehen habe, war ich beeindruckt, wie viel Muskelmasse der Mann aufgebaut hat.
Kurz zuvor hatte der TSV allerdings einen anderen „Sieg“ errungen, der die Handballer kurzfristig bundesweit bekannt machte: als es beim anzusetzenden Pokalspiel bei der SG Wallau Massenheim durch das Hallendach in Wiesbaden regnete, bewahrte der TSV Ruhe, protestierte nicht (man hätte am grünen Tisch gewonnen), suchte nach Lösungen und blieb geduldig. Dieses Fair Play wurde unter anderem mit dem "Preis für Toleranz und Fair play im Sport" ausgezeichnet. Die Preisübergabe fand dann am 19. Januar 2002 im Rahmen des ZDF-Sportstudio statt. Bundesinnenminister Schilly überreichte den Preis.
Im Dezember, der TSV war mittlerweile auf Rang 17 nach oben geklettert, wurde Gudmundsson (endlich) ein Co-Trainer zur Seite gestellt: Michael Franz übernahm den Job für einige wenige Spiele, denn im Januar 2001 wurde er durch einen anderen Co-Trainer ersetzt, der gekommen war, um zu bleiben: Kai Wandschneider. Mit diesem gelang gleich im ersten Spiel am 10.02.2001 wieder ein Sieg gegen den Dormagener „Lieblingsgegner“, den aktuellen Doublegewinner THW Kiel. Beim 26:24 des TSV in unheimlich dichter Atmosphäre reichte auch eine tolle Leistung von Niko Jacobsen für Kiel nicht.
Leider auch diese Energieleistung reichte nicht aus, um „Gummi“ das Ende der Saison als TSV Trainer erleben zu lassen. Nach der 31:27 Niederlage im Rückspiel in Solingen wurde er beurlaubt und wie üblich wurde der Co- zum Cheftrainer befördert. Die 10jährige „Ära Wandschneider“ begann und wurde mit dem höchsten Saisonsieg, dem 31:22 gegen Magdeburg am 17.03.2001 eingeläutet.
Doch der Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze war zu groß, auch die Energieleistungen unter Wandschneiders Regie vermochten den sportlichen Abstieg nicht zu verhindern.
Nach der Niederlage im Abstiegsendspiel beim VfL Hameln am 16.05.2001 (25:21) stand der zweite Abstieg des TSV Bayer Dormagen fest. Einen Tag später kam es noch dicker: Der TSV Bayer Dormagen musste auf Grund der seit Mitte der 90er Jahren angehäuften Schulden von ca. 3,2 Millionen D-Mark die Lizenz für erste und zweite Liga zurückgeben. http://www.ngz-online.de/lokalsport/kla…ndball-1.154028 Als Grund dafür wurde angegeben, dass die Schulden in Liga 2 nicht abgebaut werden könnten.
Am darauffolgenden Sonntag, in Dormagen Totensonntag, überraschte Bayer zunächst mit der Ankündigung, den Fußbballtrainer Vogts freizustellen, auf Grund vertraglicher Verpflichtungen aber die noch fälligen 3,5 Millionen D-Mark auszuzahlen – die Summe, die Dormagen gerettet hätte. Entsprechend aufgeheizt war die Stimmung in der Dreifachhalle. Fanproteste und eine mit „Vielen Dank Dormagen“ auflaufende Mannschaft, Polizeischutz für den TSV Vorsitzenden Dr. Anders und den sportlichen Leiter Uli Derad - und eine Dormagener Mannschaft, die wie entfesselt gegen den Favoriten Wetzlar spielte und 34:27 (Halbzeit 19:13) gewann! Das Team zahlte in Toren zurück, das Publikum stand schon in der ersten Hälfte, statt zu sitzen. Eine würdige Abschlussfeier, bei der viele mit Tränen in den Augen noch lange nach Spielschluss auf der Tribüne Abschied nahmen.
Nach 388.Spielen in der ersten Bundesliga war Schluss – das erste Mal und wie wir alle dachten: das letzte Mal.