Für Dr. Schwiezer ist die Arbeit als Beirat des Handball-Bundesligisten SG Kronau/Östringen keine kurzfristige Angelegenheit
„Wer Druck nicht verkraftet, muss bei uns nicht mehr spielen“
Der Handballsport ist Dr. Jürgen Schwiezer nicht unbekannt. Er spielte in Bremen selbst bis zu seinem 22. Lebensjahr. Doch das Chemiestudium in Hannover und Münster hatte Vorrang. Der 62-Jährige – in der Nähe von Hameln geboren – lebt heute mit seiner Familie in Weinheim und ist Vorsitzender der Geschäftsführung bei Roche Diagnostics in Mannheim. Unser Redaktionsmitglied Jürgen Autenrieth sprach mit Dr. Schwiezer über seine Arbeit als Beiratsmitglied der SG Kronau/Östringen und die Ziele mit dem Handball-Bundesligisten.
Wer oder was hat Sie dazu bewogen, diesen Job bei der SG zu übernehmen?
Schwiezer: Daniel Hopp und Jürgen B. Harder haben mich gefragt, ob ich im Beirat mithelfen könnte. Obwohl ich beruflich stark ausgelastet bin, habe ich zugestimmt. Betonen möchte ich, dass Roche kein Sportsponsoring macht, sondern dies meine Privatsache ist. Für die SG opfere ich einen Großteil meiner Freizeit – speziell sonntags. Das geht natürlich nur mit Zustimmung meiner Familie. Aber meine Frau ist schon früher mitgegangen, als ich noch selbst spielte. Und jetzt ist das nicht anders.
Sie wollen diesen Job bei der SG also länger ausüben?
Schwiezer: Kurzfristige Sachen mache ich nicht. Ich arbeite seit fünf Jahren beim Mannheimer Stadtmarketing und seit zehn oder elf Jahren bin ich im Vorstand der Bio-Region. Das muss zwar kein Maßstab sein, aber bei der SG ist noch so viel zu tun. Wir spielen erst seit zwei Jahren in der Bundesliga, haben zwar eine schöne Halle, bestimmt einen guten Unterbau und mit Handball auch ein Standbein. Aber es fehlen noch Konzepte und Strukturen. Das geht nicht von jetzt auf morgen. Außerdem wollen wir mittelfristig junge deutsche Spieler integrieren und langfristig Jugendliche aus unserer Region an die Bundesliga heranführen.
Sie sind für die Neuverpflichtungen und Vertragsverlängerungen zuständig. War das Ihr Wunsch?
Schwiezer: Meine Position wurde innerhalb des Beirats so entschieden. Aber meine hanseatischen Wertvorstellungen haben bestimmt geholfen. Wir müssen uns nichts vormachen, die SG ist wie ein mittelständisches Unternehmen zu führen. Wir haben ein Budget, das gilt es einzuhalten. Da gibt es keine Sentimentalitäten.
Mit Daniel Buday und Weltmeister Christian Schwarzer haben Sie bereits zwei Ausnahme-Handballer verpflichtet. Ist das finanzielle Reservoir der SG unerschöpflich?
Schwiezer: Wir sind dabei, für die neue Saison eine Mannschaft zusammenzustellen, um auf einem Platz unter den ersten Fünf in der Bundesliga zu landen. Darunter wollen wir erst gar nicht anfangen. Und hinter der Ausrede von unerfahrener Mannschaft kann sich auch keiner mehr verstecken. Klar baue ich damit Druck auf, und wer den nicht verkraftet, muss bei uns nicht mehr spielen. Dabei ist unser finanzielles Reservoir zwar keineswegs unerschöpflich. Aber wir leben hier in einer der stärksten Wirtschaftsregionen. Das hilft bei Neuverpflichtungen ungemein. Unsere Beziehungen sowie das Umfeld machen es einfacher.
War dies auch bei der Verpflichtung von Schwarzer der Fall?
Schwiezer: Nicht unbedingt, da er zurück nach Niederwürzbach will – nicht weit weg von uns. Er war aber von uns angetan, von der Möglichkeit bei uns zu spielen, unseren Perspektiven. So ein Typ wie Schwarzer hat bisher gefehlt. Wir erhoffen uns eine Menge von ihm. Er fordert die Führungsrolle. Dass er das kann, hat er bei der WM auf imponierende Weise gezeigt. Seine Verpflichtung hat einige aus dem Dornröschenschlaf gerissen. Sie haben auch begriffen, dass wir es ernst meinen, uns in der Spitze festzusetzen.
Es wird gemunkelt, dass Sie mit allen Weltmeistern gesprochen haben.
Schwiezer: Nein, das kann ich ausschließen. Das macht auch keinen Sinn. Pascal Hens zum Beispiel hat beim HSV Hamburg einen längerfristigen Vertrag. Mit ihm zu verhandeln, wäre Quatsch. So etwas machen wir nicht, zumal wir auf dieser Position bestens besetzt sind.
Aber die SG sucht noch neue Spieler?
Schwiezer: Ja, das stimmt. Aber darüber werde ich jetzt nichts erzählen, erst wenn alles in trockenen Tüchern ist. Es ist nicht meine Mentalität, zu spekulieren. Aber eines ist sicher, dass alle Verhandlungen bis Mitte März abgeschlossen sein werden – auch die Gespräche mit Andrej Siniak, Petr Hrachovec und David Szlezak über deren Vertragsverlängerungen.
Gibt es Wunschkandidaten?
Schwiezer: Die gibt es, aber ob man sie bekommt, ist eine andere Sache. Wir sind auch nicht so vermessen, obwohl uns von allen Sseiten Spieler angeboten werden, und glauben, dass wir alleine die Zukunft des deutschen Handballs sind. Bedarf besteht noch auf der rechten Seite. Durchaus möglich, dass Mariusz Jurasik auf Rechtsaußen spielt, das hängt davon ab, wer noch kommt.
Bleibt noch die Frage nach Oleg Velyky. Was passiert mit ihm?
Schwiezer: Er hat noch einen Vertrag bis 2008 bei uns, und ich gehe davon aus, dass er ihn erfüllt. Er ist für jede Mannschaft eine Bereicherung. Aber wir haben auch noch Buday, der großes Selbstbewusstsein ausstrahlt, sich bereits nach sehr kurzer Zeit gut integriert hat und das Spiel ungemein schnell macht. Es darf keinen Rückfall geben, dass alles nur auf Velyky zugeschnitten ist. Das muss Trainer Iouri Chevtsov auch berücksichtigen.
Sie sind also mit dem bisherigen Saisonverlauf nicht zufrieden?
Schwiezer: Für die Punkterunde hatte ich eigentlich mehr erwartet. Aber wir hatten auch große Personalprobleme in jüngster Zeit und dennoch gezeigt, dass vieles möglich ist. Letztlich werden wir wohl einen Platz zwischen sieben und neun belegen. Aber das ist unerheblich. Wir sind wieder im Final Four des Pokalwettbewerbs, und so grotesk es klingen mag, selbst wenn wir das Halbfinale gegen Hamburg verlieren, können wir in der kommenden Runde noch international spielen. Also muss man doch noch zufrieden sein.