"Knigge-Niveau" deutlich verfehlt
Gala der VfL-Handballer in Chekov stand unter denkbar schwierigen Vorzeichen
von ULRICH KLEIN
MOSKAU. "Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen", heißt es im Sprichwort. Die Handballer des VfL Gummersbach konnten nach ihrem Trip gen Osten gewiss eine Menge berichten. Zum Beispiel von ihrem sportlichen Glanzstück: Der grandiose 37:31-Erfolg im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales bei Medwedi Chekov wurde auf einem Niveau herausgespielt, das die Konkurrenz national wie international aufhorchen lassen dürfte. Angesichts der Souveränität des Auftritts waren auch die Reisestrapazen und subtilen Störversuche der Gastgeber schnell vergessen. Doch der Reihe nach:
Gleich nach dem Verlassen des Flughafens Sheremetyvo am Freitagnachmittag gab es die erste Attacke aufs blau-weiße Nervenkostüm. In Moskau sind zwölfspurige Straßen zwar durchaus nicht ungewöhnlich, aber selbst die sind am frühen Abend stets so gnadenlos verstopft, dass auch der langmütigste Zeitgenosse irgendwann die Geduld verliert. Und da Sheremetyvo im Norden Moskaus, das VfL-Ziel Chekov aber 60 Kilometer südlich der Mega-Metropole liegt, begann ein mehr als dreistündiger Kampf durch die russische Blechlawine.
Endlich angekommen, bat Trainer Alfred Gislason seine Jungs zwecks "Entrostung" der verspannten Muskulatur gleich zum Training. Logisch, dass sich Daniel Narcisse und Co. nach Reisestress und Leibesübungen auf ein schmackhaftes Abendessen freuten. Umso länger die Gesichter, als im Sportzentrum "Olimpisky" aufgetischt wurde. "Es gab pro Person vier Kartöffelchen, einen kleinen Salat und ein Stückchen Fisch", beschrieb Team-Betreuer Edgar Hartmann das karge Mahl. Damit die hungrigen Athleten nicht gänzlich vom kostbaren Fleische fielen, blieb nur noch ein spontaner Großeinkauf im Supermarkt als "Erste Hilfe" gegen einen dramatischen Abfall der Energie-Reserven. Als Alternative konnte man zwar noch ein paar Kartöffelchen oder Salatblättchen im "Olimpisky" nachordern, doch diese "Völlerei" musste umgehend bezahlt werden. Cash und auf die Kralle. Medwedi, das für das Wohl des Gastvereins laut Vorgaben des Europäischen Handballverbandes (EHF) verantwortlich war, hatte eben sehr überschaubar bestellt. Mit der allseits gerühmten russischen Gastfreundschaft war es auch bei den folgenden Mahlzeiten nicht weit her. Zudem befanden sich auch Hotel-Personal und Kellner zumindest nicht ganz auf "Knigge-Niveau". "Sehr unhöflich", urteilte nicht nur Hartmann.
Mit den Unverschämtheiten während des Aufenthaltes war es freilich nicht getan: Als der VfL-Bus am Sonntag zurück Richtung Flughafen starten wollte, wurde er an der Hotel-Parkplatzschranke aufgehalten: "Es wird ein Handtuch vermisst", hieß es schroff. Da keiner aus der VfL-Delegation als "Handtuch-Langfinger" zu überführen war, einigte man sich schließlich auf 30 Euro als Abstandssumme. Was allerdings nicht als Gummersbacher Geständnis zu werten war, sondern reine Vernunfts- gründe hatte. Man wollte ja noch kurz zum "Sightseeing" auf den "Roten Platz" und musste durch Moskaus Stadtverkehr . . .
(Quelle:http://www.rundschau-online.de)