Hier ein Artikel des Mannheimer Morgens, der komischerweise, wie auch ein ähnlich gelagerter der RNZ, keinen Einzug auf der Krösti-HP gefunden hat.
Werden die Löwen eine Zirkustruppe?
Wirbel um Spielort-Strategie im Pokal
Von unserem Redaktionsmitglied Ute Krebs
Die Rhein-Neckar Löwen haben ihren Trip auf die sonnige Mittelmeerinsel Zypern - wen wundert's nach dem 42:19-Hinspielerfolg - mit dem Einzug in das EHF-Cup-Achtelfinale beendet. Das 22:22 (11:12) beim zypriotischen Serienmeister SPE Strovolos Nicosia in einer kleinen Sporthalle mit wenig Gelenkfreundlichem Betonboden fiel unter die Kategorie "Erfahrung sammeln". Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Geschäftsführer Uli Schuppler gab sich deshalb gelassen: Unter den letzten 16 im internationalen Wettbewerb und im DHB-Pokal - zumindest bei den Cup-Aufgaben liegen die Badener voll im Soll. Der zehnte Platz in der Handball-Bundesliga - auch das Ergebnis von argen Verletzungsproblemen - stellt weniger zufrieden. "Wir haben nicht alle Spiele gewonnen, die wir gewinnen wollten", trauert Schuppler besonders den verlorenen Punkten von Hildesheim nach. "Aber wenn es auch schwierig wird: Es ist noch möglich, dass wir unser Ziel erreichen und den Abstand zu den Top fünf verkürzen", erklärt der 40-Jährige vor der schweren Aufgabe in Kiel am Mittwoch (20 Uhr).
Weniger gelassen reagiert der Geschäftsführer dagegen bei Fragen, die Umfeld und Professionalität des Klubs betreffen. In anderen Hallen und Orten der Metropolregion sollen die Löwen durch Pokalauftritte noch bekannter werden (so beim Pokal-Achtelfinale gegen TuS N-Lübbecke am 28. November in Bensheim) und im Umkehrschluss neue Fans zu den Bundesliga-Partien in die Mannheimer SAP Arena ziehen - dies ist die Strategie. Ein Konzept für den Fusionsklub mit hoch sensiblem Charakter. "Ich wusste, dass die Nachricht, das Achtelfinale in Bensheim auszutragen, kontrovers diskutiert werden wird", ist sich Schuppler des glatten Parketts bewusst. Nach den Pokal-Vorstellungen im Stammgebiet Östringen und St. Leon-Rot betreten die Löwen nun Neuland in Südhessen. Auch eine Vorstellung in der Pfalz scheint in Zukunft nicht ausgeschlossen. Der Grat zwischen neue Anhänger gewinnen und alte verprellen ist jedoch schmal. Außerdem steht immer noch der sportliche Erfolg ganz oben, und der gelingt leichter mit dem achten Mann im Rücken. Was also, wenn der tatsächliche Heimspielcharakter für die Kronauer immer mehr verloren geht? Werden die Löwen eine Zirkustruppe, die von Ort zu Ort zieht? Wo ist letztlich die Heimat der SG? "Das ist keine einfache Frage", räumt Schuppler ein. Vielleicht, weil bis jetzt noch nicht einmal der Spagat zwischen dem Stammgebiet Kronau/Östringen und Mannheim so richtig gelungen ist?
Auf der anderen Seite ist die Entscheidung, PR in anderen Teilen der Metropolregion zu betreiben, um auch gegen die Durchschnittsmannschaften der Bundesliga vor einigermaßen gefüllten Rängen im Handballtempel der Quadratestadt aufzulaufen, nachvollziehbar. "Wir können nur dort wachsen, wo wir bislang nicht zu sehen sind", erklärt Schuppler. Allerdings hätte er sich den aktuellen Spießrutenlauf wohl erspart, wären diese Überlegungen früher professionell diskutiert und kommuniziert worden. Schuppler wehrt sich gegen solche Vorwürfe: Im Saisonheft habe er eine klare Aussage darüber getroffen, dass die SG das Handball-Spitzenteam der gesamten Region werden will.
Beim Fanclub Baden Lions wurden inzwischen Forderungen laut, die Begegnung in Bensheim zu boykottieren. Gespräche zwischen Schuppler und den Anhängern sollen die Wogen glätten, aber Lions-Präsident Werner Krämer nimmt eines schon vorweg: "Nicht hingehen - das wäre sicherlich der falsche Weg, denn dann schaden wir der Mannschaft." Schuppler räumt ein: "Unser Marketing ist noch nicht optimal, wir haben in der Vorbereitungszeit auf die neue Saison unser Hauptaugenmerk auf die Sponsorenakquise gelegt."
Mannheimer Morgen
13. November 2006