Der "Fall Nordhorn": Tag der Entscheidung
München - Der Blick von Handball-Deutschland ist heute nach Hamburg gerichtet: Im Airport Hotel kommen die an diesem Tag wichtigsten Männer der Sportart zusammen.
Der Ligaausschuss der Handball-Bundesliga-Vereinigung Männer (HBVM) entscheidet über die Lizenz für die HSG Nordhorn. Nach der Verweigerung in erster Instanz hat die HSG nachgebessert, ein neues Konzept zum Schuldenabbau vorgelegt. Ein Gutachterausschuss hat dieses bewertet - und dem Ligaausschuss seine Empfehlung ausgesprochen.
Der Spitzenreiter der Bundesliga steht vor dem Aus. Bekommen die Niedersachsen in zweiter Instanz die Spielgenehmigung für die höchste deutsche Spielklasse? Oder stürzen sie in die dritte Liga ab?
Schulden in Millionenhöhe
Man stelle sich vor: Borussia Dortmund ist neuer Fußball-Meister - und spielt nächstes Jahr in der Regionalliga. Ein Horror-Szenario, das im Handball Wirklichkeit werden könnte.
Nordhorn steht mit dem Rücken zur Wand: Die HSG Sportmarketing GmbH & Ko. KG ist mit 1,8 Millionen Euro verschuldet. Geschäftsführer Bernd Rigterink kämpft seit Wochen um sein Lebenswerk. Doch dieses zerbröckelt immer mehr.
1998: Die HSG Nordhorn sorgt in der 2. Handball-Bundesliga für Furore. Es entsteht das "Euregium", die 4000 Zuschauer fassende Halle. Bauherrin ist die HSG Sportmarketing. Kosten: 10,7 Millionen Mark.
1999: Nordhorn steigt souverän in die Bundesliga auf. Trainer Kent-Harry Andersson hat eine Mannschaft mit Stars, darunter Jochen Fraatz, der Führende der ewigen Torschützenliste der Bundesliga.
1999/2000: In der ersten Saison sorgen die Männer aus der Grafschaft Bentheim für Furore: Sieg in der Kieler Ostseehalle, Platz fünf in der Endabrechnung. Nur um Haaresbreite verpasst die HSG den Einzug in einen internationalen Wettbewerb.
2000/2001: Zweites Jahr in der Bundesliga. In der Meisterschaft ist der Überraschungseffekt verpufft. Die Euphorie des Aufstiegs ist dahin, die HSG spielt im oberen Mittelfeld eine gute Rolle. Im Pokal erreichen die Niedersachsen das Halbfinale.
2001/2002: Noch einmal kauft die HSG groß ein. Mit Torsten Jansen (Solingen) sowie Ljubomir Vranjes und Peter Gentzel (beide Granollers) werden drei Nationalspieler verpflichtet. Die Schweden Gentzel und Vranjes erhalten Fünf-Jahres-Verträge.
Dezember 2001: Sportlich trägt das Konzept Früchte. Trainer Andersson und seine Mannschaft spielen vorne mit. Doch wirtschaftlich läuft es nicht. Die Auswirkungen des Terroranschlags in den USA vom 11. September sollen, so Geschäftsführer Bernd Rigterink, auch Auswirkungen auf die HSG haben. Ein neuer Hauptsponsor wird erst zum Spiel gegen Kiel präsentiert. Doch statt der großen Erleichterung folgt Rätselraten. Ein lokaler Kraftfahrzeughändler ziert die Brust der HSG. Wird genug investiert?
22. März 2002: Sportlich sorgt die HSG immer mehr für Furore. Nach einer Aufholjagd finden sich die Niedersachsen bald in der Spitzengruppe wieder. Doch die Gerüchte über wirtschaftliche Probleme werden konkreter. Nach Monaten des Schweigens gesteht Manager Bernd Rigterink einen Schuldenberg von mehr als zwei Millionen Euro ein. Dieser sei vornehmlich entstanden durch den Bau des "Euregiums". Stadt und Kreis sollen im Sanierungskonzept eine entscheidende Rolle Spielen. Fans gründen einen Förderverein, das Management führt Gespräche mit möglichen Sponsoren zur Rettung des Bundesligisten.
17. April 2002: Das Sanierungskonzept scheitert. Der Kreis Grafschaft Bentheim lehnt eine Unterstützung ab. Die Mehrheitsfraktion CDU sieht die Gründe für den hohen Schuldenstand in einer Misswirtschaft des Managements. Im Klartext: Die mit Stars gespickte Mannschaft ist zu teuer für die HSG. Spekulationen über den Zerfall des Teams werden konkret: Dragan Skrbic wird vom FC Barcelona gejagt, fast alle Spieler haben mehr oder weniger konkrete Angebote.
6. Mai 2002: Der Ligaausschuss der HBVM verweigert Nordhorn aufgrund der wirtschaftlichen Probleme die Lizenz. Acht Tage bleiben der HSG Sportmarketing nach Zustellung der Begründung, um nachzubessern.
16. Mai 2002: Der Ligaausschuss kommt in Hamburg zusammen, um abschließend über den "Fall Nordhorn" zu sprechen. Die Stunde Null naht.
Quelle Sport 1 !