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„Krieg um Talente“
Sportforum: Bevölkerungsentwicklung führt vermutlich zur Umgestaltung der Vereine – Aktive Gesundheitsförderung
BIRKENAU. Es gibt, wie Landtagsabgeordnete Karin Hartmann feststellte, kaum einen Bereich in der Gesellschaft, in dem sich so viele Menschen ehrenamtlich engagieren wie in den Sportvereinen. Doch die Zeiten haben sich geändert, und die Auswirkungen einer zunehmenden Individualisierung, leerer öffentlicher Kassen und eine immer älter werdende Bevölkerung stellen die Vereine vor neue Herausforderungen, um zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Unter dem Titel „Kommune und Sport - Partnerschaft für die Zukunft“ hatte die südhessische SPD am Samstag zu einem Sportforum ins Gasthaus „Zum Engel“ nach Birkenau eingeladen, um mit kompetenten Gästen und Funktionären aktuelle Fragen zu diskutieren.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahrzehnten kommt dem Vereinssport immer größere Bedeutung als aktive Gesundheitsförderung zu, wie Sportkreis-Vorsitzender Horst Knop mit einigen Zahlen untermauerte: Während die Vereine in der Altersgruppe 20 bis 45 Jahre zum Teil massiven Mitgliederschwund verzeichnen, nimmt die Zahl der Mitglieder unter den Kindern bis zwölf Jahren wie auch in der Altergruppe ab 50 Jahre stetig zu. Die Verantwortlichen müssen demnach für diese beiden Gruppen attraktive Angebote schaffen.Den aktiven jungen Handballer, der am Wochenende zu Wettkämpfen fährt und trotz beruflicher Belastung regelmäßige Trainingsstunden absolviert, wird es künftig immer seltener geben. Nach Einschätzung von Professor Klaus Beckmann, dem Vorsitzenden des Sportbeirats der SPD Hessen-Süd, wird die Zahl der „traditionellen Wettkampfsportler“ in den kommenden Jahren um etwa ein Drittel sinken.
Beckmann hatte aussagekräftige Zahlen des Statistischen Landesamt vorgestellt, wonach die demografische Entwicklung in Hessen bis 2050 dramatische Züge annehmen wird. Ausgehend vom vergangenen Jahr, wird sich die Zahl der Drei- bis Sechsjährigen bis zum Jahr 2020 um 15,1 Prozent verringern, bis 2050 sogar um 32,8 Prozent. Die Gruppe der sechs bis 20 Jahre alten Hessen wird bis 2020 um 13,4 Prozent kleiner geworden sein, bis 2050 um 31,3 Prozent, und die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 20 und 60 Jahren sinkt um 3,3 (im Jahr 2020) beziehungsweise 25 Prozent in 2050). Demgegenüber werden 2020 in Hessen 21,1 Prozent mehr Menschen 60 Jahre und älter sein - bis 2050 steigt ihre Zahl um 43 Prozent – und um 60 Prozent in 2020 beziehungsweise 185 Prozent in 2050 wird die Zahl derjenigen gestiegen sein, die älter als 80 Jahre sind. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich zwölf Prozent mehr Ausländer, vornehmlich aus den osteuropäischen Ländern, im Kreis Bergstraße leben.
Was in der Wirtschaft schon gilt, wird auch die Vereine betreffen: Der „Krieg um Talente“ und die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit. Im Konkurrenzkampf um Mitglieder werden sich die Sportvereine neu aufstellen müssen. Andere Aktivitäten, Sportstätten für Kinder und ältere Menschen, die Integration von Migranten und die Zusammenarbeit mit Schulen und Kommunen sind wesentliche Themen, inhaltliche und organisatorische Anpassungen von existenzieller Bedeutung.
Einen ersten Schritt in diese Richtung hat der Sportkreis mit der Arbeitsgemeinschaft „Gesundheit und Bewegung“ bereits unternommen, wie Horst Knop ausführte. „Die Vereinen dürfen nicht mehr im stillen Kämmerlein sitzen bleiben, sondern müssen für sich werben“, erklärte das Präsidiumsmitglied im Landessportbund. Gleichzeitig gelte es, Netzwerke zu bilden, die Zusammenarbeit mit Krankenkassen, Gesundheitsämtern, Ärzten und den politisch Verantwortlichen zu forcieren. Dabei komme dem Kreis als Träger der Schulturnhallen besondere Bedeutung zu, denn „wir brauchen neue Sportflächen: Klein, fein und funktional“. Und um der Symbiose von Schulen und Vereinen als „geborene Partner“ gerecht werden zu können, müssten in großer Zahl Übungsleiter für Gesundheitssport ausgebildet werden.
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