orthografiethread für pressefuzzis

  • Auch wenn es um Aussprache geht, beispielhaft an dem walisischen Dorf Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch - und nicht um Rechtschreibung - gehört das heutige Streiflicht der Süddeutschen unbedingt hier rein...

    Zitat

    (SZ) Zu den erfreulichsten Eigenschaften der Deutschen gehört es, fremde Völker dadurch zu ehren, dass sie deren Orts- und Personennamen so tadellos aussprechen, als wären sie selbst Kinder des betreffenden Landes. Nur noch einige wenige Ignoranten sagen beispielsweise Mexiko, wenn von der mexikanischen Hauptstadt die Rede ist. Alle übrigen wissen, dass es Mechiko heißt, genauso wie man, um ein noch exotischeres Beispiel zu nehmen, Telchte sagen muss, sobald man die schöne, im Münsterland gelegene Stadt Telgte in die Konversation einführt. Wer aber außerstande ist, solche Mindestanforderungen an Weltläufigkeit zu erfüllen, der wird beim Treffen in Telchte oder in anderen Orten, wo gebildete Leute zusammenkommen, rasch zum Außenseiter. Er ist gezwungen, seinen Prosecco fortan allein zu schlürfen, und es würde ihm auch nichts helfen, wenn er zur Wiedergutmachung eine Lokalrunde Prosetscho orderte. Im Gegenteil, das würde nur noch weiter in die Einsamkeit führen.

    Zeitungsleute sind in dieser Sache fein heraus. Sie schreiben einfach Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch, wenn sie das walisische Dorf mit dem längsten Ortsnamen Europas meinen. Und während sie das schlanke Wort in den Computer tippen, denken sie mit Schadenfreude an Anne Will und Tom Buhrow, die gegebenenfalls in den Tagesthemen verkünden müssen, dass der polnische Verteidigungsminister Aleksander Szczyglo zu einem Besuch in Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch eingetroffen ist. Dabei könnten unvorbereitete Sprecher leicht ins Stottern kommen, was womöglich zu diplomatischen Verwicklungen mit Polen oder Wales führen würde. Bei der ARD aber haben sie seit nunmehr zehn Jahren eine Datenbank, die selbst über die heikelsten Probleme in puncto Aussprache hinweghilft. Wie nötig so eine Datenbank ist, hat seinerzeit die Verwirrung um den Namen Lech Walesas gezeigt, der in den Nachrichten mal als Wawensa, mal als Walessa und zuletzt als Wuawuessa vorkam. Vorsichtige Leute sprachen deshalb immer nur vom "polnischen Arbeiterführer".

    Zum Ruhme der ARD darf man hinzufügen, dass sie die Anpassung an fremde Sprachen nicht übertreibt. Roma heißt der Datenbank zufolge weiterhin Rom, Peking hat sich noch nicht ins international übliche Beijing verwandelt, und auch bei Paris hat man der Versuchung widerstanden, dem Wort mittels echt französischer Aussprache einen delikateren Klang zu verleihen. Offenbar sind die Fernsehleute etwas entspannter als etwa die große Schar der hiesigen Gefühlsitaliener, die einen zum diavolo wünschen, weil man zwei Espressos statt zwei espressi bestellt hat. Am besten, man beschwichtigt die Herrschaften mit einem Glas Prosetscho.

    MfG Felix0711

    "Deshalb unterstütze ich mit vollstem Enthusiasmus ein Projekt, das abendländischen Humanismus mit moderner Technik verbindet – den Bau eines unterirdischen Doms!"
    Harald Schmidt