ZitatAlles anzeigenAus den Kieler Nachrichten vom 27.10.2005:
Heiner Brand: "Wir haben keine Mannschaft"Beim Supercup muss der Bundestrainer auf viele Leistungsträger verzichtenBremen - Jetzt auch noch Michael Kraus. 24 Stunden vor dem Supercup-Eröffnungsspiel gegen Kroatien ereilte Bundestrainer Heiner Brand eine weitere Absage. Der 22-jährige Göppinger muss wegen Knieproblemen passen. Er reißt damit ein weiteres Loch in die ohnehin kurze Personaldecke der deutschen Handball-Nationalmannschaft.
Immer wieder sind es Verletzungen, die dem Bundestrainer bei seiner Arbeit Knüppel zwischen die Beine werfen. Dabei ist der Supercup fast die letzte große Gelegenheit, einer nach den Rücktritten von Stefan Kretzschmar, Christian Schwarzer, Volker Zerbe und Klaus-Dieter Petersen neu zu formierenden Mannschaft langsam Konturen zu geben. Deutschland ist Ausrichter der Weltmeisterschaft im Jahre 2007. Das hört sich weit weg an, ist jedoch gar nicht so fern. Ein gutes eineinviertel Jahr, dann steht das Eröffnungsspiel vor der Tür. Als Ausrichter wollen die Deutschen nicht nur organisatorisch ein gutes Bild abgeben, sondern auch sportlich vorne mit dabei sein. Zwischen Supercup und WM liegt nur noch die Europameisterschaft vom 26. Januar bis zum 5. Februar in der Schweiz. Da ist Deutschland Titelverteidiger, und Heiner Brand tappt personell voll im Dunkeln."Wir müssen uns als Mannschaft entwickeln", sagt er. "Das Problem ist nur, dass wir keine Mannschaft haben." Ein Satz, der klingt wie ein Offenbarungseid. Das Lemgoer Trio Daniel Stephan, Markus Baur und Sebastian Preiß steht ihm während der Supercup-Tage ebenso wenig zur Verfügung wie Torsten Jansen (HSV), der Großwallstädter Jan-Olaf Immel oder Holger Glandorf von der HSG Nordhorn. Dann müsse er eben experimentieren, sagt Heiner Brand, obwohl die Zeit der Experimente 15 Monate vor der WM längst abgeschlossen sein sollte. Trainer-Kollegen aus anderen Ländern beschäftigen sich längst mit dem Feinschliff. Brand dagegen hat immer noch ein unvollendetes Puzzle zu bewältigen.
Ein neues Steinchen im DHB-Team ist der gebürtige Weißrusse Andrej Klimowets, der jahrelang für die SG Flensburg-Handewitt spielte und vor der Saison zum Aufsteiger SG Kronau/Östringen wechselte. Als Typ bereits integriert ("ich fühle mich wohl in dieser Mannschaft"), muss der 31-Jährige nun noch auf dem Spielfeld seine Rolle finden. Der routinierte Klimowets soll dem Angriff mehr Durchsetzungskraft und der Abwehr mehr Stabilität verleihen, nachdem zuletzt Jens Tiedtke (Großwallstadt), der verletzte Preiß (Lemgo) und der junge Christoph Theuerkauf (Magdeburg) Brands Erwartungen nicht voll erfüllen konnten.
Zudem stellte der Bundestrainer klar, dass der wuchtige Kreisläufer nicht nur kurzfristig, sondern mit Blick auf die WM 2007 eine wichtige Rolle spielt. "Ich sehe ihn auch als Wechsel auf die Zukunft."
Allerdings machen nicht nur die vielen verletzten und neuen Spieler im DHB-Team den Supercup zu einem schwierigen Testfeld. Brand weiß, dass seine Mannschaft dem deutschen Publikum etwas bieten muss und sich hüten sollte, von einem der Weltklasse-Gegner aus der Halle gefegt zu werden. Das sei schon etwas paradox, äußert Brand. "Der Supercup hat für uns tatsächlich eine herausragende Bedeutung, obwohl das Ergebnis international gar nicht so wichtig ist."
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 27.10.2005)