Hallo,
folgenden Artikel habe ich heute im Flensburger Tageblatt gefunden:
ZitatAlles anzeigenHandballer vor Gericht: „Dann knackte es schon“
Vorsätzliches Foul oder Sportunfall? Diese Frage hat das Amtsgericht Niebüll in der Sache Michael Dassler gegen Ulf Bachmann zu klären. Die beiden Handballer gerieten in einem Kreisligaspiel aneinander, wobei Dassler am Auge verletzt wurde.
Niebüll – Es war keine einfache Materie, mit der sich die drei Juristen im Saal 1 des Niebüller Amtsgerichts befassten. Handball? Damit waren die Anwälte von Kläger und Beklagtem sowie Richter Carsten Storf bislang kaum in Berührung gekommen. So mühten sich die beiden Hauptdarsteller und fünf Zeugen in diesem Zivilverfahren eineinhalb Stunden lang, Begriffe wie Block, Unterhand- und Stemmwurf sowie Grundsätzliches zum Werfen in der Bewegung zu erläutern. Dazu war eine pikante Vorgeschichte zu erzählen, die von Rivalität und Revanche zwischen Insel und Festland handelt, wobei Nordstrand hier kurioserweise zum Festland gerechnet wird.
Michael Dassler hatte am 9. April als Kreisligaspieler der SG Westerland-List in der Partie gegen den TSV Nordstrand II eine „ziemliche Risswunde im Augenbereich“ erlitten, wie er vortrug; außerdem Blutergüsse und Prellungen am Augapfel, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Dafür macht er den Nordstrander Ulf Bachmann verantwortlich. Der blonde Hüne soll seine Hand bei einem Torwurf absichtlich so durchzogen haben, dass er den eher untersetzten Westerländer im Gesicht traf. „Er kam auf mich zu, ich hatte die Arme hoch. Der Ball ging an mir vorbei, dann sah ich die Faust kommen, und dann knackte es auch schon“, berichtete Dassler. Als er am Boden lag, habe ihm Bachmann zugerufen, er solle sich nicht so anstellen, und: „Du bist selber schuld.“ Überhaupt habe in dem Spiel eine „Hasssituation“ geherrscht, Fouls seien angekündigt worden. Dassler fordert nun von Bachmann mindestens 1500 Euro Schmerzensgeld sowie 1000 Euro für Arztkosten.
Jede Tat braucht ein Motiv. Das hatte der Sylter parat. Dassler ist auch als Schiedsrichter tätig und hatte eine Woche zuvor die Partie HSG Nord NF V - TSV Mildstedt geleitet. Mildstedt verlor, und danach stand der Vorwurf im Raum, Dassler und sein Schiedsrichterkollege Gert Rübsam hätten das Spiel manipuliert, weil Westerland-List damals mit Mildstedt um die Meisterschaft kämpfte. „Da geht es um Sympathiegeschichten. Das Verhältnis zwischen Festland und Sylt ist seit Jahren angespannt“, sagte Dassler, der nicht aussprach, was sich nun jeder denken konnte: Bachmann soll als Rächer der Mildstedter gehandelt haben.
„Warum soll ich der Rächer sein? Ich hatte keinen Grund, irgendetwas gegen Westerland zu unternehmen“, sagte der Beschuldigte. Die in Frage stehende Szene schilderte er so: „Ich habe an seiner linken Seite vorbeigeworfen, der Ball ging flach ins Tor. Danach habe ich ihn irgendwie getroffen, weiß aber nicht wie.“ Die Verletzung habe er zunächst nicht wahr genommen. „Aus meiner Sicht war das eine harmlose Situation, und der hat sich gewälzt, als wenn sonst was passiert wäre. Deshalb habe ich gesagt, er soll sich nicht so anstellen“, räumte Bachmann ein.
Soweit die Positionen. Ein Vergleich der Sportfreunde kam nicht in Frage, musste Richter Storf erkennen: „Entweder es war so oder so. Keiner rückt von seiner Darstellung ab?“ Kopfschütteln auf beiden Seiten.
Als Zeugen traten zwei Westerländer Spieler, Dasslers Ehefrau, ein Mitspieler Bachmanns sowie der Schiedsrichter Hauke Widderich (SG Friedrichstadt-Schwabstedt) auf. Deren Aussagen verdeutlichten vor allem, wie unterschiedlich die Wahrnehmung einer nur Sekunden dauernden Aktion in einer temporeichen Sportart ausfallen kann. Die einen hatten eine abfallende Wurfbewegung gesehen, andere eine aufsteigende und als dritte Variante war eine horizontal verlaufende Bahn von Arm und Hand erlebt worden.
Nichts von alledem ist verboten im Handball, also war zu klären, ob Bachmann seine Hand nach dem erfolgreichen Torwurf absichtlich ins Gesicht von Dassler lenkte. „Ich stelle mir das sehr schwierig vor. Ein Tor werfen und jemanden verletzen? Ich selbst hätte schon Schwierigkeiten, nur ein Tor zu werfen“, hielt Richter Storf einem Zeugen der Dassler-Partei entgegen, der Bachmann Absicht unterstellt hatte. „Ich habe es noch nicht gemacht, aber das geht bestimmt“, sagte der Zeuge.
Bachmanns Anwalt bat den Zeugen und Dassler um eine Nachstellung der Aktion im Gerichtssaal. „Ich möchte mal sehen, wie das geht. Wo kam denn die Hand her?“ fragte Hans-Jürgen Flamme. „Die Hand ist am Körper dran“, klärte der Zeuge den Juristen auf, hatte aber ebenso wenig wie Dassler Lust auf eine Vorführung. Stattdessen gab er noch zu Protokoll, dass er sich nach dem Vorfall an den Schiedsrichter gewandt habe und von diesem zu hören bekommen habe: „Jetzt halt doch mal die Fresse“, was der Spielleiter auf Protest hin nur wenig höflicher wiederholt habe: „Halten Sie die Fresse.“
Ein weiterer SG-Spieler führte detailliert aus, wie die Nordstrander Fouls abgesprochen hätten: „Lass ihn durch, dann kriegt er von mir“ hatte er gehört und „Jetzt kriegt auch noch der Schiri“. Bestimmten Personen könne er diese Aussagen aber nicht zuordnen. Dasslers Ehefrau schilderte das Geschehen aus Sicht des Tribünengastes. Auf die konkrete Frage des Richters mochte sie Bachmann ein absichtliches Foul nicht unterstellen.
Dass Bachmanns Mannschaftskollege die Position des Beklagten bestätigte, war kaum überraschend. Abschließend gab Schiedsrichter Widderich seine Darstellung vom Geschehen. Bachmanns Torwurf sei regelkonform gewesen, es sei eine normale Spielsituation gewesen. Dasslers Verletzung resultiere aus einem „unglücklichen Zufall“. Als übermäßig hart habe er die besagte Partie nicht empfunden, und natürlich habe er auch zu niemanden gesagt, er solle „die Fresse halten“.
Knapp drei Wochen Zeit hat sich Richter Carsten Storf genommen, um die bunte Geschichte zu bewerten. Am 4. November will er sein Urteil verkünden.
JAN WREGE
Ich habe mir den Termin 4.11. notiert, der Ausgang interessiert mich.