nicht wirklich neu, diese diskussion - aber meiner meinung nach exemplarisch für die situiation in vielen deutschen städten und gemeinden zur zeit:
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Sportstadt Wiesbaden - tatsächlich?
Politiker verweisen auf gute Förderung / Aber: Kaum Visionen, dafür Besitzstandswahrer
Sportexperten diskutieren über Wiesbadener Sport: (von links) Ulrich Schwaab, Leiter der Sportredaktion, Spitzenschwimmer Helge Meeuw, DSB-Vizepräsidentin Christa Thiel, Moderator Michael Palme, Oberbürgermeister Hildebrand Diehl und Landtagsmitglied Horst Klee.
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Vom 14.07.2005WIESBADEN Ein prominent besetztes Podium, interessierte Zuhörer: Als Zukunftsgespräch über den Wiesbadener Sport war es angekündigt, am Ende war es eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. Mit viel Lob und zu wenig Kritik an der "Sportstadt Wiesbaden".
VonUwe Martin
Zu vorgerückter Stunde sagte Horst Klee: "Das ist alles ein bisschen sehr visionär, was wir heute machen." Aber ging es nicht genau darum beim zweiten Wiesbadener Zukunftsgespräch zum Thema "Was sind die die Aufgaben kommunaler Sportförderung?" Etwas weitergedacht, sollte auch die Frage beantwortet werden, ob die hessische Landeshauptstadt eine Sportstadt ist. Was für Oberbürgermeister Hildebrand Diehl eigentlich keine Frage, sondern eine Feststellung ist. "Wiesbaden kann sich mit Recht als Sportstadt bezeichnen!" Kann sie das? Laut Klee, dem Vorsitzenden des Fußballvereins Biebrich 02 und CDU-Parteifreund von Diehl, sogar mehr als das. Wiesbaden stehe "im hessischen Vergleich gut da als Sportstadt". Tut das Wiesbaden wirklich?
Beginnen wir mit ein paar Fakten. Wiesbaden hat das renommierte Pfingst-Reitturnier, die kostenfreie Nutzung von Sportstätten, einen Volleyball- und Judoclub in der ersten Bundesliga, 70 000 Mitglieder in 241 Vereinen, eine Handvoll internationaler Spitzensportler (zugereiste und heimische); im Schnitt gibt die Stadt jährlich zwischen 13 und 14 Millionen Euro für den Sport aus.
Was Wiesbaden einst hatte, ist folgendes: Bundesliga-Badminton, eine Bundesliga-Radsportgemeinschaft, Zweitliga-Handball (Eintracht Wiesbaden), in unmittelbarer Nähe einen Handball-Bundesligaverein (SG Wallau/Massenheim), bis Mitte der neunziger Jahre einen Drittliga-Fußballklub (SV Wiesbaden), in den frühen Achtzigern viele Leichtathleten nationaler Güte, eine internationale Großveranstaltung in der Rhythmischen Sportgymnastik, bis zum Vorjahr die Hessen-Rundfahrt.
Eine merkwürdige Diskussion. Im Auditorium, das zu weiten Teilen mit Sportfunktionären besetzt war, war man zufrieden. Sicher, die bekannten Klagen über die Zurückhaltung der örtlichen Unternehmen beim Sportsponsoring, aber im Großen und Ganzen sei eigentlich alles gut. Und fast alle, die sich zu Wort meldeten, berichteten zuvorderst über Erfolge ihres Klubs. Die Podiumsfrage von Ulrich Schwaab, Sportchef dieser Zeitung, wie man "den Gedanken leben könnte, damit aus einer zarten Pflanze ein kräftiger Baum wird", wurde nicht aufgegriffen. Was nichts anderes bedeutet, als dass sich die Vereine auf recht bescheidenem Anspruchsniveau arrangiert haben. Breiten-, Gesundheits- und Seniorensport - viel mehr ist kaum möglich. Dass das Ehrenamt gestärkt werden müsse, eine Forderung von Christa Thiel, der Vizepräsidentin des Deutschen Sportbundes, ist bekannt.
Aber "genügt nur Breitensport", wie Moderator Michael Palme fragte? Gibt es einen übergreifenden Willen des Sports, der Wirtschaft und der Politik, etwas bewegen zu wollen? Nicht mal im Ansatz. Nur ein paar Ideen zum Schulsport, 400 000 Euro, davon 250000 vom Land, seit mindestens einem Jahrzehnt überfällige städtische Investitionen ins Stadion an der Berliner Straße. Ansonsten dominieren Besitzstandswahrer. Kein Mut, keine Visionen.
"Ein Verein muss erst einmal zeigen, dass er die Sportstätte füllen kann", sagte Diehl bezüglich des Dauerthemas multifunktionale Sporthalle für 5000 Zuschauer. Schon zuvor hatte er angesichts des demographischen Wandels das Motto "Fit in die Kiste" propagiert. Soweit ist Wiesbadens Spitzenschwimmer Helge Meeuw glücklicherweise noch lange nicht. "Die Bedingungen in Wiesbaden lassen nationalen Anschluss zu", sagte er. "Ich weiß nicht, ob es für internationale Spitze reicht."
Nach zweieinhalb Stunden Diskussion rund um den Sport hatte der objektive Betrachter den Eindruck gewonnen: In dieser Stadt dreht sich alles im Kreis, all dies wurde in ähnlicher Form schon mal besprochen. Etwa Anfang der neunziger Jahre, als es in der Politik darum ging, ob die Eintracht-Handballer angesichts des anstehenden Aufstiegs nicht eine größere Halle als jene am Elsässer Platz brauchten. Über die Frage "erst der Aufstieg oder erst die Halle?" wurde lange lamentiert. Da war es irgendwie erleichternd, dass der frühere Oberbürgermeister und heutige VCW-Manager Achim Exner (SPD) unumwunden zugab "einen Fehler gemacht zu haben". Damals, 1985, als er kalkulieren ließ, ob in der Elsässer Halle ein zweiter Tribünenrang gebaut werden könnte. Das Projekt wäre sogar finanzierbar gewesen, wurde jedoch nicht realisiert. Falsch, sagt Exner heute. "Wir hätten Mut zum Risiko haben müssen."
"Von der Zukunft erwarte ich, dass sie so wird, wie sie bis jetzt war." Das Zitat stammt natürlich nicht von OB Diehl oder von Horst Klee. Gesagt hat dies Verona Feldbusch. Aber es gibt ja Hoffnung. Im Jahr 2007 wird die Straßenrad-DM in Wiesbaden stattfinden. Bis dahin wird der JCW aber wohl eines von zwei Bundesliga-Teams mangels Sponsoren längst abgemeldet haben. Sportstadt Wiesbaden?
wie sieht's in anderen städen aus?