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Eine Zeitung ohne VerlagEin Berliner Journalist will das "Sportecho" wiederbeleben - das Konzept wirkt noch unklar
VON ERIK EGGERS
Brandneu ist die Idee zwar nicht. In allen großen europäischen Sportmärkten - den englischen ausgenommen - erscheinen Tag für Tag umfangreiche Sportzeitungen: in Frankreich die L'Equipe, in Italien die rosafarbene La Gazzetta dello Sport und der Corriere dello Sport, in Spanien mit As und Marca ebenfalls zwei auflagenstarke Blätter. Auch in Deutschland standen derartige Vorhaben schon vor der Verwirklichung. Doch vor gut einem Jahr verwarf der Springer-Verlag - weil es die Bild angreifen würde - zum wiederholten Male diesen Plan, und in Hamburg war schon 2001 eine Nullnummer produziert worden, bevor Investor Michael Kölmel den Gang zum Insolvenzrichter antreten musste.Aber wenn Dirk Makritzki das umsetzt, was er in diesen Tagen selbstsicher verkündet, dann würde ein Nobody den deutschen Sportmarkt revolutionieren: Mit dem Beginn der Rückserie der Fußball-Bundesliga, also im Januar 2006, will der Berliner Sportjournalist das Sportecho wiederbeleben.
Wenn man Makritzkis Worten Glauben schenken darf, sind nur noch allerlei unwichtige Formalitäten zu klären. Die Startauflage soll 150 000 Exemplare betragen, davon will er "in den ersten Wochen 50 000 verkaufen". 50 Cent soll die Ausgabe kosten. Wie die Vorbilder im europäischen Ausland wird der Fußball im Vordergrund stehen. Weitere Schwerpunkte bilden die Formel Eins, im Winter das Skispringen und Biathlon. Erst danach kommen, wie Makritzki sie bezeichnet, die "Kategorie-Zwei-Mannschaftssportarten" wie Handball, Basketball und Eishockey.
Start mit 30 bis 50 Redakteuren
Auch die Redaktion ist laut Makritzki bereits rekrutiert: "Wir starten mit 30 bis 50 festen Redakteuren, einem großen Stamm an freien Mitarbeitern und einem Netz an internationalen Korrespondenten." Das zu bewerkstelligen, sei das geringste Problem gewesen, da "alle Sportjournalisten das Produkt toll finden". Außerdem gebe es derzeit "ein absolutes Überangebot an hochqualifizierten Sportjournalisten auf dem deutschen Markt, und die, die in einer Anstellung sind, werden relativ mies bezahlt". Woher Makritzki die Verhältnisse so genau kennt? "Ich tummle mich seit 20 Jahren in dem Bereich und habe ein ganz gutes Netzwerk an Kollegen."
Das Seltsame daran: Das Netzwerk kennt ihn nicht. Soweit in Erfahrung zu bringen, hat bislang keiner der bekannteren freien Sportjournalisten Deutschlands, die für ein solches Projekt in Frage kämen, den Namen Makritzki je gehört. Das ist indes nicht verwunderlich vor dem Hintergrund von dessen bisher dürftiger journalistischer Karriere: Zuletzt konzentrierte sich der Berliner, der 1995 in Bayreuth als Diplom-Sportökonom abschloss, auf das Internet - gezwungenermaßen, denn vor einigen Jahren verlor der 36-jährige Rundfunkjournalist sein berufliches Standbein, als der SFB/RBB die meisten seiner freien Mitarbeiter entließ.
Seitdem ist Makritzki nur noch dann in den Berliner Printmedien präsent, wenn er mal einen Eishockey-Artikel für den Berliner Kurier schreiben darf. Derzeit ist Makritzki Geschäftsführer und Inhaber des Internet-Portals eurostream.de, das ein paar Sportverbände betreut und bisher nicht zu den Größen im World-Wide-Web zählte.
"Deutsches Sportecho"
Das "Deutsche Sportecho", in Ost-Berlin ansässig, erschien erstmals am 5. Mai 1947 und zunächst nur montags und freitags. Von Anfang an als Propaganda-Instrument der SED geplant, geriet es, auch wenn der Herausgeber aus taktischen Gründen seit 1963 nicht mehr genannt wurde, zum Sprachrohr des "Deutschen Turn- und Sportbundes" (DTSB). Trotz der ideologisch stark eingefärbten Kommentare zur Sportpolitik war das "Sportecho" in der DDR wegen seiner außerordentlich breiten Sportberichterstattung sehr populär; nachdem es 1963 zur Tageszeitung geworden war, betrug die Auflage im Schnitt rund 180 000 Exemplare. Nach der Wende kaufte der Springer- Verlag den Sportverlag Berlin, in dem das "Sportecho" erschien, aus der DDR-Masse. Wegen der Konkurrenz zur "Sport-Bild" wurde es kurz danach eingestellt. Die letzte Ausgabe erschien am 13. April 1991. eeg
Eher keine Edelfedern
Wenn also Makritzki die Sportressorts der Bild, der Frankfurter Rundschau, der FAZ und der Süddeutschen als "unsere Konkurrenz" ansieht, dann wirkt das ungefähr so, als plane ein Tante-Emma-Laden die Übernahme von Aldi. Zumal diese Übernahme, wie die Herkunft Makritzkis vermuten lässt, mit Sportjournalisten aus dem Internet-Bereich vollzogen werden soll, die schreiberisch oft nicht dieselbe Qualität besitzen wie die Edelfedern der Tageszeitungen.Außerdem dauert es erfahrungsgemäß sehr lange, bevor überhaupt die Kontakte zu den Stars der Sportszene aufgebaut sind; auch deshalb ist es eigentlich unerlässlich, auf erfahrene (und nicht ganz billige) Fachjournalisten zurückzugreifen.
Dass diese Herkules-Aufgabe womöglich eine Nummer zu groß sein könnte für Makritzki, diesen Eindruck legt die offenbar völlig ungeklärte Infrastruktur ebenfalls nahe. Zwar steht, wie Makritzki behauptet, ein "zweistelliger Millionenbetrag" als Startkapital zur Verfügung, als Geldgeber nennt er "Investorenfonds und einzelne Business Angels, die Venture Capital aufgetan haben". Auch freuen sich, wie Makritzki sagt, "die Wettanbieter über ein solches Angebot", Betandwin habe sogar schon überlegt, eine eigene Sportzeitung auf den Markt zu bringen. Auch Oddset "wird zwangsläufig mitziehen bei einem solchen Projekt", ist er sich sicher.
Das klingt alles toll, aber ein entscheidendes Manko besitzt das Unternehmen Sportecho dann doch: "Im Moment stehen wir noch ohne Verlag da, das heißt, wir müssten die ganze Logistik und den ganzen Vertrieb selbst aufbauen", sagt Makritzki und räumt ein, dass dies, wenn bis Januar kein Verlag einsteige, "das Projekt erheblich erschweren würde". Eine Zeitung ohne Verlag - das ist freilich mehr als ein kleiner Schönheitsfehler. Insofern wirkt Makritzkis vollmundige Ankündigung dann doch wie ein schlecht gelungenes Bewerbungsschreiben.
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Zumal diese Übernahme, (...) mit Sportjournalisten aus dem Internet-Bereich vollzogen werden soll, die schreiberisch oft nicht dieselbe Qualität besitzen wie die Edelfedern der Tageszeitungen.
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