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Keine Lust mehr auf SonntagnachmittageHandballerin Daniela Harke steigt aus dem Bundesliga-Geschäft aus und will nur noch ein ganz normales Leben führen
Minden (mt). Mit 26 kommen Handballer in ihre besten Jahre. Florian Kehrmann, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist 27, Frank von Behren und Torsten Jansen sind 28 Jahre alt. Sie wachsen jetzt in die Rolle der Führungspersönlichkeiten, sind die Korsettstangen von Trainer Heiner Brand beim Aufbau der neuen Mannschaft. So weit der Normalfall.
Auf Normalfälle und gewöhnliche Karrieren auf dem Handballfeld gibt Daniela Harke nicht mehr viel. Sie ist jetzt 26 Jahre jung und hat keine Lust mehr, ihr Leben komplett dem Sport unterzuordnen. Sie ist des täglichen Trainings, der allwöchentlichen Spiele, der Auswärtsfahrten, der Nationalmannschaftslehrgänge und der Vorbereitungszeit überdrüssig: "Ich will einfach nur wohnen, arbeiten und leben, und nicht ständig an Handball denken"
Seit dem 14. Lebensjahr trainiert sie fast täglich
Wenn andere Kinder aus der Schule, wenn Arbeitnehmer vom Job nach Hause kommen, ist Feierabend und Wochenende; wenn die Lehrerin Daniela Harke vom Dienst nach Hause kommt, ist Handball. Und dass schon lange, sehr lange Zeit. Mit sechs Jahren hat die Linkshänderin mit dem Handballsport begonnen, seit sie 14 ist, trainiert sie fast täglich: beim TSV Hahlen, der HSG Stemmer/Friedewalde, Eintracht Minden und seit 2001 beim VfL Oldenburg und dazu viele Male bei Auswahl-Teams. "Ich führe seit vier Jahren eine Fernbeziehung, die sich am Sonntagnachmittag abspielt, so wie alles andere auch. Es reicht", antwortet Harke auf die zahlreichen Fragen nach dem "Wieso?" und dem "Was jetzt?".
Sie hat im Handball einiges erreicht. Die 1,76 m große Rechtsaußen feierte mit Minden und mit Oldenburg jeweils einen zweiten Platz im DHB-Pokal und erkämpfte sich nach ihrer Kreuzband-Operation (2001) einen Stammplatz beim ambitionierten Bundesligisten VfL Oldenburg. Bei der Wahl zur deutschen Handballerin des Jahres des Magazins Handball-Woche platzierte sich Harke mit Rang 19 jetzt erstmals unter den Top 20.
Zuletzt gehörte Daniela Harke, die alle nur Dani rufen, zum Stamm der Frauenhandball-Nationalmannschaft. Bei der Europameisterschaft in Ungarn kam das Team im Dezember auf Platz fünf und Dani Harke auf sieben Einsätze und sechs Tore. Damit schraubte sie die Zahl ihrer A-Länderspiele auf 28 - und erklärte ihren Rücktritt. Das taten auch vier weitere Nationalspielerinnen, zumeist ein paar Jahre älter und etliche Länderspiele weiter: Harkes Klubkollegin Heike Schmidt (33 Jahre/165 Länderspiele), Nikola Pietzsch (HC Leipzig/30/126 LS) , Kathrin Blacha (1. FC Nürnberg(34/207 LS) und Milicia Danilovic ( HC Leipzig/30/27 LS).
Und weil Harke gerade dabei war, gab sie jetzt auch beim VfL Oldenburg, mit dem sie um den Einzug in die Meisterschafts-Finalrunde kämpft, ihren Abschied zum Saisonende bekannt. Sie kehrt zurück nach Minden - sofern sich das beruflich arrangieren lässt. Sie arbeitet in Oldenburg als Hauptschullehrerin und will nur dann ihre Zelte im Norden abbrechen, wenn sie im Minden der Umland eine neue Stelle findet.
"Auf einmal löste sich da alles auf"
"Ich ziehe im Sommer nach Minden und führe ein normales Familienleben", formuliert sie ihre bescheidenen Wünsche. Mit vier Jahren sei sie ohnehin schon ein Jahr länger in Oldenburg geblieben als geplant. Doch aus der angedachten Rückkehr zu Eintracht Minden, wo sie sich fünf Jahre lang in der Bundesliga etablierte, wurde im Sommer 2004 nichts. "Auf einmal löste sich da alles auf, und ich stand dann da", beschreibt Harke ihre persönliche Enttäuschung über den Zusammenbruch des Mindener Bundesliga-Frauenhandballs.
Wenn sie an die Porta Westfalica zurückkehrt, will sie weiter Handball spielen. So hoch wie möglich, aber nicht mehr um jeden Preis lautet dabei in etwa ihre Maxime. Ob sie schon weiß, in welchem Verein? So weit sei so noch nicht, sagt sie, "das kommt später."